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Sermones - satirische Plaudereien
Liber 1,4
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Eupolis atque Cratinus Aristophanesque poetae atque alii, quorum comoedia prisca virorum est, siquis erat dignus describi, quod malus ac fur, quod moechus foret aut sicarius aut alioqui 5 famosus, multa cum libertate notabant. hinc omnis pendet Lucilius, hosce secutus, mutatis tantum pedibus numerisque, facetus, emunctae naris, durus conponere versus. nam fuit hoc vitiosus: in hora saepe ducentos, 10 ut magnum, versus dictabat stans pede in uno; cum flueret lutulentus, erat quod tollere velles; garrulus atque piger scribendi ferre laborem, scribendi recte: nam ut multum, nil moror. ecce, |
moechus, i, m.: der Ehebrecher; sicarius, ii, m.: der Meuchelmörder; alioqui(n): im übrigen, sonst; famosus, a, um: (fama), voll von Nachrede, im guten Sinne = viel besprochen, viel von sich reden machend, im üblen Sinne = im üblen Leumund stehend, berüchtigt, anrüchig; facetus: fein, angenehm, graziös, witzig; emungo, munxi, munctus: ausschneutzen; naris, is f.: Nasenloch; vitiosus: fehlerhaft; lutulentus: schmutzig; garrulus, a, um: schwatzhaft, geschwätzig; nihil moror: mit Verachtung abweisen, ich kehre mich nicht an usw., ich mag nichts wissen von usw., ich mache mir nichts aus usw.; |
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Die Dichter Eupolis, Cratinus, Aristophanes und andere, denen die alte Komödie gehört, charakterisierten mit großem Freimut einen, wenn er es wert war, dargestellt zu werden, weil er ein Bösewicht und Dieb, weil er ein Ehebrecher oder Mörder oder sonst ein Berüchtigter war. Davon ist Lucilius ganz abhängig, diesen ist er gefolgt, nachdem er nur die Versfüße und Taktzahlen geändert hatte (aus Iamben werden Daktylen), geistreich, mit geputzter Nase (gereinigte Nase wittert besser, die verstopfte Nase ist Zeichen für Stumpfheit, Kiessling-Heinze), gefühllos, Verse zusammenzustellen. Denn im Folgenden war er ausgeartet: In einer Stunde diktierte er oft, als ob es etwas Bedeutendes wäre, zweihundert Verse auf einem Bein stehend (gemeint wohl: allzu lässig). Weil er so trübe floss, gab es etwas, was man beseitigen möchte. Geschwätzig war er und (zu) faul, die Mühe des Schreibens auf sich zu nehmen, des richtigen Schreibens. Denn dass vieles geschrieben wurde, daraus mache ich mir nichts. Siehe,
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Crispinus minimo me provocat 'accipe, si vis, 15 accipiam tabulas; detur nobis locus, hora, custodes; videamus, uter plus scribere possit.' di bene fecerunt, inopis me quodque pusilli finxerunt animi, raro et perpauca loquentis; at tu conclusas hircinis follibus auras 20 usque laborantis, dum ferrum molliat ignis, ut mavis, imitare. |
in-ops, opis: mittellos, arm; pusillus: winzig; imitor, atus sum, ari: nachahmen, nachmachen; follis,is m.: lederner Schlauch, Blasebalg; hirc. folles, von Bockshaut; mollio, ivi u. ii, itum, ire: beweglich-, biegsam-, geschmeidig-, gelenk machen, weich machen, erweichen, |
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Crispinus fordert mich sehr wenig heraus: „Nimm, wenn du willst, ich werde meine Täfelchen nehmen. Es möge uns Ort, Zeit und die Schiedsrichter zugeteilt werden. Wir wollen sehen, wer von uns beiden mehr schreiben kann.“ Die Götter haben wohl daran getan, dass (das –que verbindet inopis und pusilli, quodque gehört eigentlich hinter pusilli) sie mich von armen und winzigen Geist schufen (Gen. qual.), der selten und sehr weniges sagt. Aber du ahme, wenn du es lieber so willst, die in bockslederne Blasebälge eingeschlossenen Winde nach, die ununterbrochen arbeiten, bis das Feuer das Eisen weich macht.
