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Vortrag

Thomas Morus ‚Utopia‘

Zum Stil der Übersetzung: In Zweifelsfällen ist eher näher am Text als frei übersetzt; so können die Schüler zur größtmöglichen Genauigkeit bei der Analyse lateinischer Sätze erzogen werden.





Über die Jagd (Liber secundus)

Quae suavitas esse potest ac non fastidium potius
in audiendo latratu atque ululatu canum!


Aut qui maior voluptatis sensus est, cum leporem
canis insequitur, quam cum canis canem!


Nempe idem utrobique agitur,


accurritur enim, si te cursus oblectet.
°°°At si te caedis spes, laniatus (Genitiv)
°°°expectatio sub oculis peragendi retinet,


misericordiam potius movere debet spectare
°°°AcI: lepusculum a cane, imbecillum a validiore,
°°°fugacem ac timidum a feroce, innoxium denique
°°°a crudeli discerptum.

Itaque Utopienses totum hoc venandi exercitium, ut
rem liberis indignam, in lanios
°°°(quam artem per servos obire eos supra diximus)
reiecerunt.

Infimam enim eius partem esse venationem statuunt,
reliquas eius partes et utiliores et honestiores(,)
°°°ut quae et multo magis conferant et animalia
°°°necessitatis dumtaxat gratia perimant,
cum venator ab miseri animalculi caede ac laniatu
nihil nisi voluptatem petat.
‚‚quae‘: adjektivisches Interrogativpronomen, ebenso
‚qui‘ in Z. 4; suavitas – Freude, Vergnügen; fastidium
– Ekel, Überdruss; potius – eher, vielmehr; latratus,
us – Bellen, Gebell; ululatus, u – Geheul;
voluptas – Vergnügen; sensus, us – Empfindung,
Gefühl; lepus, oris m – Hase; insequi – verfolgen;
quam (nach dem Komparativ ‚maior‘) – als; ergänze
zu ‚cum canis canem‘: insequitur;
nempe – denn doch, allerdings, freilich, offenbar;
idem: neutrum; utrobique - auf beiden Seiten, in
beiden Fällen; agere: tun;
accurrere – rennen; oblectare – erfreuen;
at – aber; caedis, is Morden; Mord; laniatus, us –
Zerfleischen, Zerreißen; peragere – ausführen; ordne:
exspectatio laniatus sub oculis peragendi
(unechtes Gerundivum);
potius – eher, vielmehr; ‚movere‘ hier: erwecken,
erregen; debet – es muss, Subjekt zu ‚debet‘: spectare;
nach ‚spectare‘ steht AcI, es muss also zu ‚discerptum‘
ein ‚esse‘ ergänzt werden; discerpere, o, cerpsi,
cerptum – zerreißen
venari – jagen; lanius – Fleischer, Metzger;
quam‘: relativischer Satzanschluss; ‚ars‘ hier:
Handwerk; ‚obire‘ hier: ausführen lassen; Subjekt des
AcI: ‚eos‘; supra - oben; reicere, io, ieci –
zurückwerfen, an jemanden verweisen;
infimus – niedrigster; mit ‚eius‘ ist das Handwerk
der Metzgerei gemeint; ‚pars‘ hier: Stufe; ut quae
da diese ja; et – auch, sogar; conferre – nützen;
dumtaxat – lediglich, nur; ‚gratia‘ wie ‚causa‘
Präposition mit Genitiv: wegen; perimere, o – töten;
cum – während, wogegen; animalculus – Tierchen;
laniatus, us siehe oben; (rororo S.71)


Über die Jagd

Welches Vergnügen kann es geben (sein) und nicht eher Widerwillen beim Anhören vom Gekläff und Geheul der Hunde! Oder welch größeres Gefühl des Vergnügens ist es, wenn ein Hund den Hasen verfolgt als wenn ein Hund einen Hund verfolgt. Offenbar wird in beiden Fällen dasselbe getan: es wird nämlich gerannt, falls dich das Rennen vergnügt.
Aber wenn dich die Hoffnung auf Morden, die Erwartung, dass unter deinen Augen das Zerfleischen ausgeführt wird (des Ausführens von Zerfleischen unter deinen Augen), muss nicht eher dein Mitleid erregen zu sehen, dass das Häschen vom Hund, das Schwache vom Stärkeren, das Flüchtige und Furchtsame vom Wilden, schließlich das Unschuldige vom Grausamen zerrissen wird.
Deshalb haben die Utopier diese ganze Verrichtung des Jagens – wie eine der Freien unwürdige Sache – an die Fleischer verwiesen – wir haben oben gesagt, dass sie dieses Handwerk durch Sklaven ausführen lassen.Sie setzen fest, dass die Jagd dessen niedrigste Stufe ist, das die übrigen Stufen sowohl nützlicher als auch ehrenvoller sind, da diese ja sowohl viel mehr nützen als auch die Tiere nur aus Notwendigkeit töten, während der Jäger durch das Morden und Zerfleischen eines armen Tierchens nur sein Vergnügen sucht.



Über die Strafe bei Diebstahl (Liber primus)

Es spricht Hythlodäus in einem Kreis um den Erzbischof, Kardinal und Kanzler Johannes (John) Morton; Hythlodäus berichtet Thomas Morus von diesem Gespräch.



Punitio furum et supra iustum est et non ex usu publico.
Neque ulla poena est tanta,
ut ab latrociniis cohibeat eos,
qui nullam aliam artem quaerendi victus habent.
Itaque hac in re non modo vos,
sed bona pars huius orbis imitari videtur malos
praeceptores,
qui discipulos verberant libentius quam docent.
Decernuntur enim furanti gravia atque horrenda
supplicia,
cum potius multo fuerit providendum,
ut aliquis esset proventus vitae,
ne cuiquam tam dira sit furandi primum,
dehinc pereundi necessitas.
punitio, onis f. - Bestrafung; fur, ris - Dieb, davon
abgeleitet: furari - stehlen (siehe Z. 6 und 8); et ... et
- sowohl ... als auch; supra iustum - über das
gerechte Maß; ex usu publico est - er, sie, es ist im
Interesse des Staats; latrocinium - Räuberei, Dieberei;
cohibere, eo - abhalten; ars, tis hier: Möglichkeit;
quaerere, o hier: erwerben; victus, us –
Lebensunterhalt; modo – nur; orbis, is m hier: Welt,
das 'huius' verweist auf die Welt, in der die
Gesprächspartner leben, im Unterschied zu dem neu
entdeckten Utopien; imitari – nachahmen;
praeceptor, oris – Lehrer; verberare – schlagen;
libentius – lieber; decernere, o hier: festsetzen;
horrendus – grauenhaft; supplicium – Strafe;
cum potius multo – während viel eher, während
vielmehr; providere, ut - dafür sorgen dass;
proventus, us m - Unterhalt; ‘esse’ hier: dasein,
‚est‘ hier: es gibt; primum – zunächst; dirus
unheilvoll, schrecklich; alicui necessitas est
jemandem (für jemanden) ist die Notwendigkeit da =
jemand ist der Notwendigkeit unterworfen;


Über die Strafe bei Diebstahl

Die Bestrafung der Diebe ist sowohl über das gerechte Maß hinaus als auch nicht im Interesse des Staates (geht über ... und liegt auch nicht ...). Und keine Strafe ist so groß, dass sie diejenigen vom Stehlen abhält, die keine andere Möglichkeit haben, ihren Lebensunterhalt zu erwerben (des Erwerbens des Lebensunterhalts). Demnach scheint in dieser Sache nicht nur ihr, sondern ein guter Teil dieser Welt schlechte Lehrer nachzuahmen, die die Schüler lieber verprügeln als belehren.
Es werden nämlich für den Dieb schwere und grauenhafte Strafen festgesetzt, während vielmehr dafür gesorgt werden müsste, daß es (für sie) irgendeinen Lebensunterhalt gibt, damit nicht jemand der so schrecklichen Notwendigkeit unterworfen ist, zunächst zu stehlen, dann zu sterben.



