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Peter Iljitsch Tschaikowsky
(1840 - 1893)

Streichquartett Nr. 2 F-Dur op. 22 (1874)

Adagio - Moderato assai, quasi andantino
Scherzo: Allegro giusto
Andante ma non tanto
Finale: Allegro con moto

Schon die langsame Einleitung des Ersten Satzes ist etwas Besonderes: Eine Dissonanz zu Beginn erzeugt eine Spannung, die durch Chromatik und Polyphonie erhalten bleibt; zwei Mal bringt eine Kadenz der Ersten Violine ein wenig Entspannung.
Das Hauptthema



Streichquartett Nr. 2 Satz 1 Hauptthema



steigert sich bei seiner Wiederholung zu fast orchestraler Klangfülle, die charakteristisch ist für das gesamte Quartett. Das zweite Thema



Streichquartett Nr. 2 Satz 1 Seitenthema 1



wird eingeleitet und begleitet von einem Synkopen-Motiv der Zweiten Violine.
Ein drittes Thema, nicht mehr verhalten klagend wie die beiden ersten, sondern ein wenig munter-bewegt,



Streichquartett Nr. 2 Satz 1 Seitenthema 2



wird orchestral gesteigert bis zu einem solistischen Einsatz der Ersten Violine, der zum zweiten Teil des Satzes überleitet; dieser fügt traditionell Themen und Motive des ersten Teils neu zusammen. Hier wechseln ein kurzes Motiv des Hauptthemas und das dritte Thema, dessen angedeutete Polyphonie besonders reizvoll ist, einander ab. Im dritten Teil wird der erste, zunächst wenig verändert, wieder aufgegriffen, beim dritten Thema aber erhält der orchestrale Teil noch mehr Fülle und Wucht – ‚con fuoco’ (feurig) heißt es auf dem Höhepunkt. Der vom Ende des ersten Teils bekannte solistische Einsatz der Ersten Violine führt zur ausgedehnten Coda, die zunächst den Beginn des zweiten Teils übernimmt, dann die Erinnerung an das Hauptthema noch verstärkt und schließlich den Satz in friedvoller Ruhe beendet.

Auch das Scherzo hat sein Besonderes: Scherzo-Munterkeit sucht man vergeblich. Sonderbare harmonische Fügungen, Raffinesse in der Satztechnik und chromatische Einsprengsel lassen die Musik unfreundlich, teilweise sogar aggressiv klingen, was in der Coda besonders deutlich wird. Zu diesem Eindruck trägt auch die metrische Unregelmäßigkeit in den Ecksätzen (Aufbau: A B A) bei: „Jeweils drei Takte bilden eine Phrase, wobei immer auf zwei 6/8-Takte ein 9/8-Takt folgt, was den Effekt einer stockenden Dehnung mit sich bringt.“ (Reclam)



Streichquartett Nr. 2 Satz 2



Und auch im Walzer des Mittelteils (B) findet sich keine Freundlichkeit, immerhin ein wenig Eleganz (‚grazioso‘), aber auch viel Melancholie, die bei der Wiederholung des Walzers gegen Ende durch eine chromatische Begleitung in der Zweiten Violine noch verstärkt wird.

Das Hauptthema des großartigen Andante ist eine schmerzhafte Klage in f-Moll:



Streichquartett Nr. 2 Satz 3 Hauptthema



Sie wird vom Cello wiederholt und erhält von einer längeren Passage, die durch ein Motiv punktierter absteigender Quart- bzw. Quintsprünge charakterisiert ist, eine Antwort, in deren Traurigkeit ein wenig Trost mitklingt:



Streichquartett Nr. 2 Satz 3 Thema



Aufgebaut ist das Andante wie das Scherzo (ABA). Nach einem Wiederaufgreifen des expressiven Hauptthemas wird zu einem Mittelteil übergeleitet, dessen charakteristisches Motiv die aufsteigende, mit dem „intensitätssteigernden Mittel der Synkope“ (s. o.) gestaltete Tonleiter ist:



Streichquartett Nr. 2 Satz 3 Thema des Mittelteils



Dieses Thema wird im Wechsel der Instrumente mehrfach wiederholt und die Intensität wird gesteigert bis hin zu einem dreifachen Forte.Die variierte Wiederholung des Rahmenteils bringt neue, wunderschöne Nuancen, am eindringlichsten vielleicht, wenn gegen Ende das punktierte Quart- bzw. Quintmotiv von einem Orgelpunkt begleitet wird. Das aufsteigende Motiv kommt noch einmal ‚zu Wort‘, bis der Satz schließlich mit dem dreimaligen Quart-Quint-Motiv im Pianissimo endet.

Nur noch ein Hauch von Melancholie liegt über der Fröhlichkeit des Finales. Ein Forte-Unisono aller Streicher deutet einleitend das Hauptthema (A) an; im Piano wird es dann in seiner eigentlichen Gestalt - mit ihrem alles beherrschenden Rhythmus aus einem Achtel und zwei Sechzehntel - im imitatorischen Nacheinander von Erster Violine und Viola vorgestellt:



Streichquartett Nr. 2 Satz 4 1



Sehr schön klingt über einer straffen Staccato-Begleitung mit dem Achtel-Sechzehntel-Rhythmus ein ruhiges, weitgespanntes Zwischenthema (B):



Streichquartett Nr. 2 Satz 4 2



Gesteigert wird es durch die folgende Oktavierung in 1. und 2. Violine.
Das Hauptthema wird wiederholt und es folgt ein zweites Zwischenthema (C), ein dicht gefügtes Spiel mit einem Vier-Sechzehntel-Motiv. Ein zweites Mal wird das Hauptthema wiederholt und das ruhige Zwischenthema ebenso. Die dritte Wiederholung des Hauptthemas geschieht in der Form einer sorgfältig gearbeiteten Fuge, der sogar die Engführung nicht fehlt. Das Ende dieser Fuge wird 15 Takte lang von einem Orgelpunkt unterlegt und mündet fortissimo in die orchestrale Fülle der dritten Wiederholung des ruhigen Zwischenthemas und seiner unruhigen Begleitung. Eine Stretta führt das Hauptthema, das in allen vier Stimmen kurz angedeutet wird, rasant zu einem jubelnden Ende. Der Aufbau A B A C A B A B A legt nahe, von einem Rondo zu sprechen. Doch da sich auch die Zwischenthemen wiederholen, spielt auch der klassische Sonatensatz mit hinein. Man spricht hier von Sonatensatz-Rondo.

März 2021



Kammermusik / Streichquartett Nr. 3 es-Moll op. 30

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