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°°°°°°°°°°°°°°°°°°°beatus Fannius ultro delatis capsis et imagine, cum mea nemo scripta legat, volgo recitare timentis ob hanc rem, quod sunt quos genus hoc minime iuvat, utpote pluris 25 culpari dignos. quemvis media elige turba: aut ob avaritiam aut misera ambitione laborat. hic nuptarum insanit amoribus, hic puerorum: hunc capit argenti splendor; stupet Albius aere; hic mutat merces surgente a sole ad eum, quo 30 vespertina tepet regio, quin per mala praeceps fertur uti pulvis collectus turbine, nequid summa deperdat metuens aut ampliet ut rem. |
ultro: obendrein, von selbst, aus freien Stücken; capsa: Bücherkapsel; utpote: nämlich; nupta: Ehefrau; insanire: rasen, toll, unsinnig, außer sich sein; vespertinus: abendlich, westlich, vespertina regio: Abendland; quin: ja sogar; prae-ceps, cipitis: kopfüber, mit dem Kopfe voran, Hals über Kopf, blindlings, jählings; collectus: gedrängt; de-perdo, perdidi, perditum, ere: zugrunde richten, verderben, etwas verlieren, einbüßen; amplio, avi, atum, are: vergrößern, erweitern, ausdehnen, vermehren, |
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Fannius ist glücklich durch die aus freiem Antrieb (dem Buchhandel) angebotenen Buchkästen und sein Porträt, während meine Schriften niemand liest, Schriften eines fürchtenden (sie) öffentlich vorzutragen aus dem Grund, weil es Leute gibt, die diese Gattung überhaupt nicht erfreut, nämlich mehrere, die es verdient haben, beschuldigt zu werden. Greife einen beliebigen mitten aus der Schar heraus: Er leidet entweder an Geiz oder an erbärmlichem Ehrgeiz. Dieser ist toll wegen der Liebe zu Ehefrauen, dieser wegen der Liebe zu Knaben. Diesen packt der Glanz des Silbers, Albius ist hin wegen einer Bronce. Dieser tauscht Waren vom Sonnenaufgang bis dort, wo das Abendland warm ist; er wird sogar jählings wie von einem Staubwirbel gedrängt durch Gefahren hindurch getrieben, fürchtend, dass das Ganze irgendetwas verliere oder (getrieben), dass er seinen Reichtum vermehre.(siehe Kommentar Kiessling-Heinze).
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omnes hi metuunt versus, odere poetas. 'faenum habet in cornu, longe fuge; dummodo risum 35 excutiat, sibi non, non cuiquam parcet amico; et quodcumque semel chartis inleverit, omnis gestiet a furno redeuntis scire lacuque et pueros et anus.' agedum pauca accipe contra. primum ego me illorum, dederim quibus esse poetis, 40 excerpam numero: neque enim concludere versum dixeris esse satis neque, siqui scribat uti nos sermoni propiora, putes hunc esse poetam. ingenium cui sit, cui mens divinior atque os magna sonaturum, des nominis huius honorem. 45 idcirco quidam comoedia necne poema esset, quaesivere, quod acer spiritus ac vis nec verbis nec rebus inest, nisi quod pede certo differt sermoni, sermo merus. 'at pater ardens saevit, quod meretrice nepos insanus amica 50 filius uxorem grandi cum dote recuset, ebrius et, magnum quod dedecus, ambulet ante noctem cum facibus.' numquid Pomponius istis audiret leviora, pater si viveret? |
fenum: Heu; ex-cutio, cussi, cussum, ere: heraus-, herab-, abschütteln, -stoßen, -schlagen, -werfen; il-lino, levi, litum, ere: in od. auf etw. streichen, einstreichen; charta: Papier, Buch; gestio, ivi u. ii, itum, ire: vor Freude ausgelassen sein, in ausgelassene Freude ausbrechen, sich ausgelassen freuen, sein ganzes Dichten und Trachten auf etwas richten, ganz von dem Verlangen beseelt sein, das lebhafte Verlangen haben, seine größte Lust daran haben; furnus: Backofen, Backhaus; lacus, us, m.: urspr. jede trogartige Vertiefung; See, Brunnen; age, agite: auch age in der Anrede an mehrere, wie unser wohlan! auf! (oft verstärkt durch andere Partikeln, bes. durch dum u. sis, dah. verb. agedum; excerpere: herausnehmen; concludo, clusi, clusum, ere: verschließen, abschließen, zum Abschluß bringen, abrunden; nec-ne, Adv.: oder nicht, im zweiten Teile einer Doppelfrage, gew. in der indirekten, korrespondierend mit utrum; poema, atis, n.: das Gedicht; nepos auch: liederlicher, verschwenderischer Mensch, ein Verschwender, meretrix: Dirne; numquid: denn etwa (Menge 409,2) |