Über unnötige Gesetze (Liber secundus)

Leges habent perquam paucas;

sufficiunt enim sic institutis paucissimae.



Quin hoc imprimis apud alios improbant populos,
quod volumina infinita legum interpretumque non
sufficiunt.

Ipsi vero censent iniquissimum ullos homines
obligari his legibus,
quae aut numerosiores sint, quam ut perlegi queant,
aut obscuriores, quam ut a quovis possint intellegi.

Porro omnes causidicos, qui causas tractent callide
ac leges vafre disputent, prorsus excludunt.

Censent enim ex usu esse, ut suam quisque causam
agat eademque referat iudici, quae narraturus patrono
fuerat.
Subj. zu ‘habent’ nicht ‘leges’, sondern im Präd.
(sie, gemeint sind die Utopier); perquam – sehr,
überaus; sufficere, io, feci, fectus - ausreichen;
sic institutis - den in einem Staat mit einer solchen
Verfassung lebenden Menschen (wörtlich: den so
Eingerichteten); quin - ja sogar; imprimis - vor allem;
improbare – missbilligen; quod hier: dass; volumen,
voluminis n. - Band, Buch; infinitus - unendlich,
zahllos; interpres, etis m. - Kommentator; censere
mit Akk. - einschätzen als, halten für, dann folgt der
AcI; obligare - verpflichten; numerosus - zahlreich;
quam ut - als dass; perlegere - durchlesen; quere, eo
- können; obscurus - unklar, dunkel; quivis - jeder
beliebige; porro - fernerhin; causidicus - Anwalt;
causa hier: Rechtssache, Prozess; tractare
behandeln, führen; callidus - schlau, verschlagen;
vafer, vafra, vafrum - schlau; prorsus - ganz und gar,
völlig; censere hier: meinen; ex usu esse -nützlich
sein (das Subj. des AcI - id - fehlt); quisque - jeder
(gemeint sind die Angeklagten); agere, o, egi,
actus - behandeln, führen (siehe tractare); patronus =
causidicus (Anwalt);


Über unnötige Gesetze

Sie haben sehr wenige Gesetze; denn in einem Staat mit einer solchen Verfassung lebenden Menschen (den so Eingerichteten) reichen nämlich sehr wenige aus. Sie tadeln ja sogar vor allem dies bei anderen Völkern, dass (diesen) zahllose Bände von Gesetzen und Kommentatoren nicht ausreichen.
Sie selbst aber schätzen es als höchst ungerecht ein, dass irgendwelche Menschen durch solche Gesetze verpflichtet werden, die entweder zu zahlreich sind, als dass sie gelesen werden könnten, oder zu unklar, als dass sie von jedem beliebigen verstanden werden könnten.
Fernerhin schließen sie alle Anwälte, die Prozesse verschlagen führen und die Gesetze schlau auslegen, völlig aus. Sie meinen nämlich, dass es nützlich sei, dass jeder seinen Prozess führt und dasselbe dem Richter berichtet, was er im Begriff gewesen war, dem Anwalt zu erzählen.



Über Ausbeutung (Liber secundus - Epilog)

Hos labor sterilis atque infructuosus in praesenti
stimulat
et inopis recordatio senectutis occidit;





quippe quibus parcior est diurna merces, quam ut
eidem possit diei sufficere, tantum abest, ut
excrescat et supersit aliquid, quod cotidie queat in
senectutis usum reponi.


An non haec iniqua est et ingrata
res publica, quae generosis, ut vocant, et otiosis et
adulatoribus tanta munera prodigit?



Agricolis contra, carbonariis, mediastinis, aurigis
et fabris, sine quibus nulla omnino res publica esset,
nihil benigne prospicit.


Sed eorum florentis aetatis abusa laboribus, annis
tandem ac morbo graves,
omnium rerum indigos miserrima morte
repensat ingratissima.



Quid quod ex diurno pauperum demenso divites
cotidie aliquid non modo privata fraude,
sed publicis etiam legibus abradunt;
quod ante videbatur iniustum: optime
de re publica meritis pessimam referre gratiam,
hoc isti depravatum etiam fecerunt tum
provulgata lege iustitiam.

Auch Klausur 1990
hos: gemeint ist die schwer arbeitende und
erbärmlich bezahlte untere Schicht der
Bevölkerung; sterilis, e - unergiebig; infructuosus
- ertraglos; praesens - Gegenwart (i-Dekl.);
stimulare – peinigen; inops, inopis - arm,
mittellos, bedürftig, ohnmächtig; recordatio,
onis f. - der Gedanke; occidere, o - quälen,
umbringen;
quippe quibus - da ihnen; parcior . . . quam ut
zu gering, als dass; diurnus - täglich; merces f. –
Verdienst; sufficere mit Dat. - ausreichen für;
tantum abest, ut - ist man weit entfernt davon, dass;
excrescere, o - heraus-, emporwachsen; cotidie
täglich; quere, queo – können;
an non - oder . .. etwa nicht; haec ist Subj.;
generosus - Edelmann; ut vocant - wie sie sie
nennen = sogenannte; otiosus - Müßiggänger;
adulator - Schmeichler, Schmarotzer; munus,
eris n. - Vergünstigung; prodigere, o, egi –
verschwenderisch zukommen lassen;
contra- dagegen; carbonarius - Köhler;
mediastinus - Tagelöhner; auriga, ae m. –
Fuhrmann; faber – Handwerker; nihil - in keiner
Weise; benignus hier: ordentlich; prospicere, io
mit Dat. - Fürsorge treffen für (Subj.: res publica);
gravis, e hier: gebeugt, gedrückt; indigus mit Gen.
- einer Sache bedürftig; repensare - vergelten,
belohnen, bezahlen (Subj. immer noch res publica);
ingratissima: Praedicativum;



quid quod - ja sogar; demensum – Lohn; abradere, o
aliquid ex - sich irgendeinen Anteil rauben von;



ante = antea; der Infinitivsatz optime . . . gratiam
ist eine Erläuterung des quod-Satzes; meriti de –
die, die sich verdient gemacht haben um; referre
gratiam mit Dat. - jemanden mit Dank belohnen,
Dank entgegenbringen; hoc depravatum - dieses
Unrecht (greift auf, was im quod-Satz und seiner
Erläuterung gemeint ist); facere mit dopp. Akk. –
etwas als etwas erklären; provulgare
veröffentlichen


