W. A. Mozart (1756-1791)
Divertimento für Violine, Viola und Violoncello Es-Dur KV 563
Allegro Adagio Menuetto - Allegretto Andante Menuetto - Allegretto Allegro
Der Titel ‘Divertimento’ und die Anzahl der Sätze irritieren; man denkt bei dem 1788 für seinen Logenbruder Michael Puchberg geschriebenen Werk an Tafelmusik, an gesellige Unterhaltung. Tatsächlich aber handelt es sich, wie der Mozartkenner Alfred Einstein bemerkt, um „das vollendetste, feinste Trio, das je in dieser Welt hörbar geworden ist.“ Zudem „ist es insgesamt ein höchst virtuoses Werk, das lange Zeit als unspielbar galt.“ (Benjamin Schmid)
Mit einem abwärts geführten Unisono-Dreiklang beginnt das Hauptthema des Ersten Satzes. R. Gerber nennt in seinem Vorwort zur Taschenpartitur das zweite Thema einen „schwärmerischen Augenaufschlag“:
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Im zweiten Teil des Satzes kombiniert Mozart aus dem ersten Teil das Hauptthema und ein durch Punktierung prägnantes Motiv
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und lässt beides auf faszinierende Weise in immer neuem, höchst dramatischem Licht erscheinen. Der dritte Teil wiederholt den ersten mit wenigen Änderungen.
Zu Beginn des Adagios intoniert das Cello, akkordisch begleitet von den beiden übrigen Streichern, als Hauptmotiv zwei gebrochene Dreiklänge aufwärts, aus denen eine Melodie von feierlich-ernstem Charakter entsteht:
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Nach einem vorbereitenden Übergang folgt ein zweites, freundliches Thema:
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Und nach einer chromatischen Aufwärtsbewegung in Sechzehntel-Triolen wird das Motiv der gebrochenen Dreiklänge wieder aufgegriffen und entwickelt sich zu einer hoch dramatischen, düsteren Passage. Dieser erste Teil des 'Adagios' wird, wie üblich bei Sonatensätzen, wiederholt. Der zweite Teil des Satzes wirft einen neuen Blick auf das Hauptmotiv, neue, farbige Harmonien begleiten es, und es beginnt ein kurzes melancholisches Spiel mit dem nun in Achtel gesetzten Motiv. Es leitet über zum dritten Teil, der den ersten wiederholt, aber mit Veränderungen, die die großartige Expressivität dieses Satzes noch verstärken. Ein letztes Mal noch erklingt in der Coda das Hauptmotiv, von dessen sechs Varianten in diesem ‚Adagio‘ jede auf unübertreffliche Art eindringlich ist.
Nun beginnt der heitere Teil des Divertimentos: Das Menuett I verschleiert ein wenig den Dreiertakt:
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In seinem Mittelteil, dem Trio,
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sind Wehmut und Heiterkeit feinsinnig vermischt.
Der Vierte Satz variiert ein ungemein köstliches Thema, das aus einem 8-taktigen
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und einem 16-taktigen Teil besteht. In beiden Teilen wird die Melodie wiederholt, die Begleitung bei der Wiederholung aber schon variiert. Auffällig ist neben der Länge des Themas u. a. die Chromatik im zweiten Teil, die auch den vier Variationen eine besondere Farbigkeit gibt. In der ersten Variation übernimmt in beiden Teilen zunächst in einem engen Geflecht gleichwertiger Stimmen die Bratsche das Thema; bei den Wiederholungen umspielt es die Geige mit Sechzehntel-Figuren. In der zweiten wechseln in beiden Teilen sich Bratsche und Geige bzw. Bratsche und Cello bei der Stimmführung ab, die Begleitung wird von Sechzehntel-Triolen gebildet, bei der Wiederholung durch markante Akkorde in der Bratsche, während Violine und Cello miteinander einen Dialog bilden. Bei der dritten, der Moll-Variation, ist der zweite Teil verkürzt, so entsteht eine große Geschlossenheit, in der feinste polyphone Kunst mit ergreifender Innigkeit sich paart. In der Vierten Variation umspielen Zweiunddreißigstel in der Violine und Sechzehntel im Cello die langen Noten, mit denen die Bratsche eine entfernt an das Thema erinnernde Melodie zelebriert - eine Annäherung an manche von Bachs Choralvorspielen und ein herrlicher Abschluss dieses höchst eindrucksvollen Variationen-Satzes.
Das Menuett II hat zwei Trios in Ländler-Form, von denen das erste durch seine Zartheit besonders besticht. Der Aufbau dieses fünften Satzes: Menuett – Trio I – Menuett – Trio II – Menuett – Coda.
Intime Liebenswürdigkeit zeichnet das Finale aus, zum Beispiel das Hauptthema:
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Ein rhythmisch markantes Zwischenstück
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mit nachfolgenden Sechzehntelfigurationen bildet einen Kontrast zu der Liebenswürdigkeit des Hauptthemas und der des Seitenthemas:
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Ein chromatisches Aufwärts im Cello und ein wunderschönes Abschlussmotiv
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beenden den ersten Teil dieses Satzes. Der zweite Teil wiederholt das Hauptthema, variiert dann, wie es üblich ist im klassischen Sonatensatz, Teile des bisher Gehörten: das Zwischenstück wird verändert, dann das Hauptthema von der Bratsche übernommen, sein Beginn wechselt nun mit schönen harmonischen Veränderungen kurz zwischen den drei Instrumenten. Schließlich steigen die Sechzehntelfigurationen des Zwischenthemas stufenweise abwärts und aufwärts durch die einzelnen Instrumente – ein großartiges, rasantes Spiel. Beim dritten Teil, der nach der Regel auf den ersten zurückgreift, geschieht dies ab dem Seitenthema. Das Hauptthema und das markante Zwischenstück bilden die Schlussphase (‚Coda‘) dieses einmaligen Werkes.
Mai 2020
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Streichtrios
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