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Alle die fürchten die Verse, hassen die Dichter. „Er hat Heu am Horn (Hörner zum Schutz mit Heu umwickelt, ist also wie ein gefährlicher Stier), fliehe weit! Wenn er nur ein Lachen entreißt, dann schont er nicht sich, nicht irgendeinen Freund. Und was auch immer er einmal aufs Papier geschmiert hat, er wird darauf brennen, dass alle vom Backhaus und vom Brunnen Kommenden, Knaben und Alte, es erfahren.“ Wohlan denn, höre ein Weniges dagegen an: Zunächst möchte ich mich aus der Zahl jener herausnehmen, denen ich zugestanden hätte, zu den Dichtern zu gehören (?, bei Lesart ‚poetas‘ Aci). Denn man könnte nicht sagen, das es reichen würde, einen Vers zum Abschluss zu bringen, und nicht magst du glauben, dass der ein Dichter sei, wenn einer wie ich der Umgangssprache ziemlich Naheliegendes schreibt. Wer das Talent hat, wer eine göttlichere Seele hat und einen Mund, der Erhabenes singt, dem magst du die Ehre dieses Namens geben. Deswegen haben gewisse Leute gestritten, ob (‚utrum‘ fehlt) die Komödie Dichtung sei oder nicht, weil geschliffener Geist und Ausdruckskraft weder in den Worten noch im Thema sind, reine Umgangssprache, außer dass sie sich durch bestimmten Versfuß von der Umgangssprache unterscheidet. „Aber der Vater wütet rasend, weil sein Sohn, ein Draufgänger, toll wegen einer befreundeten Dirne eine Gattin mit großer Mitgift verschmäht und, was eine große Schande ist, trunken vor der Nacht mit Fackeln herumstrolcht.“ (Inhalt einer Komödie) Würde Pomponius etwa durch das, was du anführst, Angenehmeres hören, wenn sein Vater noch leben würde. (die Wirklichkeit, die von der Komödie dadurch abweicht, dass der Vater schon tot ist; Pomponius ist irgendein wirklicher Strolch.).
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non satis est puris versum perscribere verbis, 55 quem si dissolvas, quivis stomachetur eodem quo personatus pacto pater. his, ego quae nunc, olim quae scripsit Lucilius, eripias si tempora certa modosque, et quod prius ordine verbum est posterius facias praeponens ultima primis, 60 non, ut si solvas 'postquam Discordia taetra belli ferratos postis portasque refregit', invenias etiam disiecti membra poetae. hactenus haec: alias, iustum sit necne poema. |
stomachor, atus sum, ari: ärgerlich sein, sich ärgern, pactum, i, n.: der Vertrag, Vergleich, die Verabredung, eodem pacto, auf dieselbe Weise; postis, is m.: (Tür)pfosten, Tür, Pforte; dis-icio, ieci, iectum, ere: auseinander werfen, auseinander treiben, - jagen, -sprengen, zerstreuen, auflösen; hactenus: so weit; alias: ein andermal; necne s. V. 45; poema s. V.45 |
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Es genügt also nicht, einen Vers mit einfachen Worten hinzuschreiben; wenn du ihn auflöst (sein Metrum) ärgert sich jeder beliebige auf dieselbe Weise (auf welcher) wie der Vater mit der Maske (auf der Bühne). Wenn du diesem, was jetzt ich (schreibe), was einst Lucilius schrieb, die festen Zeitmaße und die Weisen raubst und wenn du das Wort, das in der Ordnung früher ist/steht, später stellst, indem du die letzten den ersten vorstellst, dann könntest du nicht auch, so wie wenn du „nachdem die grässliche Zwietracht die eisernen Pforten und Tore des Krieges aufgebrochen hatte“ auflöst, die Glieder des auseinandergesprengten Dichters finden. Soweit dies; ein andermal, ob sie (die Satire) ein wirkliches Gedicht sei oder nicht.