Über Ausbeutung

Diese (gemeint ist die schwer arbeitende und erbärmlich bezahlte untere Schicht der Bevölkerung) peinigt eine unergiebige und ertraglose Arbeit in der Gegenwart und quält der Gedanke an ein elendes Alter. Da für sie ihr täglicher Verdienst zu gering ist, als dass er für denselben Tag ausreichen könnte, ist man weit entfernt davon, dass irgendetwas an Mehrwert herauskommt (herauswächst) und übrig bleibt, das täglich für den Gebrauch im Alter zurückgelegt werden könnte.
Oder ist dies etwa nicht ein ungerechtes und undankbares Gemeinwesen, das den Edelleuten, wie man sie nennt (sogenannten Edelleuten), den Nichtstuern und Schmarotzern solch große Vergünstigungen verschwenderisch zukommen lässt? Für die Bauern Dagegen, die Köhler, Tagelöhner, Fuhrleute und Handwerker, ohne die überhaupt kein Gemeinwesen wäre (der Staat nicht überhaupt existierte), trifft es in keiner Weise ordentlich Fürsorge. Sondern er belohnt, die Arbeit von deren blühendem Alter ausgebeutet habend (nachdem er ... ausgebeutet hat), die schließlich durch die Jahre und Krankheit Niedergedrückten, aller Dinge Bedürftigen höchst undankbar mit einem schrecklich erbärmlichen Tod.
Ja sogar rauben sich die Reichen von dem täglichen Verdienst der Armen irgendetwas (irgendeinen Anteil) täglich nicht nur durch persönlichen Betrug, sondern auch durch staatliche Gesetze.
Was vorher/früher als ungerecht angesehen wurde: die, die sich am besten um das Gemeinwesen verdient gemacht haben, mit schlimmstem Dank zu belohnen, dieses Unrecht erklärten diese da dann, nachdem ein Gesetz veröffentlicht worden war, sogar noch als ‚Gerechtigkeit‘.

Morus spricht davon, dass die Reichen die Armen nicht nur durch Betrug, sondern auch (sogar) ‚publicis legibus‘ ausbeuten, z. B. durch Steuergesetze. Die Reichen rauben den Armen den Mehrwert ‚publicis legibus‘ und machen Unrecht zu Recht durch Verkündigung von Gesetzen - Klassenjustiz (‚provulgata lege‘, ‚rei publicae nomine tituloque‘, siehe folgenden Text)

Interpretationsaufgaben siehe Klausur über 'Ausbeutung'



Über Ausbeutung, Klassenjustiz und Hoffart

(Liber secundus - Epilog)

Interpretationsaufgaben siehe Klausur über ‚Ausbeutung, Klassenjustiz und Hoffart’
Der Text folgt der Ausgabe von J. Klowski (Hirschgraben-Verlag, Altsprachliche Textausgaben Heft 16); Es wurden aus dem Epilog zwei nahe beieinanderliegende Textstellen zusammengestellt, die ins Zentrum der Utopia-Interpretation führen. Der zwischen den beiden Stellen ausgelassene Text wurde zusammenfassend referiert. Im zweiten Teil gibt es kleinere unbedeutende Kürzungen, damit der Text die erforderliche Wortzahl nicht wesentlich überschreitet.



Itaque omnes has,
°°°quae hodie usquam florent,
res publicas animo intuenti ac versanti mihi nihil
occurrit aliud quam quaedam conspiratio divitum
de suis commodis rei publicae nomine tituloque
tractantium.
Comminiscunturque et excogitant omnes modos
atque artes,
°°°quibus,
°°°°°°quae malis artibus ipsi congesserunt,
°°°ea primum ut absque perdendi metu retineant,
°°°post hoc ut pauperum omnium opera ac labores
°°°quam minimo sibi redimant eisque abutantur.



Haec machinamenta ubi semel divites publico nomine,
hoc est etiam pauperum, decreverunt observari,
iam leges fiunt.
Ordne: omnes has res publicas, quae; animo intueri
ac versari
- im Geiste betrachten und prüfen;
occurrere hier: vor Augen treten, sich zeigen
tractare de hier: sorgen für; titulus - Rechtstitel
comminisci - ersinnen; excogitare - erfinden;
modus - Methode; artes hier: Kniffe, Kunstgriffe,
Schliche; congerere, o - zusammentragen
ordne: ut quibus primum ea, quae..., absque usw.;
ut mit Konjunktiv: damit; quibus ist relativischer
Satzanschluss (‚durch diese, gemeint sind Kniffe und
Schliche); primum hier: zunächst einmal;
absque mit Abl. – ohne; post hoc - danach, dann;
ordne: ut post hoc; quam bei Superlativ: möglichst
(mit Positiv); parvo (Superlativ: minimo) – billig;
sibi redimere – sich aneignen; abuti mit Abl. –
jemanden missbrauchen, ausbeuten;
ordne: Ubi semel divites...decreverunt haec
machinamenta observari (AcI); machimentum
Machenschaft, Methode, List; ubi semel
sobald einmal; publico nomine - im Namen der
Allgemeinheit; zu pauperum ergänze: ‚nomine‘;
observare hier: anwenden


Hythlodaeus weist im weiteren darauf hin, dass es in Utopia keine Gier nach Geld gibt, eben weil es kein Geld gibt; und wo es dies nicht gebe, finde man auch nicht die Übel, die zur Beschaffung von Geld eingesetzt würden wie Betrug, Diebstahl usw. Das Vorhandene werde gleichmäßig verteilt, anstatt dass Wenige mit Hilfe des Geldes alles an sich reißen; also gebe es auch keine Armut.



Neque mihi quidem dubitare subit,
°°°quin vel sui cuiusque commodi ratio vel Christi
°°°servatoris auctoritas totum orbem facile in huius
°°°rei publicae leges iamdudum traxisset,
°°°°°°nisi una tantum belua, omnium princeps
°°°°°°parensque pestium, superbia, reluctaretur.





Haec non suis commodis prosperitatem, sed ex
Alienis metitur incommodis.
Haec ne dea quidem fieri vellet nullis relictis miseris
(Abl. abs.), quorum miseriis praefulgeat ipsius
comparata felicitas.

(Abitur 1993 mit Interpretationshorizont)
mihi subit - mir fällt ein, ich denke daran (es spricht
immer noch Hythlodaeus); quin – dass; sui cuiusque
commodi ratio
- die vernünftige Einsicht jedes
einzelnen in seinen Vorteil; servator – Erlöser;
huius rei publicae: gemeint ist Utopia; iamdudum
schon längst; trahere in - bekehren zu; tantum - nur
princeps’ hier: Anstifter; 'parens' hier: Urheber;
Übersetze hier 'superbia' mit: Hoffart (gemeint ist
hier der Trieb, anderen überlegen sein zu wollen;
‚Überlegenheitsgefühl‘?); reluctari – Widerstand
leisten; mit ‚haec‘ ist die ‚superbia‘ gemeint;
prosperitas – Glück, Wohlergehen; metiri (mit
bloßem Abl. oder mit 'ex') - messen an;
ordne: quorum miseriis comparata ipsius felicitas
praefulgeat; comparatus mit Abl. - verglichen mit;
ipsius - von einem selbst, eigene (zu ‚felicitas‘);
praefulgere, eo – erglänzen;


Über Ausbeutung, Klassenjustiz und Hoffart

Deshalb zeigt sich mir, der ich alle diese Staaten, die heute irgendwo in Blüte stehen, im Geiste betrachte und prüfe, nichts anderes als eine Art Verschwörung der Reichen, die im Namen und mit dem Rechtstitel des Staates für ihren eigenen Vorteil sorgen. Sie ersinnen und erfinden alle möglichen Methoden und Kniffe, damit sie zunächst durch diese das, was sie durch üble Schliche selbst zusammengetragen haben, ohne Furcht vor Verlust behalten, damit sie dann Arbeit und Mühe aller Armen möglichst billig sich aneignen und diese ausbeuten. Sobald die Reichen im Namen der Allgemeinheit, das heißt auch der Armen, einmal beschlossen haben, dass diese Machenschaften angewendet werden, werden sie schon zu Gesetzen.

