Ludwig van Beethoven (1770-1827)
Quintett C-Dur für zwei Violinen, zwei Violen und Violoncello op. 29
Allegro Adagio molto e espressivo Scherzo: Allegro - Trio Presto - Andante con moto e scherzoso
Das 1800/1801 entstandene op. 29 ist Beethovens einziges originäres Streichquintett. Über den Grund, warum es bei dem einen blieb, können nur Vermutungen angestellt werden: Vielleicht ging es ihm wie Haydn, der meinte, mit dem Streichquartett alles sagen zu können und eine fünfte Stimme nicht zu brauchen; oder das Vorbild von Mozarts späten Streichquintetten, „die bis heute als das Nonplusultra der Gattung gelten“, war allzu mächtig.
Aber auch. 29 op. ist ein großes, bedeutendes Werk, das leider zu selten zu hören ist. Auffällig ist sein Vorgriff auf die musikalische Romantik; manches klingt wie Schubert, so zum Beispiel das Hauptthema des Ersten Satzes:
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Und dass man bei seinem Beginn an das Erste Streichsextett von Brahms denkt, ist sicher ein schöner Zufall, sagt aber auch etwas über das Romantische bei Beethoven. Die Triolen im Übergangsteil zum freundlichen Seitenthema bilden den Kontrast zur romantischen Stimmung des Hauptthemas. Dieser Kontrast wird im Mittelteil des Satzes ausgespielt. Wie im Finale von Mozarts KV 593 wird aus dem Hauptthema ein Fugato gebildet (über Mozarts Finale siehe unten), und auch die Triolen erscheinen - kurz vor dem Fugato - in polyphoner Manier. Aus dem Quintett-Klang entwickelt sich im Verlauf dieses zweiten Teils ein dramatischer Orchesterklang, auch weil Beethoven sich nicht vor dem Einsatz von Tremoli scheut, die eine Besonderheit Schuberts werden (siehe G-Dur-Quartett aus dem Jahr 1826). Der dritte Teil dieses Sonatensatzes greift auf den ersten zurück, wiederholt ihn mit einigen Veränderungen und gipfelt in einer großartigen Coda.
Mit vier herrlichen Themen hat Beethoven das Adagio versehen. Ein erstes ist von schwelgerischer Schönheit:
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Das zweite strahlt eine unendliche Ruhe aus trotz Pizzicati und hoher Einwürfe der 1. Violine:
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Mit ‚süße Ruh‘ kann das dritte Thema charakterisiert werden:
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Ein wenig Unruhe bringt die Begleitung des vierten Themas, das als reizvolle Melodie über ihr schwebt:
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Und zwischen den Themen gibt es als Nachspiele oder Überleitungen wunderschönste Musik mit erstaunlichen Modulationen, die oft zu dunkelfarbigen Harmonien führen. In einem zweiten Teil werden die ersten drei Themen wiederholt und variationsmäßig bereichert. Einem dramatischen Ausbruch folgen als Coda das erste Thema im Wechsel von 1. Violine und Cello und ein friedvoller Abschied mit vereinzelten Pianissimo-Akkorden verschiedener Streichergruppen.
Gewichtig ist auch der Dritte Satz, das Scherzo mit den identischen Allegro-Teilen und einem von ihnen umschlossenen Mittelteil, dem ‚Trio’. Das ‚Allegro‘ hat nicht viel von der Munterkeit und Leichtigkeit, die man bei einem Scherzo erwartet. Schon die Andeutungen chromatischer Fügungen stehen der Munterkeit im Wege, ebenso ein Crescendo mit aufsteigenden gebrochenen Dreiklängen, das in einem Sforzato endet. Das ‚Trio‘ beginnt wienerisch beschwingt, hält dieser Beschwingtheit aber wie im ‚Allegro‘ ein gewaltsames Sforzato entgegen, jetzt mit absteigenden Dreiklangsbrechungen.
Eine faszinierende Besonderheit ist das Hauptthema des Vierten Satzes. Die 1. Violine spielt Sechzehntel-Figurationen,
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die in aufsteigenden gebrochenen Achtel-Dreiklängen enden. Die Munterkeit dieser Sechzehntel wird durch Tremoli der begleitenden Instrumente gedämpft. Verstärkt wird dieser Eindruck, wenn das Cello die Sechzehntel-Konfigurationen übernimmt und die 1. Violine sich durch schnelle gebrochene Dreiklänge einmischt. Dagegen wirken die in Stufen aufsteigenden Achtel des nächsten Abschnitts zunächst fast banal:
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Sie enden in einem verspielten Gegeneinander von 1. Violine und den übrigen Stimmen und führen hin zum freundlichen Seitenthema:
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Die Sechzehntel-Figurationen führen am Ende des ersten Teils dieses Satzes zur Wiederholung des ersten bzw. zum zweiten Teil, der mit diesen Sechzehntel-Figurationen ein wunderbares Spiel treibt: Zunächst zeigt er mit den Tremoli schöne harmonische Veränderungen, dann verstrickt er die Figurationen in ein kontrapunktisches Ineinander. Vor dem dritten Teil, der den ersten mit einigen Veränderungen wieder aufgreifen soll, unterbricht Beethoven den Fluss des ‚Presto‘ durch ein kurzes, reizendes ‚Andante‘ nach Art eines Menuetts, ebenso vor der Coda, die ein letztes Mal das faszinierend Besondere des Hauptthemas vorführt.
Februar 2020
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Streichquintett
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