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nunc illud tantum quaeram, meritone tibi sit 65 suspectum genus hoc scribendi. Sulgius acer ambulat et Caprius, rauci male cumque libellis, magnus uterque timor latronibus; at bene siquis et vivat puris manibus, contemnat utrumque. ut sis tu similis Caeli Birrique latronum, 70 non ego sim Capri neque Sulgi: cur metuas me? nulla taberna meos habeat neque pila libellos, quis manus insudet volgi Hermogenisque Tigelli, nec recito cuiquam nisi amicis idque coactus, non ubivis coramve quibuslibet. in medio qui 75 scripta foro recitent, sunt multi quique lavantes: suave locus voci resonat conclusus. inanis hoc iuvat, haud illud quaerentis, num sine sensu, tempore num faciant alieno. 'laedere gaudes' inquit 'et hoc studio pravus facis.' unde petitum 80 hoc in me iacis? est auctor quis denique eorum, vixi cum quibus? absentem qui rodit, amicum qui non defendit alio culpante, solutos qui captat risus hominum famamque dicacis, fingere qui non visa potest, conmissa tacere 85 qui nequit: hic niger est, hunc tu, Romane, caveto. |
qui-libet, quaelibet, quodlibet u. subst. quidlibet: jeder wer will, jeder ohne Unterschied, ohne Ausnahme, der erste beste, alle; suave Adv.: angenehm; inanis mit Gen. u. Abl: leer, hohl, eitel; pravus: verdreht, verkehrt, schlecht, schlimm; petere: auch angreifen, zielen, werfen; rodo, rosi, rosum, ere: benagen = herabsetzen, verkleinern, verleumden; solutus: frei, fessellos, zügellos; dicax, acis: beißend, witzig, der Witzbold; captare:u. a. zu fangen-, zu gewinnen suchen; |
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Jetzt möchte ich dich nur das fragen, ob dir dieses literarische Genus mit Recht verdächtig ist. Der eifrige Sulgius geht umher und Caprius (öffentliche Ankläger) völlig heiser (vom vielen Anklagen) und mit Notizbüchern, jeder der beiden eine große Furcht für die Räuber. Aber wenn jemand gut lebt und mit reinen Händen, verachte er jeden der beiden. Gesetzt dass du den Räubern Caelius und Birrus ähnlich bist, ich könnte nicht dem Caprius und Sulgius ähnlich sein. Warum (also) könntest du mich fürchten? Kein Laden und kein Pfeiler (an dem die Schriften angekündigt wurden) wird meine Bücher besitzen (Kiessling-Heinze: habeat im Sinne von habebit), durch die die Hand der Menge und des Hermogenes Tigellius ins Schwitzen kommt; und ich lese niemandem vor außer Freunden, und dies (nur) gezwungen, nicht überall oder auch nicht in der Gegenwart der ersten besten. Es gibt viele, die mitten auf dem Marktplatz (ihr) Geschriebenes vorlesen und die es badend tun: Ein geschlossener Raum klingt für die Stimme angenehm zurück. Dies freut die Hohlköpfe, die nicht danach fragen, ob sie ohne Sinn, ob zur falschen Zeit (so) handeln. „ Du freust dich daran zu verletzen“, sagt er (ein Gegner), „und das machst du, Schlimmer, mit Eifer.“ Woher wirfst du dieses auf mich Gezielte? Wer von denen, mit denen ich gelebt habe, ist nun der Urheber (dieses Vorwurfs)? Wer den Abwesenden herabsetzt, wer den Freund nicht verteidigt, wenn ein anderer ihn beschuldigt, wer zügelloses Gelächter der Menschen und den Ruf eines Witzbolds zu gewinnen sucht, wer nicht Gesehenes erfinden kann, wer Anvertrautes nicht verschweigen kann, der hat eine schwarze Seele. Vor dem hüte dich, Römer!
