10 Ovid, Ars amatoria; Zeit: 90 Min.
Geist und Bildung bleiben auch im Alter
I. Übersetze!
1 Sit procul omne nefas. Ut ameris, amabilis esto! 2 °°°° Quod tibi non facies solave forma dabit. 3 Ut dominam teneas nec te mirere relictum, 4 °°°° ingenii dotes corporis adde bonis. 5 Forma bonum fragile est, quantumque accedit ad annos, 6 °°°° fit minor et spatio carpitur ipsa suo. 7 Et tibi iam venient cani, formose, capilli, 8 °°°° iam venient rugae, quae tibi corpus arent. 9 Iam molire animum, qui duret, et adstrue formae; 10 °°° solus ad extremos permanet ille rogos. 11 Nec levis ingenuas pectus coluisse per artes 12 °°°° cura sit et linguas edidicisse duas.
zu 1: procul - weit entfernt, fern, weit; nefas n. - die Untat, Unrecht, Frevel; amabilis, e - liebenswert; esto - Imp. Sg. von esse (= es) zu 2: quod: relat. Anschluß; facies, ei f. - Aussehen, Gestalt, Figur; ‘-ve’ hier: ‘und’; dabit: der Sg. ist constructio ad sensum; zu 3: mirere = mireris; ergänze zu ‘relictum’ ein ‘esse’, ordne: nec mireris te relictum esse; zu 4: ingenii: Attribut zu dotes; übersetze ‘ingenium’ hier wie ‘animus’ in Z. 9 mit ‘Geist; corporis: Attribut zu bonis; dos, dotis - Gabe; bonum - Vorteil, Gut; zu 5: fragilis, e - zerbrechlich; quantum - in dem Maße wie; accedere ad annos - in die Jahre kommen; Subj. zu accedit und fit: forma; zu 6: spatium - Lebensdauer; carpere, o - pflücken, verzehren; Subj . zu carpitur: ebenfalls forma; zu 7: iam - schon; canus - grau; formosus - schön, hier substantiviert; capillus - Haar; zu 8: ruga - Runzel, Falte; arare - durchfurchen, der Konj. braucht bei der Übersetzung nicht berücksichtigt zu werden, ebenso nicht bei duret; zu 9: moliri - in Bewegung setzen, molire ist Imp. Sg.; durare - dauern, bleiben; adstruere - hinzufügen, ergänze: ihn (den Geist); zu 10: extremus - letzter; rogus - Scheiterhaufen (auf dem die Toten verbrannt wurden) zu 11: beziehe ‘nec’ auf ‘levis’; levis, e - leicht, unwichtig, ordne: nec levis cura sit; ingenuus - edel; übersetze die Infinitive coluisse und edidicisse mit Inf. Präs.; pectus, oris n - Herz; colere, o, colui - (aus)bilden; zu 12: linguae duae: gemeint sind Latein und Griechisch; ediscere, o, didici - gründlich lernen;
II. Bearbeite die Interpretationsaufgaben! 1. Was bedeutet Naturlänge einer Silbe? 2. Was bedeutet Positionslänge einer Silbe? 3. Was ist ein Spondeus? 4. Welches ist der verhängnisvolle Lebenseinschnitt im Leben Ovids, zu dem wohl auch die ‘Ars amatoria’ beigetragen hat? 5. Skandiere die Verse 3 - 6, indem du auf diesem Blatt unter dem Text die langen und kurzen Silben kennzeichnest und die Verse in Versfüße (im Dt. Takte) einteilst; kennzeichne den Versfußbeginn auch durch ein Akzentzeichen! Achte darauf, dass bei Elision aus zwei Silben eine entsteht! Achte auf eindeutige Einteilung, vor allem bei den Taktstrichen! Achte darauf, dass du den Namen auf dieses Blatt schreibst, und vergiss nicht, das Blatt abzugeben! Hilfsübersetzung: Fern sei jeglicher Frevel. Damit du geliebt wirst, sei liebenswert! Dies wird dir Aussehen und Schönheit allein nicht verleihen. Damit du die Herrin festhältst und dich nicht wunderst, dass du verlassen bist, füge den Vorteilen des Körpers die Gaben des Geistes hinzu! Die Schönheit ist ein zerbrechliches Gut, und in dem Maße, wie sie in die Jahre kommt, wird sie weniger, und sie wird durch ihre eigene Lebensdauer verzehrt. Und schon kommen dir die grauen Haare, du Schöner, schon kommen Falten, die dir den Körper durchfurchen. Schon setze deinen Geist in Bewegung, der dauert, und füge ihn der Schönheit hinzu; jener allein bleibt bis zu den letzten Scheiterhaufen. Und nicht unwichtig sei die Sorge, mit edlen Künsten das Herz zu bilden und zwei Sprachen gründlich zu lernen.
Übersetzung in Distichen: Alle Untat sei fern. Sei liebenswert, willst du geliebt sein! °°°Schönheit allein und Gestalt wird dir das nimmer verleihn, Dass du die Herrin bewahrst, nicht staunst, dich verlassen zu sehen, °°°Füge der Schönheit des Leibs geistige Gaben hinzu. Schönheit ist nur ein gebrechliches Gut; wie die Jahre sich mehren, °°°Schwindet sie hin, und es zehrt eigene Dauer sie auf. Dir auch werden sich bald, o Schönster, die Haare verfärben, °°°Dir auch werden den Leib furchend die Runzeln durchziehn. Stärke den Geist deshalb, dass er dauert; verbünd’ ihn mit Schönheit! °°°Denn er bleibt dir allein bis zu dem Leichengerüst. Achte die Sorge nicht klein, dass mit edelen Künsten das Herz du °°°Bildest und dass in den zwei Sprachen bewandert du seist.
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