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Alfred Schnittke
(1934 – 1998)

Streichquartett Nr. 3
AndanteAgitato
Pesante

Alfred Schnittke wurde 1934 in Engels, einer Stadt der damaligen autonomen wolgadeutschen Sowjetrepublik, als Sohn eines aus Frankfurt am Main gebürtigen Journalisten und einer Wolgadeutschen, die als Deutschlehrerin arbeitete, geboren. 1946 begann er in Wien, wo der Vater bis 1948 Redakteur war, seine musikalische Ausbildung. Dann lebte er vierzig Jahre in Moskau, zunächst zehn Jahre als Student, ebenso lange als Dozent des Moskauer Konservatoriums und ab 1970 als freischaffender Künstler, bis er 1990 als Professor und Leiter einer Kompositionsklasse an die Hamburger Musikhochschule berufen wurde. In Hamburg starb er 1998.

Sein 3. Streichquartett entstand auf Anregung der Gesellschaft für neue Musik Mannheim im Jahr 1983. Seit 1968 lehnte Schnittke reine serielle Musik ab, sie sei der Kreativität und Vitalität der Musik abträglich. Schnittke wollte komponieren „ohne konstruktive Regeln“. Er setzte dagegen die Idee der Polystilistik: Traditionelle Elemente werden in Zeitgemäßes „hineinmontiert“ und zu einer modernen Musiksprache weiterentwickelt; das Neue (Atonale) wird in einer Weise mit dem Traditionellen verknüpft, dass kein Stilbruch entstand: „Es bleibt beides (der traditionelle Dreiklang und die Klänge atonaler Ordnung) erhalten als kontrastierende Elemente, die sich im Gleichgewicht gegenüberstehen.“ (a.a.O.)

So findet sich zu Beginn des Andante das Traditionelle in Gestalt dreier Zitate: eine Kadenz-Floskel aus einem 'Stabat Mater' von Orlando di Lasso, die im gesamten Quartett einen Halt bietet,



Streichquartett Nr. 3 Satz 1 Stabat mater



das Hauptthema von Ludwig van Beethovens Großer Fuge op. 133 und die Tonfolge D - S (gesprochen: es) – C – H, die Initialen von Dmitri Schostakowitsch, die Schostakowitsch oft auch selbst verwendet hat (z. B. im 8. Streichquartett).



Streichquartett nr. 3 Satz 1 op. 133 und dsch



Schon bei der Vorstellung des Beethoven-Zitats wird durch ein einfaches Pizzicato in der zweiten Violine und langgezogene Töne in der Begleitung deutlich, wie ausgeprägt bei Schnittke die klangliche Phantasie ist. So kann er neue Klänge erproben und eine eigene Sprache finden. Nach den drei Zitaten ergibt sich eine besondere Klangwelt beim einem Fortissimo-Ausbruch mit eindringlichem Glissando. Und neue Klänge zeigt auch die fugierte Durchführung des Lasso-Zitats: es soll ohne Vibrato und sul tasto, also am Griffbrett gespielt werden, wodurch die Klänge obertonarm, also weniger klangvoll werden. Eine neue Klangfarbe entsteht auch durch Trillerfiguren in allen Instrumenten beim folgenden Beethoven-Zitat. Das D-S-C-H-Motiv wird noch einmal abgewandelt und schließlich auch die Lasso-Kadenz, wieder in fugierter Weise, unterlegt von einer durchgehend gleichbleibenden Bassbegleitung des Cellos, die durch ein gleichzeitiges Erklingen von Grundton und Quinte gebildet ist (die sogenannte ‚Bordunquinte‘).

Das Agitato beginnt mit einem freundlichen Walzer-Thema, das zerrissen wird von brutalen Fortissimo-Ausbrüchen. Nach dem Lasso-Zitat aus dem Ersten Satz übernimmt die Viola das Walzer-Thema; und auch dieser Versuch wird abgebrochen durch jene Fortissimo-Ausbrüche, die sich nun durchsetzen. Es folgt ein Choral, dessen fahle Klänge vom vibratofreien Sul-tasto-Spiel erzeugt werden, das Schnittke auch im Ersten Satz eingesetzt hat. Ein dramatisches Chaos setzt dieser fahlen Starre ein Ende. Mit einer kurzen Andeutung des freundlichen Walzer-Themas endet der erste Teil des ‚Agitato‘, der nach dem Willen des Komponisten wiederholt werden soll.
Im zweiten Teil ertönen im Piano die neuen Klänge, die schon im Ersten Satz beim Beethoven-Thema angedeutet wurden: durchgehendes Tremolo im Cello, Trillerfiguren in den Violinen, die wie aus dem Gespenstischen auftauchende Lasso-Kadenz. In diese neuen Töne erklingt, einmal unterbrochen von der Lasso-Kadenz, das Walzermotiv und bleibt, wie um sich selbst kreisend, eingewoben in die weitere Steigerung, in der einige Takte lang sehr eindringlich an den Mittelteil mancher klassischen Sonate erinnern.

Die Idee, Traditionelles und Atonal-Modernes zu verbinden, macht den Dritten Satz zu einem besonderen Hör-Erlebnis. Er schließt unmittelbar an den Zweiten an und nimmt zunächst dessen Steigerung zurück: Am Beginn stehen schwere, drückende (pesante) Fortissimo-Akkorde und ein an Schostakowitsch erinnerndes, nur aus Sekundschritten bestehendes punktiertes Motiv (Polystilistik also auch hier):



3. Streichquartett Satz 3 Sekundmotiv



Dann geht es in kleinen Schritten abwärts, bis mit dem Lasso-Zitat das Pianissimo erreicht ist. Das Beethoven-Thema wird angedeutet, ebenso das D-S-C-H. Das Sekundschritt-Motiv des Satzbeginns wird wiederholt, und mit einer kaum mehr erkennbaren Andeutung der Lasso-Kadenz und des Beethoven-Zitats endet der erste Teil.
Zu Beginn des zweiten Teils gibt es ein seltsam eindringliches Phänomen: Zu dissonanten Akkorden der Violinen spielt die Viola das Walzer-Motiv des Zweiten Satzes mit anrührend traditioneller Geste. Der folgende Teil ist durch Pizzicato bestimmt: Das punktierte Sekund-Motiv erscheint im Pizzicato und auch das Beethoven-Thema. Zweimal noch führen Akkorde mit verfremdetem Klang - durch eine Fermate getrennt - zu Fortissimo-Höhepunkten. Der Abgesang beginnt mit dem Walzer-Thema als Pianissimo-Pizzicato der Ersten Violine und er endet nach einigen Takten mit der Spielanweisung ‚morendo‘ – ersterbend, verlöschend.

November 2020



Klavierquintett 1972/76 / Trio für Violine, Bratsche und Violoncello (1985)

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