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saepe tribus lectis videas cenare quaternos, e quibus unus amet quavis aspergere cunctos praeter eum qui praebet aquam; post hunc quoque potus, condita cum verax aperit praecordia Liber: 90 hic tibi comis et urbanus liberque videtur infesto nigris: ego si risi, quod ineptus pastillos Rufillus olet, Gargonius hircum, lividus et mordax videor tibi? mentio siquae de Capitolini furtis iniecta Petilli 95 te coram fuerit, defendas, ut tuus est mos: 'me Capitolinus convictore usus amicoque a puero est causaque mea permulta rogatus fecit et incolumis laetor quod vivit in urbe; sed tamen admiror, quo pacto iudicium illud 100 fugerit': hic nigrae sucus lolliginis, haec est aerugo mera; |
a-spergo, spersi, spersum, ere: hinspritzen od. –streuen; beschmutzen, beschimpfen; verax: wahrredend; praecordia, orum: Eingeweide, Brust, Herz; olere alqd: nach etwas riechen; pastillus: Pille, von wohlriechenden Sachen, zum Auf- od. Zwischenstreuen, zum Kauen, um dem Atem einen angenehmen Geruch zu geben; hircus: Ziegenbock, Bocksgestank; lividus: neidisch; mordax: bissig; furtum: Diebstahl, Gaunerei; inicio: einfließen lassen, erwähnen; convictor, oris, m.: der tägliche Gesellschafter, Tischgenosse, der Hausfreund; quo pacto: warum; sucus, i m.: Saft; lolligo: Tintenfisch; aerugo: Grünspan, Rost, Gift, Habsucht, Gewinnsucht, Eigennutz; |
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Oft magst du je vier auf drei Lagern speisen sehen, von denen es einer liebt, alle auf jede Art und Weise mit Witzen zu beschmutzen außer den, der das Wasser reicht (den Gastgeber); später, betrunken, auch diesen, wenn der wahrredende Liber den bedeckten Busen öffnet. Ein solcher erscheint dir, feindlich den schwarzen Seelen, leutselig, städtisch und frei; ich, wenn ich gelacht habe, weil der Tor Rufillus nach Pillen riecht, Gargonius nach Ziegenbock, erscheine dir neidisch und bissig? Und wenn irgendeine Erwähnung über die Gaunereien des Petillius Capitolinus in deiner Gegenwart getan worden ist, magst du ihn verteidigen, wie es deine Art ist: „Capitolinus hat mich als Tischgenosse und als Freund von klein auf gebraucht und, gebeten, um meinetwillen sehr viel getan, und ich freue mich, dass er unversehrt in Rom lebt. Und doch wundere ich mich, warum er jener Verurteilung (wegen der Gaunereien) entkam.“ Dies ist der Saft des schwarzen Tintenfischs, dies ist reiner Grünspan.
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°°°°°°°°°°°°°°°quod vitium procul afore chartis, atque animo prius, ut siquid promittere de me possum aliud vere, promitto. liberius si dixero quid, si forte iocosius, hoc mihi iuris 105 cum venia dabis: insuevit pater optimus hoc me, ut fugerem exemplis vitiorum quaeque notando. cum me hortaretur, parce frugaliter atque viverem uti contentus eo quod mi ipse parasset: 'nonne vides, Albi ut male vivat filius utque 110 Baius inops? magnum documentum, ne patriam rem perdere quis velit.' a turpi meretricis amore cum deterreret: 'Scetani dissimilis sis.' ne sequerer moechas, concessa cum venere uti possem: 'deprensi non bella est fama Treboni' 115 aiebat. 'sapiens, vitatu quidque petitu sit melius, causas reddet tibi; mi satis est, si traditum ab antiquis morem servare tuamque, dum custodis eges, vitam famamque tueri incolumem possum; simul ac duraverit aetas 120 membra animumque tuum, nabis sine cortice.' sic me formabat puerum dictis |
prius, Adv.: eher, vorher, od. eher, lieber; frugalis: vorteilhaft, sparsam, nüchtern, besonnen; no, navi, nare: schwimmen; |
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Dass (ut) ein solches Laster weit entfernt sei meinen Schriften und mehr noch meinem Herzen, verspreche ich, wenn ich irgendetwas anderes wahrhaftig versprechen kann. Wenn ich irgendetwas allzu Freizügiges gesagt habe, wenn zufällig einmal allzu Scherzhaftes, wirst du mir mit der Verzeihung soviel Recht geben (mir dies einräumen): Mein trefflicher Vater gewöhnte mich daran (an dieses freimütige Sprechen?), indem er durch Beispiele auf jeden der Fehler hinwies, damit ich (sie) fliehe. Wenn er mich ermahnte, das ich sparsam und besonnen lebte, zufrieden mit dem, was er selbst mir bereitet hätte: „Siehst du nicht, wie der Sohne des Albus übel lebt und wie ärmlich der Baius? Eine gute Warnung, dass nicht irgendeiner die Lust hat (velit) das väterliche Gut zu verprassen.“ Wenn er mich von der schändlichen Liebe abschrecken wollte: „Sei nicht ein Ebenbild des Scetanus!“ Dass ich nicht Ehebrecherinnen nachrenne, während ich doch erlaubter Liebe nachgehen könne: „ Der Ruf des ertappten Trebonus ist nicht gerade hübsch.“ Und er fügte hinzu: „ Der Philosoph wird dir begründen, was besser sei zu meiden und zu erstreben. Mir ist es genug, wenn ich die von den Alten überlieferte Sitte bewahren und, solange du des Wächters bedarfst, deine Lebensweise und deinen Ruf unversehrt beschützen kann. Sobald die Zeit deine Glieder und deinen Geist gestärkt hat, wirst du ohne Kork schwimmen.“ So formte er mich als Knaben durch seine Worte.
