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Robert Schumann
(1810-1856)

Eichendorff-Liederkreis op. 39

In der Fremde
Aus der Heimat hinter den Blitzen rot
Da kommen die Wolken her,
Aber Vater und Mutter sind lange tot,
Es kennt mich dort keiner mehr.
Wie bald, wie bald kommt die stille Zeit,
Da ruhe ich auch, und über mir
Rauschet die schöne Waldeinsamkeit
Und keiner mehr kennt mich auch hier.

Intermezzo
Dein Bildnis wunderselig
Hab ich im Herzensgrund,
Das sieht so frisch und fröhlich
Mich an zu jeder Stund'.
Mein Herz still in sich singet
Ein altes schönes Lied,
Das in die Luft sich schwinget
Und zu dir eilig zieht.

Waldgespräch
»Es ist schon spät, es wird schon kalt,
Was reitst du einsam durch den Wald?
Der Wald ist lang, du bist allein,
Du schöne Braut! Ich führ dich heim!«

»Groß ist der Männer Trug und List,
Vor Schmerz mein Herz gebrochen ist,
Wohl irrt das Waldhorn her und hin,
O flieh! Du weißt nicht, wer ich bin.«

So reich geschmückt ist Roß und Weib,
So wunderschön der junge Leib,
»Jetzt kenn ich dich – Gott steh mir bei!
Du bist die Hexe Lorelei.«

»Du kennst mich wohl – von hohem Stein
Schaut still mein Schloss tief in den Rhein.
Es ist schon spät, es wird schon kalt,
Kommst nimmermehr aus diesem Wald!«

Die Stille (in der von Schumann geänderten Fassung)
Es weiß und rät es doch keiner,
Wie mir so wohl ist, so wohl!
Ach, wüsst es nur Einer, nur Einer,
Kein Mensch es sonst wissen soll!

So still ist's nicht draußen im Schnee,
So stumm und verschwiegen sind
Die Sterne nicht in der Höhe,
Als meine Gedanken sind.

Ich wünscht, ich wäre ein Vöglein
Und zöge über das Meer,
Wohl über das Meer und weiter,
Bis dass ich im Himmel wär!

Es weiß und rät es doch keiner,
Wie mir so wohl ist, so wohl!
Ach, wüsst es nur Einer, nur Einer,
Kein Mensch es sonst wissen soll!

Mondnacht
Es war, als hätt der Himmel
Die Erde still geküsst,
Dass sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müsst.

Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis die Wälder,
So sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.

Schöne Fremde
Es rauschen die Wipfel und schauern,
= Schauer, Schauder verursachen
Als machten zu dieser Stund
Um die halbversunkenen Mauern
Die alten Götter die Rund.

Hier hinter den Myrtenbäumen
In heimlich dämmernder Pracht,
Was sprichst du wirr wie in Träumen
Zu mir, phantastische Nacht?

Es funkeln auf mich alle Sterne
Mit glühendem Liebesblick,
Es redet trunken die Ferne
Wie von künftigem, großem Glück!

Auf einer Burg
Eingeschlafen auf der Lauer
Oben ist der alte Ritter;
Drüber gehen Regenschauer,
Und der Wald rauscht durch das Gitter.

Eingewachsen Bart und Haare,
Und versteinert Brust und Krause,
Sitzt er viele hundert Jahre
Oben in der stillen Klause.

Draußen ist es still und friedlich,
Alle sind ins Tal gezogen,
Waldesvögel einsam singen
In den leeren Fensterbogen.

Eine Hochzeit fährt da unten
Auf dem Rhein im Sonnenscheine,
Musikanten spielen munter,
Und die schöne Braut die weinet.

In der Fremde
Ich hör die Bächlein rauschen
Im Walde her und hin,
Im Walde in dem Rauschen
Ich weiß nicht, wo ich bin.

Die Nachtigallen schlagen
Hier in der Einsamkeit,
Als wollten sie was sagen
Von der alten, schönen Zeit.

Die Mondesschimmer fliegen,
Als säh ich unter mir
Das Schloss im Tale liegen,
Und ist doch so weit von hier!

Als müsste in dem Garten,
Voll Rosen weiß und rot,
Meine Liebste auf mich warten,
Und ist doch lange tot.

Wehmut
Ich kann wohl manchmal singen,
Als ob ich fröhlich sei,
Doch heimlich Tränen dringen,
Da wird das Herz mir frei.

So lassen Nachtigallen,
Spielt draußen Frühlingsluft,
Der Sehnsucht Lied erschallen
Aus ihres Kerkers Gruft.

Da lauschen alle Herzen,
Und alles ist erfreut,
Doch keiner fühlt die Schmerzen,
Im Lied das tiefe Leid.

Zwielicht
Dämmrung will die Flügel spreiten,
Schaurig rühren sich die Bäume,
Wolken ziehn wie schwere Träume -
Was will dieses Graun bedeuten?