Hythlodaeus weist im weiteren darauf hin, daß es in Utopia keine Gier nach Geld gibt, eben weil es kein Geld gibt; und wo es dies nicht gebe, finde man auch nicht die Übel, die zur Beschaffung von Geld eingesetzt würden wie Betrug, Diebstahl usw. Das Vorhandene werde gleichmäßig verteilt, anstatt daß Wenige mit Hilfe des Geldes alles an sich reißen; also gebe es auch keine Armut.

Ich denke freilich nicht daran zu zweifeln, dass entweder die vernünftige Einsicht jedes Einzelnen in seinen Vorteil oder das Vorbild des Erlösers Christus den ganzen Erdkreis leicht zu den Gesetzen dieses Staates schon längst bekehrt hätte, wenn nicht nur ein einziges Ungeheuer, Ausgang und Ursprung aller Pest, das Überlegenheitsgefühl (die Hoffart), sich widersetzen würde. Diese misst ihr Glück nicht an ihrem Vorteil, sondern an fremdem Schaden. Diese möchte nicht einmal eine Göttin werden, wenn keine Armen übriggeblieben sind, mit deren Armut verglichen das sich selbst verschaffte (eigene) Glück erglänzen könnte.

Die Reichen eignen sich die Arbeit und Mühe der Armen möglichst billig an (Ausbeutung). Das 'quam minimo' könnte so interpretiert werden, dass die Reichen mindestens den Mehrwert der Arbeitskraft für sich in Anspruch nehmen, teilweise sogar einen Teil der notwendigen Arbeit, da sie nicht auf die Erhaltung und Reproduktion der Arbeitskräfte angewiesen sind.



Über Gemeineigentum (Liber secundus - Epilog)

Interpretationsaufgaben siehe Klausur über ‚Gemeineigentum'
Raphael Hythlodaeus hält die Gestalt des Gemeinwesens (formam rei publicae) , wie er sie in Utopia kennengelernt hat, nicht nur für die beste, sondern auch für die einzige,



quae sibi suo iure possit rei publicae
vindicare vocabulum.
Siquidem alibi de publico loquentes ubique commodo
privatum curant;







hic, ubi nihil privati est, serio publicum negotium agunt;
certe utrobique merito.





Nam alibi quotusquisque est, qui nesciat,
°°°°°°nisi quid seorsum prospiciat sibi,
°°°quantumvis florente re publica semet tamen fame
°°°periturum?





Eoque necessitas urget,
ut sui potius quam populi, id est aliorum, habendam
sibi rationem censeat.

Contra hic, ubi omnia omnium sunt,
nemo dubitat
(curetur modo, ut plena sint horrea publica)
nihil quicquam privati cuiquam defuturum.

Neque enim maligna rerum distributio est neque
inops neque mendicus ibi quisquam.

Et cum nemo quicquam habeat, omnes tamen divites
sunt.
Nam quid ditius esse potest quam adempta prorsus
omni solicitudine
(Abl. abs.) laeto ac tranquillo animo
vivere, non de suo victu trepidum?
suo iure - mit gutem Recht; sibi vindicare - für sich
beanspruchen; ‚vocabulum‘ hier: Namen
siquidem - denn, nämlich; alibi – anderswo (meint:
außerhalb Utopiens); ordne: ...de publico commodo
loquentes ubique privatum (ergänze: commodum)
curant; achte darauf, dass ‚privatum‘ in diesem Text
immer mit einer anderen Bedeutungsnuance versehen
ist, z. B. hier = persönliches Eigentum; curare mit
Akk. oder mit ut (siehe unten) - sich kümmern um,
sorgen für; füge im Deutschen zur besseren
Verständlichkeit ein 'doch nur' ein!
hic - hier; serio (Adv.) - ernsthaft; ‚negotium‘ hier:
Interesse; Subj. zu agunt: sie (die Menschen, die
Einwohner von Utopia); ergänze zu 'certe utrobique
merito': agunt (hier in der Bedeutung 'handeln';
hier ist das Subjekt durch ‚utrobique‘ (‚hier wie dort‘)
erweitert, es sind also nicht nur die Utopier gemeint);
merito - aus gutem Grund
quotusquisque est, qui nesciat + AcI - wer wüsste
nicht, dass; der 'nisi'-Satz ist für die Übersetzung
hinter 'periturum (esse)' zu denken; quid prospicere
– irgendeine Vorsorge treffen; seorsum (gehört zu
'sibi') - gesondert, ausschließlich; quantumvis (gehört
zu 'florente re publica') - noch so sehr; semet:
verstärktes 'se' (Subjekt des AcI)
eo - dahin, dorthin; ordne: ...urget, ut censeat sibi
rationem potius sui quam populi ... habendam esse;
Subjekt zu 'censeat: er (der vom Hungertod Bedrohte);
rationem habere mit Gen. - Rücksicht nehmen auf;
Contra - dagegen; hic - hier (meint - wie oben 'in
Utopia'); ‚omnium‘: Genitivus possessoris; modo –
nur; horreum – Scheune, Speicher; nihil‘ hier Adv.:
in keiner Weise; ‚privatum‘ hier: Persönliches;
ergänze bei 'defuturum' ein 'esse'!
malignus – missgünstig, schädlich, böswillig; res,
rerum hier: Güter; denke dir für die Übersetzung
das 'ibi' an den Anfang des Satzes; inops - mittellos;
mendicus – bettelarm; ‚cum‘ hier: obwohl;
ditius = divitius (Neutrum Sg. des Komparativs)
prorsus hier Adv.: ganz und gar;
victus, us – Lebensunterhalt; trepidus de - besorgt,
beunruhigt, in Unruhe wegen


Über Gemeineigentum

..., die für sich mit gutem Recht den Namen eines Gemeinwesens beanspruchen könnte. Denn die, die anderswo über den öffentlichen Nutzen reden, kümmern sich doch überall (nur) um den persönlichen Nutzen.
Hier, wo es kein persönliches Eigentum gibt, betreiben sie ernsthaft das öffentliche Interesse; sicherlich handeln sie hier wie da aus gutem Grund. Denn wer wüßte anderswo nicht, dass er, mag der Staat noch so sehr in Blüte stehen, dennoch Hungers sterben wird, wenn er nicht irgendeine Vorsorge ausschließlich für sich trifft. Und dahin drängt die Notwendigkeit, dass er meint, eher auf sich als auf das Volk, das heißt auf andere, Rücksicht nehmen zu müssen.
Hier dagegen, wo alles Eigentum aller ist (wo alles allen gehört), zweifelt niemand (es möge nur dafür gesorgt werden, dass die öffentlichen Speicher voll sind), dass in keiner Weise irgend etwas Persönliches irgend jemandem fehlen wird. Dort ist nämlich weder eine ungerechte Verteilung der Güter noch irgendeiner mittellos noch bettelarm. Und obwohl niemand etwas hat, sind dennoch alle reich. Denn was kann reicher sein als, da jede Sorge ganz und gar genommen ist, mit frohem und ruhigem Herzen zu leben, nicht in Unruhe wegen seines Lebensunterhalts.