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°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°et, sive iubebat ut facerem quid, 'habes auctorem, quo facias hoc' unum ex iudicibus selectis obiciebat, sive vetabat, 'an hoc inhonestum et inutile factu 125 necne sit, addubites, flagret rumore malo cum hic atque ille?' avidos vicinum funus ut aegros exanimat mortisque metu sibi parcere cogit, sic teneros animos aliena opprobria saepe absterrent vitiis. ex hoc ego sanus ab illis 130 perniciem quaecumque ferunt, mediocribus et quis ignoscas vitiis teneor. fortassis et istinc largiter abstulerit longa aetas, liber amicus, consilium proprium; neque enim, cum lectulus aut me porticus excepit, desum mihi. 'rectius hoc est; 135 hoc faciens vivam melius; sic dulcis amicis occurram; hoc quidam non belle: numquid ego illi inprudens olim faciam simile?' haec ego mecum conpressis agito labris; ubi quid datur oti, inludo chartis. hoc est mediocribus illis 140 ex vitiis unum; cui si concedere nolis, multa poetarum veniat manus, auxilio quae sit mihi - nam multo plures sumus -, ac veluti te Iudaei cogemus in hanc concedere turbam. |
mediocris, e: einigermaßen das Maß haltend, mittelmäßig, nur so ziemlich, unbedeutend, unerheblich, gering; fortassis et istinc largiter abstulerit longa aetas: davon (von diesen Fehlern), Hor. sat. 1, 4, 131; largiter: Adv. von largus – freigebig, reichlich; agitare: umhertreiben, betreiben, eifrig besprechen; otium: si quid datur oti, illudo chartis; illudere: etwas schriftl. gleichs. spielend hinwerfen, alqd chartis, mit spielender Leichtigkeit zu Papier bringen, Hor. sat. 1, 4, 139; |
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Und wenn er mir befahl, das ich etwas tue: „Du hast ein Vorbild, nach dem du das tun sollst“ hielt er mir einen aus den ausgewählten Richtern vor, oder wenn er verbot „Könntest du zweifeln, ob dies unehrenhaft und nutzlos zu tun oder nicht, obgleich dieser oder jener in schlechtem Ruf lodert?“ So wie das nachbarliche Leichenbegängnis die lebenshungrigen Kranken außer Fassung bringt und durch Todesfurcht zwingt, sich zu schonen, so schreckt fremde Schande zarte Seelen oft von Fehlern ab. Deswegen bin ich heil/frei von solchen (Fehlern), die immer das Verderben bringen. (Nur) von unerheblichen Fehlern und denen du verzeihen könntest, werde ich festgehalten. Vielleicht auch wird davon (von diesen Fehlern) noch ein langes Leben, ein freiherziger Freund und meine eigene Einsicht reichlich weggenommen haben. Nicht nämlich, wenn eine Liegestatt oder eine Säulenhalle mich aufgenommen haben, bin ich nicht bei mir: „Das ist richtiger, tät ich dies, möchte ich wohl besser leben, so könnte ich den Freunden angenehm entgegentreten, dies hat ein gewisser nicht schön gemacht (Kiessling-Heinze: ‚fecit‘ aus ‚faciam‘ ergänzen): ich werde doch nicht etwa einst unklug jenem Ähnliches tun?“ Dies bespreche ich mit geschlossenen Lippen mit mir selbst. Wo (mir) etwas an Muße gegeben wird, werfe ich es spielend aufs Papier. Dies ist einer von jenen unerheblichen Fehlern. Wenn du dem nicht beitreten möchtest, dann möge eine große Schar von Dichtern kommen, die mir zu Hilfe kommt – denn wir sind um vieles mehr – und wie die Juden werden wir dich zwingen, in diesen Schwarm überzutreten.
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Vorbemerkung / Buch I, 6. Satire
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