Joseph Haydn (1732 – 1809)
Streichquartett F-Dur op. 50/5 (Hob. III:48; ‚Der Traum‘)
Allegro moderato Poco adagio Menuett: Allegretto Vivace
Die sechs 1787 entstandenen Streichquartette op. 50 hat Haydn dem ein Jahr zuvor zum preußischen König gekrönten Friedrich Wilhelm II. gewidmet. Sie sind eine musikalische Antwort auf die sechs Quartette, die Mozart Haydn gewidmet hatte und die ihrerseits eine Antwort waren auf Haydns Quartette op. 33. So entwickelte sich in Konkurrenz und Dialog die Gattung ‚Streichquartett’ zu ihrer klassischen Form: Neu ist bei op. 50, dass Haydn im klassischen Sonatensatz monothematisch vorgeht, also mit nur einem Thema einen solchen Satz bestreitet.
So auch beim Allegro des fünften Quartetts von op. 50. Das Unisono des Themas klingt zunächst wie ein Kinderlied; beim ersten Akkord aber verschwindet dieser Eindruck hinter geistreicher Heiterkeit. Statt eines zweiten Themas bringt Haydn eine reizvolle Abwandlung des bisher Gehörten; sie mündet - als Kontrast zu den Achteln des Beginns - in munter-flinke Sechzehntel-Sextolen, zuletzt in polyphones Spiel. Der kurze zweite Abschnitt des Satzes beginnt mit einem hübschen Spiel des Kinderlied-Themas, bringt dann ineins mit polyphoner Gestaltung harmonische Farbigkeit und steigert sich bis ins Dramatische. Die schönen harmonischen Wendungen färben noch auf den dritten Teil ab, der eigentlich den ersten wiederholen soll. Er greift ihn zwar auf, verändert ihn aber beträchtlich. Nach einer wirkungsvollen Generalpause setzt die Coda ein, deren harmonische Wendungen in Erstaunen versetzen.
Die Melodie des Adagio-Satzes schwebt mit zarter Lebendigkeit der 1. Violine aufwärts über den ruhigen abwärts gerichteten Achteln der drei tieferen Streicher. „Wie träumerisch spielt Haydn mit diesem Gegensatz von Auf und Ab.“ (G. Feder). Dieses Auf und Ab wird wiederholt, nun mit Sechzehntel-Triolen und -Sextolen. Der Satz ist zweigeteilt aufgebaut; der zweite Teil wiederholt - ein wenig bereichert - in Harmonie und Figuration den ersten.
Die Idee, sich mit einem Thema zu begnügen, findet sich auch im Menuett dieses Quartetts (Aufbau: ABA). Sein Mittelteil (B ‚Trio‘) sollte traditionell etwas Neues, Gegensätzliches bieten. Hier aber beschränkt sich das Neue darauf, dass der graziöse A-Teil in weicher, getrübter Stimmung erscheint.
Auch das Finale hat nur ein einziges Thema. Sein Reiz entsteht durch einen dreimaligen Anlauf hin zu einem Signalmotiv der 1.Violine und durch Triller auf den betonten punktierten Noten dieses Anlaufs. Bei einer zweiten Wiederholung dieses Themas ergibt sich durch hinzugefügte Sechzehntel-Bewegungen ein köstliches kontrapunktisches Spiel – man meint sich schon im zweiten Teil des Satzes zu befinden, dessen Aufgabe ein solches Spiel mit dem im ersten Teil Gehörten ist. Tatsächlich wird in diesem Mittelteil das Spiel aufs Schönste intensiviert. Doch damit nicht genug: im dritten Abschnitt, der zum ersten zurückkehrt, kann Haydn das Spiel weiterführen und kontrapunktisch und harmonisch noch krönen.
August 2020
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