Die Gesetzgebung sicherte die Eigentumsverhältnisse zugunsten der Reichen und Mächtigen ab, verpflichtete diese aber nicht, mit ihrem Eigentum sozial umzugehen; das heißt aber auch, dass ‚res publica‘ (in der Formulierung 're publica florente') nicht mit ‚Staat‘ in unserem Sinne übersetzt werden kann (denke an das ‚Eigentum verpflichtet‘ des Grundgesetzes), sondern verstanden werden muss als Organisationsform, in der die Mächtigen Land und Produktionsmittel besitzen. Wenn diese an Notleidende von ihrem Reichtum abgeben, dann höchstens gnadenhalber und nicht von Rechts wegen.
Da es im England des Thomas Morus keine soziale Absicherung gibt, das Gemeinwesen sich nicht als Solidargemeinschaft versteht, sondern den Einzelnen sich selbst überlässt, ist dieser Einzelne, auf sich selbst gestellt, gezwungen, nur aus eigener Kraft für sich zu sorgen. Da diese Kraft bei den meisten gering ist, bleibt wenig übrig, dabei Rücksicht auf andere zu nehmen (rationem aliorum habere) oder sogar für andere mitzusorgen, so dass die Idee einer Solidargemeinschaft gar nicht erst aufkommen kann. An anderen Stellen wird deutlich, dass Thomas Morus in der Gesellschaftsordnung, der er Utopia gegenüberstellt, Rücksichtslosigkeit für den Reichen und Mächtigen wesensimmanent hält.Die Formulierung 'nihil quicquam privati cuiquam defuturum' lässt vermuten, dass das Gemeineigentum nach dem Prinzip, dass jeder nach seinen Bedürfnissen erhält, verteilt wird (vgl. folgender Text).



Jedem nach seinem Bedürfnis (Liber secundus)

Eo in certas domos opera cuiusque familiae
convehuntur.
Atque in horrea singulae seorsum species distributae
sunt.
Ab iis quilibet paterfamilias, quibus ipse suique opus
habent, petit,
ac sine pecunia, sine omni prorsus hostimento,
quicquid petierit, aufert.

Quare enim negetur quicquam,
°°°cum et omnium rerum abunde satis sit nec timor
°°°ullus subsit,
°°°°°°ne quisquam plus,
°°°°°°°°°quam sit opus,
°°°°°°flagitare velit!
Nam cur supervacua petiturus putetur is,
°°°qui certum habeat
°°°°°°nihil sibi umquam defuturum!


Nempe avidum ac rapacem aut timor carendi facit in
omni animantum genere
aut in homine sola reddit superbia,
°°°quae gloriae sibi ducit,
°°°°°°superflua rerum ostentatione ceteros
°°°°°°antecellere,
°°°°°°°°°quod vitii genus in Utopiensium institutis
°°°°°°°°°nullum omnino locum habet.
eo – dorthin (gemeint sind die Märkte der Stadt);
convehere, o – zusammenfahren, zusammenbringen;
horreum – Speicher; ‚species‘ hier: Art der Waren;
seorsum – abgesondert;
opus habere – nötig haben, was einer nötig hat, steht
im Abl.: quibus (Neutrum Pl., mit Sg. übersetzt
(‚was‘); prorsus – geradewegs, völlig, ganz und gar;
hostimentum – Gegenleistung, Vergeltung;

quare – warum; negare – verweigern; cum et
da doch; abunde – im Überfluss; ‚satis‘ mit Genitiv
– genug; subesse – daruntersein, zugrundeliegen;

flagitare – (dringend) fordern;

supervacuus – überflüssig, supervacua (Neutrum
Pl.) – Überflüssiges; putetur mit NcI (bei ‚petiturus‘
ist eine ‚esse‘ zu ergänzen): ‚er könnte geglaubt
werden‘, man könnte von ihm glauben, dass ...;
certum habere – die Gewissheit haben; ‚nihil‘ ist
Subjekt des AcI, ergänze ‚esse‘; nempe – denn doch,
allerdings; ‚reddere‘ ebenso wie; ‚facere‘ – machen;

ducere mit Dativ – halten für, gloriae sibi ducere
für sich für Ruhm (rühmlich) halten; superfluus -
überflüssig;


Jedem nach seinem Bedürfnis

Dorthin werden in bestimmte Gebäude die Erzeugnisse einer jeden Familie zusammengebracht. Und auf die Speicher sind die einzelnen Warenarten gesondert verteilt. Von diesen verlangt jeder beliebige Familienvater, was er selbst und die Seinen nötig haben; und ohne Geld, völlig ohne Gegenleistung trägt er fort, was er verlangt hat. Warum nämlich sollte irgendetwas verweigert werden, da doch im Überfluss genügend von allen Dingen vorhanden ist und keine Furcht besteht, dass irgendeiner mehr fordern möchte, als es nötig ist. Denn warum könnte man von dem glauben, dass er Überflüssiges verlangen wird, der die Gewissheit hat, dass ihm niemals etwas fehlen wird. Denn allerdings macht entweder die Furcht vor Entbehren (Entbehrung) begierig und räuberisch bei jeder Art von Lebewesen oder beim Menschen allein macht ihn das Überlegenheitsgefühl dazu, das für sich für rühmlich hält, durch überflüssiges Prunken (Aufzeigen) mit den Dingen (der Dinge) andere zu übertrumpfen, welche Art von Fehler bei den Einrichtungen der Utopier überhaupt keinen Platz hat.



Über Geld und Edelmetalle (Liber secundus)

Nempe cum pecunia non utantur ipsi, ... aurum
argentumque, unde ea fit,
sic apud se habent, ut ab nullo pluris aestimetur,
quam rerum ipsarum natura meretur.
Qua quis non videt, quam longe infra ferrum sunt!
Ut sine quo non hercule magis quam absque igni
atque aqua vivere mortales queant,
°°°cum interim auro, argentoque nullum usum,
°°°°°°quo non facile careamus,
°°°natura tribuerit,
°°°°°°nisi hominum stultitia pretium raritati fecisset.



Quin contra velut parens indulgentissima optima
quaeque in propatulo posuerit ut aerem, aquam
ac tellurem ipsam, longissime vero vana ac nihil
profutura semoverit.



Um möglichem Missbrauch der Edelmetalle zu
begegnen, haben die Utopier Folgendes eingerichtet:

°°°Nam cum in fictilibus e terra vitroque
°°°elegantissimis quidem illis, sed vilibus tamen
°°°edant bibantque,
ex auro atque argento non in communibus aulis modo,
sed in privatis etiam domibus, matellas passim ac
sordidissima quaeque vasa conficiunt.

Weitere Beispiele für ähnlichen Gebrauch der
Edelmetalle werden erwähnt.