Hast ein Reh du lieb vor andern,
Lass es nicht alleine grasen,
Jäger ziehn im Wald und blasen,
Stimmen hin und wieder wandern.

Hast du einen Freund hienieden,
Trau ihm nicht zu dieser Stunde,
Freundlich wohl mit Aug und Munde,
Sinnt er Krieg im tückschen Frieden.

Was heut müde gehet unter,
Hebt sich morgen neugeboren.
Manches bleibt in Nacht verloren -
Hüte dich, bleib wach und munter!

Im Walde
Es zog eine Hochzeit den Berg entlang,
Ich hörte die Vögel schlagen,
Da blitzten viel Reiter, das Waldhorn klang,
Das war ein lustiges Jagen!

Und eh ichs gedacht, war alles verhallt,
Die Nacht bedecket die Runde,
Nur von den Bergen noch rauschet der Wald
Und mich schauert im Herzensgrunde.

Frühlingsnacht
Übern Garten durch die Lüfte
Hört ich Wandervögel ziehn,
Das bedeutet Frühlingsdüfte,
Unten fängts schon an zu blühn.

Jauchzen möcht ich, möchte weinen,
Ist mirs doch, als könnts nicht sein!
Alte Wunder wieder scheinen
Mit dem Mondesglanz herein.

Und der Mond,  die Sterne sagens,
Und in Träumen rauschts der Hain,
Und die Nachtigallen schlagens:
Sie ist Deine, sie ist dein!

Die zwölf Gesänge des Eichendorff-Liederkreises bilden keine einheitliche Handlung; ihre Einheit beruht auf einer Verwandtschaft der Stimmung. Trauer, Sehnsucht und Wehmut, Hoffnung und Glücksgefühl, Gefühl für die Natur und den Zauber der Nacht sind Themen des Zyklus. „Fast durchgehend herrscht ein leiser, verhaltener Ton“ (W. Oehlmann). „Der Farbenreichtum der Modulationen ist unendlich verfeinert.“ (Dahms).

Wer darüber nachdenkt, was das Lied ‚In der Fremde‘, so eindringlich macht, wie Schumann die Empfindung völliger Vereinsamung in seiner Musik gestaltet, mag an das durchgehende Pianissimo denken, an das Besondere der Melodie, deren Töne meist eng nebeneinanderliegen, und an die ungewöhnliche Wahl mancher harmonischer Wendung, vor allem an die bei den Textstellen Vater und Mutter sind lange tot und Da ruhe ich auch.

Zur Einheit des gesamten Zyklus gehört auch der Kontrast: Dem Tieftraurigen von ‚In der Fremde‘ steht in ‚Intermezzo‘ die innige Zärtlichkeit des Liebesgeständnisses entgegen, das durch die Synkopen der Begleitung das Schwebende erhält, eine musikalische Umsetzung der Verse Ein altes schönes Lied,/Das in die Luft sich schwinget/Und zu dir eilig zieht.

Der Innigkeit des Liebesgeständnisses folgt in ‚Waldgespräch‘ eine dramatische Szene im Balladenstil, die von der Gefährdung und der Gefahr der Liebe spricht. Waldhornklang leitet das Lied ein und charakterisiert den Mann, der auf Jagd und Eroberung aus ist. Trug und List des Mannes hat das Herz der Frau gebrochen, die nicht anders mehr kann als tödliche Rache zu nehmen für solche Verletzung. Ihr Ton ist der der Klage eines gebrochenen Herzens, am Ende eines verzweifelten Zorns, der den Mann zugrunderichtet, wie der letzte Takt des ‚Waldhorn‘-Nachspiels andeutet.

Das Lied ‚Die Stille‘ ist Eichendorffs Roman ‚Ahnung und Gegenwart entnommen. Dort hat sich eine junge Frau, Angelina, als Knabe verkleidet, in den Dienst eines Mannes gestellt, den sie leidenschaftlich liebt, der aber ihre Verkleidung nicht durchschaut. Ihr ist zwar wohl in der Gegenwart des Geliebten, aber auch stille Wehmut und heftige Sehnsucht klingen aus Text und Musik, die faszinierend einfach gestaltet ist.

Auch in ‚Mondnacht‘, dem berühmtesten der Lieder, „die Perle der Perlen“ (Th. Mann), gibt es die Sehnsucht nach Erfüllung der Liebe, wie sie im Himmel geschieht. Aber die Sehnsucht in ‚Mondnacht‘ ist nicht heftig, sondern wehmütig, die Empfindung der Vergeblichkeit dieses Wunsches nach Erfüllung intensiver. Dass aber schon das sehnsuchtsvolle Träumen von einer vollkommenen Einheit für sich wertvoll sein kann, bezeugen die Verse und die Musik dieses Lieds.

