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Abitur 1989

Aufgabenstellung:
Erläutern Sie die Aussagen der drei vorliegenden Gedichte und vergleichen Sie diese Aussagen miteinander; stellen Sie bei wenigstens zwei Gedichten auch dar, mit welchen gestalterischen Mitteln die Autoren ihre Aussage verstärken!

Detlev v. Liliencron
(1844-1909)

Tod in Ähren

Im Weizenfeld, in Korn und Mohn,
liegt ein Soldat, unaufgefunden,
zwei Tage schon, zwei Nächte schon,
mit schweren Wunden, unverbunden.

Durstüberquält und fieberwild,
im Todeskampf den Kopf erhoben.
Ein letzter Traum, ein letztes Bild;
sein brechend Auge schlägt nach oben.

Die Sense rauscht im Ährenfeld,
er sieht sein Dorf im Arbeitsfrieden.
Ade, ade, du Heimatwelt -
und beugt das Haupt, und ist verschieden.



Heinrich Lersch
(1889-1936)

Brüder

Es lag schon lang ein Toter vor unserm Drahtverhau,
die Sonne auf ihn glühte, ihn kühlte Wind und Tau.

Ich sah ihm alle Tage in sein Gesicht hinein,
und immer fühlt' ich's fester: Es muss mein Bruder sein.

Ich sah in allen Stunden, wie er so vor mir lag,
und hörte seine Stimme aus frohem Friedenstag.

Oft in der Nacht ein Weinen, das aus dem Schlaf mich trieb;
mein Bruder, lieber Bruder - hast du mich nicht mehr lieb?

Bis ich, trotz aller Kugeln, zur Nacht mich ihm genaht
und ihn geholt. - Begraben: - Ein fremder Kamerad.

Es irrten meine Augen. - Mein Herz, du irrst dich nicht;
es hat ein jeder Toter des Bruders Angesicht.



Johannes R. Becher
(1891-1958)

Deutsche Gräber an der Ostfront

Kein Holzkreuz zeigt nach oben.
Wer spricht von Heldentaten?
Nicht Schaufel und nicht Spaten
Hat Gräber ausgehoben.

Es kamen an auf Wagen
Die ungezählten Frachten
Der Toten . . . Welche Schlachten!
Wer wagt davon zu sagen!

Es wurden aufgeboten
Maschinen, um zu graben,
Dass in der Erde haben
Genügend Platz die Toten ...

Wen lässt das noch erbleichen!
Es ist wie auf dem Meere,
Dort liegen auch die Heere
und geben keine Zeichen.

zu erwartende Schülerleistung:
Anlass der Auswahl dieser drei Gedichte über den sogenannten ,Heldentod' war die Lektüre des Nachworts einer 1914 herausgegebenen Kriegsliedersammlung (Wort und Sinn, Literatur - Struktur und Geschichte 5. 71f.) und die anschließende Besprechung von den Krieg heroisierenden und den Krieg anklagenden Gedichten.

Inhaltlich Gemeinsames der drei Gedichte soll erkannt und belegt werden: ohne historischen Kontext werden die Schüler/innen die drei Gedichte den anklagenden zuordnen (was für Liliencron und Lersch nicht ohne weiteres charakteristisch ist). Sie müssen aber auch herausarbeiten, dass der Soldatentod in jedem Gedicht anders gesehen wird: In Liliencrons Gedicht, dessen auffällige sprachliche Gestaltung die Schüler/innen bemerken sollten, bekommt das Sterben durch die Idylle der 3. Strophe etwas Schmerzlich-Verklärtes, womöglich Sentimentales, wobei offen bleibt, ob der Blick des Sterbenden auf die Idylle das Sterben leichter macht oder den Abschied schwerer. In jedem Fall zeigt Liliencron in der 3. Strophe ein Kontrastbild zu den beiden ersten durch sprachliche Neuschöpfungen auffälligen Strophen; die Klammer, die sich durch die Beziehung von V. 1 zur 3. Strophe ergibt, sollte gesehen werden, ebenso die Unterstützung des Kontrastes durch die rhythmische Gestaltung.

Bei Lerschs Gedicht erwarte ich zunächst den Nachweis eines sorgfältigen, genauen Lesens: Die Schüler/innen müssen die Wahnidee des lyrischen Ichs erkennen; der Tote sei sein leiblicher Bruder, der es - Anklang an Antigone - an den Dienst der Bestattung mahnt, und sie müssen die Intention formulieren, dass jeder Tote Bruder ist im Sinne einer allgemeinen Brüderlichkeit, dass Fremdheit, evtl. Feindschaft (wenn der ,fremde Kamerad’ als Soldat des Feinds zu verstehen ist) angesichts des Todes ausgelöscht sind, dass der Tod für die Lebenden eine Mahnung zur Humanität ist.

Während bei Lersch im Sinne dieser Mahnung dem Sterben des Soldaten noch Sinn abgewonnen wurde und Liliencron noch einen individuellen Tod darstellen kann, führte der 2. Weltkrieg zu einer völlig anderen Erfahrung: dass das Sterben der Soldaten ein sinnloses anonymes Massensterben ist, das den Gedanken an Heldentod nicht mehr aufkommen lässt. Die Schüler/innen sollen neben dieser Intention Bechers auch dessen staunendes Entsetzen über diesen Tod herausarbeiten, das sich in der Kürze der Verse, im Ausruf, in den rhetorischen Fragen und in Anzeichen des Verstummens manifestiert.

Texte: Detlev von Liliencron ‚Tod in Ähren’ (aus ,Wägen und Wirken', Ein deutsches Lese- und Lebensbuch, Dresden 1923);
Heinrich Lersch ,Brüder' a.a.0. ;
Johannes R. Becher ,Deutsche Gräber an der Ostfront' (aus Deutsche Gedichte von 1900 bis zur Gegenwart, Fischer 1195)

Für eine mündliche Abiturprüfung:
Erläutern Sie zunächst das Gedicht von Liliencron einschließlich einer Darstellung der gestalterischen Mittel!
Zeigen Sie dann an den drei Gedichten auf, wie die Autoren das Sterben im Krieg und also die Kriege 1870/71, 1914-18 und 1939-45 in zunehmender Weise als inhuman empfinden!



J. R. Becher

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