Ita omnibus curant modis, uti apud se aurum
argentumque in ignominia sint.
nempe – freilich, natürlich, offenbar; ‚cum‘ hier:
weil; der Ablativ ‚pecunia‘ gehört zu ‚uti‘ (‚uti‘ mit
Abl. – gebrauchen); ‚unde‘ hier: aus; mit ‚ea‘ ist
‚pecunia‘ gemeint; fieri – werden, geschehen,
gemacht werden; apud se habere – etwas bei sich
halten, mit etwas umgehen; pluris aestimare – höher
schätzen; ‚quam‘ nach Komparativ: als; mereri:
verdienen; qua – etwa?; ‚quam‘ bei Adjektiv: wie;
infra‘ Präposition mit Akkusativ – unter(halb)
ut‘ – wie denn; ‚quo‘: relativischer Satzanschluss;
absque‘ Präposition mit Abl. – ohne; quire, queo –
können; cum – während, wogegen; interim
unterdessen; ‚carere‘ mit Abl. – entbehren;
raritas – Seltenheit; quin – ja vielmehr; Subjekt des
Satzes: natura; indulgens – gnädig, gütig; optima
quaeque
(Neutrum Pl.) – gerade das Beste;
propatulus – frei, offen, in propatulo – im Freien
(gemeint: leicht zugänglich);
vana‘ und ‚profutura‘ (von ‚prodesse‘ – nützen)
ebenfalls Neutrum Pl.: das Nichtige und zu nichts
Nützliche; semovere – entfernen, ausschließen,
beseitigen;

cum – während; übersetze das ‚in‘ mit ‚aus‘;
fictile, is - Gefäß,; vitrum – Glas; vilis, e – billig,
wertlos; aula – Halle;
matella – Nachttopf; sordidus – schmutzig, niedrig,
sordodissima quaeque – gerade die schmutzigsten;
vas, vasis n – Gefäß;





ignominia – Schimpf, Schande


Über Geld und Edelmetalle

Weil sie selber kein Geld brauchen, ... pflegen sie sich so zu verhalten, dass Gold und Silber, aus denen Geld gemacht wird, von keinem höher geschätzt wird, als sie es ihrer Natur nach verdienen. Wer sieht etwa nicht, wie weit sie unter dem Eisen stehen. Wie denn könnten die Menschen ohne das Eisen leben - nicht besser als ohne Feuer und Wasser, während die Natur dem Gold und dem Silber keinen Nutzen zugeteilt hat, den wir nicht leicht entbehren könnten, wenn nicht die Torheit der Menschen für die Seltenheit einen Preis festgesetzt hätte. Ja vielmehr hat die Natur wie eine überaus gütige Mutter gerade das Beste leicht zugänglich gemacht wie die Luft, das Wasser, den Ackerboden selbst, am weitesten entrückt aber das Nichtige und völlig Unnütze.
(Um möglichem Missbrauch der Edelmetalle zu begegnen, haben die Utopier Folgendes eingerichtet.) Während sie aus sehr geschmackvollem, aber billigem Ton- und Glasgeschirr essen und trinken, stellen sie aus Gold und Silber ... überall Nachttöpfe und gerade die schmutzigsten Gefäße her. (Weitere Beispiele für ähnlichen Gebrauch der Edelmetalle werden erwähnt.) So sorgen sie auf jede Art und Weise dafür, dass bei ihnen Gold und Silber in Verruf stehen.



Über Kriegsgründe (Liber secundus)

Bellum utpote rem plane beluinam
°°°- nec ulli tamen beluarum formae in tam assiduo
°°°atque homini est usu -
summopere abominantur.







Contraque morem gentium ferme omnium nihil aeque
ducunt inglorium atque petitam e bello gloriam.





Eoque,
°°°licet assidue militari sese disciplina exerceant
°°°- neque id viri modo, sed feminae quoque -
°°°statis diebus,
°°°°°°ne ad bellum sint,
°°°°°°°°°cum exigat usus,
°°°°°°inhabiles,
non temere capessunt tamen,
°°°nisi quo aut suos fines tueantur
°°°aut amicorum terris infusos hostes propulsent
°°°aut populum quempiam tyrannide pressum miserati
°°°°°°(quod humanitatis gratia faciunt)
°°°suis viribus tyranni iugo et servitute liberent.
utpote - als; plane - ausdrücklich, völlig; beluinus
tierisch; nec ulli usw: ordne: nec tamen ulli formae
beluarum in tam assiduo usu atque homini est;
forma‘ hier: Art, Gattung; ‚atque‘ hier: wie;
in assiduo usu est mit Dativ - jemand ist in
beständiger Gewohnheit, ist beständig gewohnt,
(Übersetzung: und doch ist keine Art der wilden Tiere
(ihn, den bestialischen Krieg) so beständig gewohnt
wie der Mensch); summopere – aufs höchste;
abominari - verabscheuen; ferme = fere - fast;
ducere, o mit dopp. Akk. - halten für; der erste
Akkusativ: nihil, der zweite: inglorium
(unrühmlich); aeque atque - in gleicher Weise wie;
Übersetzung: sie halten nichts in gleicher Weise für
unrühmlich wie ‚gloriam e bello petitam’ (den aus
Krieg erreichten Ruhm);
eoque - und deshalb; licet mit Konj. - wie sehr auch;
neque modo - nicht nur; statis diebus - an
festgesetzten Tagen; exigere, o - einfordern;
inhabilis, e - untauglich, ungeschickt (ordne: ne ad
bellum inhabiles sint); temere - planlos, unüberlegt;
capessere hier: arma capere – zu den Waffen greifen;
nisi quo - außer damit, außer um zu; infusus
eingeströmt, eingedrungen, terris: Dativ zu infusos
(den Ländern = in die Länder eingedrungen);
propulsare - vertreiben; quispiam – irgendjemand;
miserari – bemitleiden, beklagen, bedauern;
gratia‘, wie ‚causa‘: nachgestellte Präposition mit
Genitiv – wegen


Über Kriegsgründe

Den Krieg verabscheuen sie aufs höchste als eine völlig bestialische Angelegenheit – und doch ist keine Art der wilden Tiere (ihn) so gewohnt wie der Mensch.
Entgegen der moralischen Vorstellung fast aller Völker halten sie nichts in gleicher Weise für unrühmlich wie den aus Krieg erworbenen Ruhm.
Und deshalb greifen sie, wie sehr sie auch ständig sich an festgesetzten Tagen durch militärische Übung ausbilden – und dies nicht nur die Männer, sondern auch die Frauen, damit sie nicht untauglich zum Krieg sind, wenn der Bedarf es fordert, doch nicht unüberlegt zu den Waffen, außer um entweder ihre Grenzen zu schützen oder die in die Länder der Freunde eingedrungenen Feinde zu vertreiben oder irgendein tyrannisch unterdrücktes Volk aus Mitleid (es bemitleidend), - was sie aus Menschlichkeit machen – mit ihren Kräften vom Joch und der Knechtschaft des Tyrannen zu befreien.



Über Sterbehilfe (Liber secundus)

Aegrotantes, ut dixi, magno cum affectu curant
nihilque prorsus omittunt, quo sanitati eos, vel
medicinae vel victus observatione, restituant.







Quin insanabili morbo laborantes assidendo,
colloquendo, adhibendo demum, quae possunt,
levamenta solantur.



Ceterum si non immedicabilis modo morbus sit,
verum etiam perpetuo vexet atque discruciet,
tum sacerdotes ac magistratus hortantur hominem,
quandoquidem - omnibus vitae muniis impar, aliis
molestus ac sibi gravis - morti iam suae supervivat,
ne secum statuat pestem diutius ac luem alere
neve, cum tormentum ei vita sit, mori dubitet;












quin, bona spe fretus, acerba illa vita velut carcere
atque aculeo
vel ipse semet eximat vel ab aliis eripi se sua
voluntate
patiatur.








hoc illum, cum non commoda, sed supplicium
abrupturus morte sit, prudenter facturum (esse);
quoniam vero sacerdotum in ea re consiliis, id est
interpretum dei, sit obsecuturus, etiam pie
sancteque facturum (esse)
.


