Paul Juon (1872-1940)
Trio-Miniaturen
Rêverie: Molto Adagio Humoreske: Allegro ma non troppo Elegie: Andante cantabile Danse phantastique: Quasi Valse lente
1929 heisst es in einer Berliner Zeitung: "Opus 82! So etwas wie Schamröte müsste unsere Ausübenden überfallen beim Anblick dieser Zahl und der gleichzeitigen Frage an sich selbst, was sie denn dazu beigetragen haben, das Schaffen dieses hochbedeutenden Künstlers, eines der feinsten Köpfe, die je auf kammermusikalischem Gebiet schufen, bekannt zu machen und somit zu fördern." Etwas optimistischer schrieb 1926 ein Musikkritiker der ‚Allgemeinen MusikZeitung Berlin‘ in einem Aufsatz über Paul Juon: „Von verschiedensten Seiten wird augenblicklich ein Wendepunkt in der Entwicklung der modernen Musik festgestellt, und zwar ein Abwenden vom reinen Experimentieren und Suchen nach neuen Wegen hin zu gemäßigteren Bahnen, in denen die vielgeschmähte Tonalität an sich nichts mehr Unmögliches und zu Langweiliges darstellt.“
Paul Juons Familie stammte aus Graubünden und war 1830 nach Russland ausgewandert. Der junge Paul studierte am Moskauer Konservatorium, dann von 1894 bis 1896 an der Berliner Musikhochschule, wo er von 1897 bis 1934 zunächst als Hilfslehrer, nach neun Jahren dann als Professor Komposition lehrte.
Die ‚Miniaturen‘ erschienen 1920, gehen aber auf Klavierstücke aus den Jahren 1901 und 1904 zurück.
Die träumerische, ausdrucksstarke Melodie der ersten Miniatur, vom Klavier zunächst allein vorgestellt, von der Viola, dann von der Klarinette aufgegriffen und variiert, gewinnt in zwei Steigerungen an Weite und Kraft und sinkt zum Ausklang zurück in das melancholische Träumen.
In dem oben erwähnten Aufsatz heißt es, dass „auf den ersten Blick eine Bevorzugung kleinerer Formen auffällt, die knapp und prägnant mit größter Sicherheit geschaffen sind.“ So auch das dreiteilige (ABA) Zwei-Minuten-Stück ‚Humoreske‘; es ist „meisterhaft in der Form, gleich fesselnd durch Melodik, Rhythmik und Harmonik“. Deutlich wird auch der Einfluss der russischen Volksmusik, vor allem im Tanz des Mittelteils.
Russisches, hier in der Gestalt russischer Schwermut, prägt auch den Gesang der ‚Elegie‘. Sie ist, aufsteigend und abfallend, wie in der Form eines Bogens gebaut.
In der letzten Miniatur, der Danse phantastique, zeigen sich weitere Besonderheiten der Musik Paul Juons: ihre Vorliebe für den Walzer, ihr souveräner Umgang mit dem Rhythmus, der sich durchaus vom vorgegebenen Metrum emanzipieren kann, und ihre farbige Tonsprache. Wie in der ‚Humoreske‘ ist der kurze Tanz dreigeteilt: Die Eckteile mit ihrem melancholischen Walzer umrahmen einen durch seine Anklänge an Klezmer-Musik ekstatischen Mittelteil.
September 2020
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