Der gleiche Traum wird in ‚Schöne Fremde‘ auf die entgegengesetzte Weise dargestellt: Kein wehmütiges Wissen um das Irreale solchen Wünschens, sondern trunkene Begeisterung angesichts eines künftigen, großen Glücks bestimmen Text und Musik. Die Gefährdung eines solchen Träumens wird deutlich im unheimlichen Rauschen der Wipfel, in der Wirrnis der phantastischen Nacht, die in der Unruhe der Klavierbegleitung ihren musikalischen Ausdruck finden.

Auf einer Burg‘ ist das wohl ungewöhnlichste Lied dieses Zyklus. Es klingt bestürzend, wie durch die abwärts fallenden Quinten, durch die Akkorde der schweren halben Noten, zu deren befremdenden Harmonien manches Mal die mehr sprechende als singende Stimme nicht so recht zu passen scheint, das beklemmende Isoliertsein, das unheimliche Versteinertsein des alten Ritters, der weit entfernt ist von Freud und Leid der Menschen, in Musik gesetzt ist.

Das ‚Neunte Lied‘ des Liederkreises hat dieselbe Überschrift und auch dasselbe Thema wie das erste, aber eine andere Gestalt. Das ‚Ich‘ des Lieds verliert sich in der Erinnerung an die alte, schöne Zeit, in der die Liebste im Rosengarten auf ihn wartete. Im letzten Vers dann das Aufwachen: Die Naturschönheit war eine Täuschung und die Liebste ist schon lange tot. Die Ambivalenz von glücklicher Vergangenheit und schmerzlicher Gegenwart verschmilzt in der Musik zu einer Einheit von zarter Melancholie.

Wehmut‘, einer der Höhepunkte des Liederkreises, ist wie in ‚Die Stille‘ ein Gesang Angelinas. Es wird in ihm eine eigenartige Erfahrung angesprochen, dass nämlich der Sehnsucht Lied den Zuhörer erfreut, dass man also tiefes Leid in der Kunst genießen kann. Und eine zweite Erfahrung wird angedeutet, die Goethe so formuliert: Und wenn der Mensch in seiner Qual verstummt,/Gab mir ein Gott zu sagen was (wie) ich leide (Tasso, Marienbader Elegie). W. Oehlmann schreibt zu dieser eigentlich unbeschreiblichen Musik: „Die melodische Schlichtheit des Volksliedes ist auf die Höhe großen romantischen Gesangsstils gehoben“, bei dem vor allem der „verfeinerte Farbenreichtum der Modulationen“ bedeutsam wird.

Die Natur ist nicht immer nur das liebevoll Umfangende, sie kann auch voller Grauen sein, wenn nämlich, wie in dem ebenfalls in ‚Ahnung und Gegenwart‘ zu findenden Lied ‚Zwielicht‘ dargestellt, der Mensch in seiner Bosheit und Tücke den Frieden der Natur zerstört. Diese Vorstellung ist neu im Eichendorff-Zyklus, und so ist auch die musikalische Gestaltung neu und ungewöhnlich. Ungewöhnlich ist die auf und ab irrende Melodie des Beginns, die zur Begleitung wird, wenn der Gesang einsetzt und mit ihr ein polyphones Geflecht von fahler Blässe bildet. Erst in der letzten Strophe, in der ein kleiner Hoffnungsschimmer angedeutet ist, wird die Begleitung akkordisch und die Farbe dadurch weniger fahl. Th. Mann über Eichendorffs Gedicht: „Darüber, in Schumanns genialer Vertonung gar, geht mir im Grunde nichts.“

Zunächst denkt man, alles habe sich zum Guten gewendet, wenn man in der Klavierbegleitung von ‚Im Walde‘ das leichte Wiegen, dann den Waldhornklang hört, von Hochzeit, singenden Vögeln, blitzenden Reitern gesungen wird, von einer schönen Welt, aber einer Welt des schönen Scheins. Denn plötzlich verschwindet dieses Bild und der Mensch steht einsam in der Nacht, im Wald, die ihm nun – Schumann deutet es durch besondere Modulationen an - bedrohlich sind, so dass ihn schauert im Herzensgrunde.

Im letzten Lied sind die Nacht und der Wald wieder das Anheimelnde, das Lebendige, so dass Mond und Sterne, Hain und Nachtigallen freundlich sprechen, ja in strahlendem Aufschwung jubeln können: sie ist dein. Ein Jubel, der ganz persönlich auch den Komponisten betraf. 1840, als Schumann diese Lieder schuf, hatte er den jahrelangen Kampf gegen Friedrich Wieck, der Schumanns Verbindung mit seiner Tochter Clara verbot, gewonnen. Die Liebenden hatten schließlich ihr Recht vor Gericht erstritten und am 12. 9. 1840 ihre Hochzeit gefeiert.



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