Haec quibus persuaserint, aut inedia sponte vitam
finiunt aut sopiti sine mortis sensu solvuntur.
Invitum vero neminem tollunt nec officii erga eum
quicquam imminuunt.




Persuasos hoc pacto defungi honorificum (est).




Alioqui, qui mortem sibi consciverit causa non
probata
sacerdotibus et senatui, hunc neque terra
neque igne dignantur, sed in paludem aliquam
turpiter insepultus abicitur.
Aegrotantes (= aegroti - die Kranken) ist Objekt;
Subjekt ist im Prädikat enthalten (die Utopier
sind gemeint); affectus, us m - Leidenschaft,
Liebe, Hingabe; prorsus - ganz und gar;
omittere, o - übergehen; sanitati restituere
mit Akk. - jemanden der Gesundheit zurückgeben
(im Dt. formuliert man eher umgekehrt:
jemandem die Gesundheit zurückgeben);
victus, us - Nahrung, Ernährung;

quin - ja sogar; insanabilis, e - unheilbar;
laborare hier: leiden; adhibere - verschaffen,
anwenden; demum – schließlich; levamentum
Linderung, Linderungsmittel; Erleichterung;
solari – trösten;

immedicabilis - unheilbar (ist Prädikatsnomen);
non modo ... verum etiam - nicht nur ... sondern
auch; ‘perpetuo’ ist Adverb von ‘perpetuus’;
vexare - quälen; discruciare - zermartern,
peinigen; die Konjunktive in dem Konditionalsatz
drücken eine Möglichkeit aus: es könnte so sein;
quandoquidem - da ja; munium: munus hier:
Aufgabe, Anforderung; - impar - nicht
gewachsen; molestus - lästig, zur Last; ac - und;
gravis, e hier: unerträglich; supervivere mit
Dativ - jdn. überleben; secum - bei sich, für sich;
statuere, o - entscheiden, Übersetzungsvorschlag:
er möge nicht darauf bestehen); pestis, is - Pest;
lues, is f. - Seuche, Übel; fasse ‘pestem ac luem’
zusammen und übersetze: furchtbare Krankheit;
diutius’ (länger) gehört als Adverb zu ‘alere’;
neve setzt den Finalsatz fort: und dass nicht;
cum’ hier: wenn; tormentum - Qual (tormentum
sit: nominales Prädikat);
quin - (ja) sogar; fretus mit Abl. - im Vertrauen
auf (mit ‘spes’ ist die Hoffnung auf das ewige
Leben nach dem Tode gemeint); velut - wie;
carcer, eris m. - Kerker, Gefängnis; aculeus
Folterbank, Folterkammer; vel ... vel – entweder
... oder; semet - se (verstärkt) se eximere, o –
sich befreien; die Konjunktive ‘eximat’ und
‘patiatur’ drücken einen Wunsch oder eine
Aufforderung auf: er möge/solle; ordne:
vel patiatur se ab aliis sua voluntate eripi;
eripere, io - herausreißen;

Ergänze vor ‘hoc illum’ ein ‘dicunt’ - sie sagen,
dem folgt der AcI, ‘illum’ ist Subjekt des AcI,
‘hoc’ ist Akkusativ-Objekt des AcI; commoda
(neutrum Plural) - Angenehmes, Freuden;
supplicium hier: Marter; abrumpere - abbrechen,
abkürzen; interpres, etis m. Dolmetscher,
Interpret; obsequi - gehorchen;
‘Haec quibus persuaserint’ - Welche dieses
überzeugt hat (Wen sie davon überzeugt haben);
inedia - Hungern; sopire - einschläfern
invitum - gegen seinen Willen; vero - aber;
tollere’ - entfernen, hier: töten; nec - und nicht;
officii’: Genitivus partitivus zu quicquam, ordne:
nec quicquam officii erga eum; imminuere, o –
vermindern, verringern.
Persuasos: Es ist ehrenvoll, dass die
Überzeugten (wenn sie von den Priestern
überzeugt worden sind) durch diese Übereinkunft
sterben (‘pacto’ zu ‘persuasos?). (vita) defungi
sein Leben enden;
alioqui(n) -, andernfalls; sonst; consciscere ,o,
ivi, itum - beschließen; ‘causa non probata ...:
Abl. abs.; ‘sacerdotibus et senatui’: Dativus
auctoris oder Abl.?; dignari mit Abl. - einer
Sache für würdig halten; insepultus - unbestattet;


Über Sterbehilfe

Sie pflegen - wie ich gesagt habe, die Kranken mit großer Hingabe und sie übergehen ganz und gar nichts, wodurch sie diesen die Gesundheit (eigentlich: diese der Gesundheit) entweder durch Beobachtung der Medizin oder der Nahrung zurückgeben. Ja sogar trösten sie die an einer unheilbaren Krankheit Leidenden, indem sie bei ihnen sitzen, mit ihnen reden und schließlich alle Linderungsmittel, die möglich sind, anwenden (durch dabeisitzen, sprechen, anwenden - Gerundium im Abl.).
Wenn im übrigen eine Krankheit nicht nur unheilbar sein könnte, sondern auch ständig quälen und peinigen könnte, dann mahnen die Priester und die politisch Verantwortlichen den Menschen, da er ja - allen Aufgaben des Lebens nicht (mehr) gewachsen, den anderen zur Last und sich selber unerträglich - seinen Tod schon überlebt hat, daß er nicht für sich selbst entscheidet, die furchtbare Krankheit länger zu nähren, und daß er nicht, wenn das Leben ihm eine Qual ist, zu sterben zögert; er möge sogar, im Vertrauen auf die gute Hoffnung (auf das ewige Leben), entweder sich aus jenem bitteren Leben wie aus einem Kerker und wie von einer Folterbank (im Lat. Abl. der Trennung) selbst befreien oder zulassen, daß er mit seinem Einverständnis von anderen herausgerissen wird.
Sie sagen, daß jener, weil er ja dabei sei (im Begriff sei) nicht das Angenehme, sondern die Marter durch den Tod abzukürzen, dabei klug handeln werde (dies in kluger Weise tun werde); weil er aber dabei sei, in dieser Sache den Ratschlägen der Priester, das heißt der Deuter Gottes, zu gehorchen, (sagen sie), daß er (es) auf ehrfürchtige und fromme Weise handeln werde.
Welche davon überzeugt sind, beenden entweder ihr Leben freiwillig durch Hungern oder sie werden, nachdem sie eingeschläfert worden sind, ohne das Empfinden des Todes (ohne den Tod zu empfinden) erlöst.
Gegen seinen Willen aber töten sie niemanden und vermindern nicht irgend etwas an Pflicht ihm gegenüber. Dass die von dieser Übereinkunft Überzeugten ihr Leben beenden, ist ehrenvoll.
Ansonsten halten sie (die Utopier) den, der für sich, ohne daß der Grund von Priestern und Obrigkeit gebilligt worden ist (Abl. Abs. Nachdem der Fall ... nicht gebilligt worden ist), den Tod beschlossen hat, nicht der Erde noch des Feuers für würdig, sondern er wird unbestattet auf schändliche Weise in irgendeinen Sumpf geworfen.



