Joseph Haydn (1732-1809)
Streichquartett op. 33/1 h-Moll (Hob. III:37)
Allegro moderato Scherzo: Allegro di molto Andante Presto
Die sechs sogenannten ,,Russischen Quartette" op. 33 bedeuten einen Höhepunkt in Haydns Quartettschaffen und den Beginn des Klassischen Streichquartetts. Sie erschienen Anfang 1782. Gewidmet wurden sie dem Großfürsten und späteren Zaren Paul von Russland.
Haydn führt zu Beginn des Ersten Satzes ein Vexierspiel vor, Zeichen seines souveränen Humors: Man hört als erstes ein Thema in Dur:
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und schließlich - also an der Stelle, die dem Seitenthema zukommt -, wieder das zuerst gespielte; was also ist Haupt- und Seitenthema? Das alles ist sehr knapp gehalten, und rasch beenden ein paar muntere Abschlusstakte den ersten Abschnitt. Im Mittelteil des Satzes wird mit dem Dur-Thema gespielt in der Weise, dass es mit immer wieder neuen, überraschenden harmonischen Wendungen und mit einem Rückgriff auf die ersten Takte des Satzes durchgeführt wird. Da das Dur-Thema den Mittelteil behauptete, wird es im dritten Teil, der die zu Beginn vorgestellten Themen eigentlich beide noch einmal aufgreift, unterschlagen. Und das Moll-Thema, das im Mittelteil nicht in Erscheinung trat, wird durch einige Takte kontrapunktischer Verarbeitung besonders hervorgehoben. Hier wird deutlich, was für das ganze Quartett gilt: wie feinsinnig Haydn jeder der vier Stimmen ihr eigenes Recht gibt.
Haydn hat den Zweiten Satz seines Quartetts ‚Scherzo‘ genannt; natürlich ist es kein Scherzo im beethovenschen Sinne, aber es hat auch nicht den Ton eines Menuetts; schon das Tempo ‚Allegro‘ passt nicht dazu. Der Aufbau ist bei einem Scherzo derselbe wie beim Menuett: A B ('Trio') A. Sehr hübsch das Geplänkel der vier Stimmen im A-Teil, das im B-Teil zu einem harmonischen Miteinander wird.
Im Andante ist die Kompositionsweise eine andere: nicht mehr polyphone Satztechnik, sondern Homophonie ist das Kompositionsmittel: Hier ist die 1. Violine im Wechsel mit dem Cello alleiniger Melodieträger, während die übrigen Instrumente lediglich akkordisch begleiten. Im ersten Teil des Satzes werden auf diese Weise ein dreiklanggeprägtes Hauptthema und ein schönes Dolce-Seitenthema vorgestellt. Dieser erste Teil schließt mit auffälligen chromatischen Wendungen. Das kurze Mittelstück beschäftigt sich mit dem Hauptthema, indem es vor allem dessen Schlussfloskel variiert. Der dritte Teil greift den ersten wieder auf, nicht ohne diesen deutlich zu verändern. Vor allem das zweite Thema wird verkürzt und dient nur noch als Coda.
Köstlich ist die Spielfreude, mit der die 1. Violine - ein wenig ‚alla zingarese‘ - den Themenbereich dieses prachtvollen Finales durcheilt. Sehr schön und ein wenig barock klingt es, wenn das Thema, das in Vierteln und Achteln vorgestellt wird, mit Achtel und Sechzehntel umschrieben, wiederholt wird. Eine Andeutung eines Seitenthemas schließt sich an. Im Mittelstück des Satzes verteilt sich dieses Eilen auf 1. und 2. Violine. Zunächst wird das Thema zitiert. „Dann hebt ein kleines Doppelkonzert an, in dem die beiden Violinen sich die Bälle einander zuwerfen“ - ein wunderschöner Zugewinn, auch an neuer harmonischer Farbigkeit. Der dritte Teil des Satzes greift auf den ersten zurück; und durch einige Veränderungen wird diese Musik noch ein Stück reicher.
August 2020
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