Über die Intoleranz eines Christen

(Liber secundus)

Viele Utopier haben sich von Hythlodäus taufen lassen. Die übrigen Utopier behelligen keinen der Getauften, wie Hythlodäus berichtet,



nisi quod unus e nostro coetu me praesente coercitus
est.
°°°Is cum recens ablutus
°°°nobis contra suadentibus de Christi cultu publice
°°°maiore studio quam prudentia dissereret,

usque adeo coepit incalescere,
°°°ut iam non nostra modo sacra ceteris anteferret,





°°°sed reliqua protenus universa damnaret,
°°°prophana ipsa, cultores impios ac sacrilegos,
°°°aeterno plectendos igni vociferaretur.



Talia diu concionantem comprehendunt,
ac reum non spretae religionis,
sed excitati in populo tumultus agunt
peraguntque, damnatum exilio mul(c?)tant,
°°°siquidem hoc inter antiquissima instituta numerant,
°°°°°°ne sua cuiquam religio fraudi sit.
nisi quod – außer dass, nur dass; coetus, us –
Zusammenkunft, Gemeinschaft; ‚coercere‘ hier:
strafen; recens – soeben, frisch, neu; abluere, o, lui,
lutum – waschen, reinigen, hier: taufen; suadere, eo
– raten, empfehlen; cultus, us - Verehrung
disserere, o – auseinandersetzen, sprechen, Reden
führen, eventuell: predigen;
usque adeo – so sehr; incalescere, o – entbrennen,
in Feuer geraten; begeistert werden; non modo ...
sed – nicht nur ... sondern
; sacrum – Heiligtum,
Religion (übersetze hier den Pl. mit Sg., bei ‚ceteris‘
ergänze ‚sacris‘ hier ist Pl. gemeint); anteferre
vorantragen, voranstellen, vorziehen;
protenus = protinus – unverzüglich, beständig;
prophanus = profanus – gottlos, schändlich;
cultor – Bebauer, Verehrer; sacrilegus – gottlos,
verrucht; plecti, or – gestraft werden, plectandus –
ein zu bestrafender, einer, der bestraft werden muss;
vociferari – laut rufen, nennen;
concionari = contionari – predigen;
reus – Angeklagte; aliquem reum agere mit Genitiv
- jemanden einer Sache (wegen einer Sache)
anklagen; spernere, o sprevi, spretum – verachten;
tumultus: Genitiv! reum peragere – den
Angeklagten verurteilen; mulctare = multare –
strafen; siquidem – weil ja; numerare inter
zählen zu; institutum – Einrichtung, hier: Grundsatz,
Grundrecht; esse mit dopp. Dativ: Hilfsübersetzung:
gereichen zu


Über die Intoleranz eines Christen

außer dass einer von unserer Gemeinschaft in meiner Gegenwart gestraft worden ist.
Als dieser, frisch getauft, über die Verehrung Christi mit größerem Eifer als mit Klugheit predigte, während wir davon ab- (dagegen) rieten, begann er so sehr in Feuer zu geraten, dass er nicht nur unsere Religion den übrigen Religionen vorzog, sondern alle übrigen beständig verdammte, diese selbst als schändlich, ihre Verehrer als gottlos und verrucht, als solche, die im ewigen Feuer bestraft werden müssten, bezeichnete.
Sie ergreifen ihn, der solches lange predigte, und klagen (ihn) an und verurteilen den Angeklagten nicht wegen Verachtung der Religion, sondern wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses (wegen des im Volk erregten Aufruhrs); den Verurteilten bestrafen sie mit Exil, weil sie ja dieses zu ihren ältesten Grundrechten zählen, dass nicht jemandem seine Religion zum Nachteil gereicht.



Über Toleranz und die Wahrheit der Religion
(Liber secundus)



Über Toleranz und die Wahrheit der Religion

… sanxit, uti, quam cuique religionem libeat sequi, liceat,
ut vero alios quoque in suam traducat,
hactenus niti possit, uti placide ac modeste suam
rationibus astruat, non ut acerbe ceteras destruat;
si suadendo non persuadeat, neque vim ullam adhibeat
et conviciis temperet. Petulantius hac de re contendentem
exilio aut servitute mulctant.
Haec Utopus instituit non respectu pacis modo, quam
assiduo certamine atque inexpiabili odio funditus vidit
everti, sed quod arbitratus est, uti sic decerneretur,
ipsius etiam religionis interesse.
De qua nihil est ausus temere definire, velut incertum
habens, an varium ac multiplicem expetens cultum deus
aliud inspiret alii.
Certe vi ac minis exigere, ut, quod tu verum credis,
idem omnibus videatur, hoc vero et insolens et ineptum
censuit.
Tum si maxime una vera sit, ceterae omnes vanae,
facile tamen praevidit - modo cum ratione ac modestia
res agatur - futurum denique, ut ipsa per se veri vis
emergat aliquando atque emineat.
Subjekt zu sanxit: Utopos;
traducere, o: bekehren; hactenus … ut: unter der
Bedingung …, dass; niti, or: sich anstrengen, mit
Eifer versuchen; astruere, o: aufbauen;
convicium: Gezänk, Schmähung; temperare mit
Dativ: mit Maß gebrauchen, sich enthalten; petulans,
antis: anmaßend; mulctare = multare
‘pacis’ Genitivus objectivus; quam …: relativische Verflechtung;
interesse
mit Genitiv: von Wichtigkeit sein für;

temere: unbesonnen, ohne Überlegung
alii: Genitiv

insolens: anmaßend; ineptus: unpassend, ungehörig







emergere, o: auftauchen;


Über Toleranz und die Wahrheit der Religion

Utopos hat verfügt, dass jeder der Religion anhängen dürfe, die ihm beliebe; andere aber zu seiner Religion zu bekehren dürfe er nur insoweit versuchen, dass er seine Anschauung freundlich und ohne Anmaßung auf Vernunftgründen aufbaue, nicht aber die fremden Meinungen gehässig zerpflücke; wenn er durch Zureden nicht überzeugen könne, dürfe er keine Gewalt anwenden, und Schmähungen solle er unterdrücken. Geht daher einer allzu rücksichtslos vor, so bestrafen sie ihn mit Verbannung oder Zwangsarbeit.
Dies setzte Utopos nicht nur mit Rücksicht auf den Frieden fest, der, wie er sah, durch andauernden Streit und unversöhnlichen Hass vollständig untergraben wird, sondern weil er der Ansicht war, dass es im Interesse der Religion selbst sei, dass so entschieden würde. Daher wagte er es nicht, über sie leichthin etwas Endgültiges festzusetzen, gleichsam für unsicher haltend, ob Gott nicht vielleicht gerade eine mannigfache und vielfältige Verehrung wünsche und daher dem einen diese, dem anderen jene Eingebung schenke.
Mit Gewalt und Drohungen zu erzwingen, dass das, was einer für wahr hält, allen als wahr erscheine, hielt er in jeden Fall (certe) für anmaßend und töricht, Wenn aber wirklich nur eine einzige Religion wahr, jede andere aber falsch sein sollte, so sah er leicht voraus, dass es am Ende so sein werde, dass die Kraft der Wahrheit durch sich selbst sichtbar und offenbar werde, sofern die Sache vernünftig und maßvoll betrieben werde.



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