Franz Schubert (1797-1828)
Sieben Lieder
Der Schmetterling Frühlingsglaube Geheimnis Blumenbrief Das Mädchen Dass sie hier gewesen Auf dem Wasser zu singen
Hier sind sieben Schubert-Lieder aus den Jahren 1816 bis 1823 für ein Konzert zusammengestellt. Dass die Mehrzahl von ihnen nicht im allgemeinen Bewusstsein verankert, also nicht populär ist, liegt nicht an der Qualität, sondern daran, dass diese Lieder auf besondere Weise exklusiv und subtil sind. Alle aber sind schön und bewundernswert.
Wunderschön ist das 1819 entstandene Lied ‚Der Schmetterling‘ (D 633) in seiner ungemein reizenden Art, in der in Klaviervorspiel, Klavierbegleitung und in der Melodie der Singstimme dem mühelosen Tanzen des Schmetterlings Ausdruck gegeben wird.
Über ‚Frühlingsglaube‘ von 1820 (D 686) schreibt W. Oehlmann, das Gedicht Uhlands habe Schubert „eine seiner beglückendsten Melodien eingegeben“.
Johann Mayrhofer, der Dichter des Lieds ‚Geheimnis. An Schubert‘ aus dem Jahr 1816 (D 491), war ein enger Freund Schuberts. Vieles hat er von seinem Freund verstanden, vieles aber blieb ihm an der Gestalt des 19-jährigen Schubert Geheimnis. Schubert konnte wohl davon abstrahieren, dass er selbst in diesem Gedicht gemeint war und hat ein den Text genau ausdeutendes Lied geschaffen.
Entzückend ist die Idee eines Blumenbriefs; die Rose bringt Grüße der Liebe, die Myrthe verweist auf die Ehe und die Ringelblume, auch Totenblume genannt, darauf, dass der, der die Blumen sendet, ohne seine Liebste sterben wird. Entzückend vor allem in der Vertonung (D 622, 1818): wie in so wenigen Takten, die so schlicht wirken, solch interessante harmonische Wendungen sich finden.
Schubert war ein Geistesverwandter von Friedrich Schlegel, er mochte dessen Mischung von Intellektualität und Leidenschaft, dessen „Raffinement des Sublimen und Abseitigen“. Sublim und abseitig ist jedenfalls die Vorstellung, dass der Mann sich dem Mädchen innig ergibt, um sie darüber zu trösten, „dass er nicht so innig liebt“. Über die Vertonung (D 652, 1819) schreibt W. Oehlmann, dass in ihrer „graziösen Melodik ein romantisch-wehmütiger Ton schwingt“.
Dass Schönheit und Liebe einmal Gegenwart waren (‚Dass sie hier gewesen‘ D 775, 1823), lässt sich erkennen an ihren Folgen: an dem Hauch von Düften und an den Tränen. Wem der Text Rückerts zu verschlüsselt ist, kann sich freuen an der herrlichen, ungewöhnlichen Vertonung: klagende Motive über sich reibenden Vorhaltakkorden wechseln mit einer schlichten, freundlichen Tonfolge („Dass du hier gewesen“). Es ist faszinierend zu hören, wie Schubert das ‚Düfte‘ und ‚Tränen‘ der vorletzten Zeile auszudeuten vermag, faszinierend zu erkennen, wie weit er schon Schumann vorweggenommen hat.
Als letztes, ‚Auf dem Wasser zu singen‘ (D 774, 1823), erklingt noch einmal ein Strophenlied (Die Melodie muss so erfunden sein, dass sie zum Inhalt aller Strophen passt.). W. Oehlmann schreibt zu diesem Lied, die Begleitung sei mit der Gesangsmelodie „verwachsen; sie umspielt die Singstimme, verbindet sich mit ihr in Terzparallelen, sie malt den ‚Schimmer der spiegelnden Wellen‘, auf denen der Kahn dahingleitet wie das menschliche Leben“ auf der ‚Freude des Himmels‘ und der entschwindenden Zeit.
F. Schubert: (1797-1828)
Ganymed D 544 Kennst du das Land D 321 Nur wer die Sehnsucht kennt D 877,4 op. 62,4 Der Zwerg D 771
Schuberts ‚Ganymed‘ aus dem Jahr 1817 beginnt schlicht, wechselt ins Schwärmerische und steigert sich zu ekstatischem Aufschwung des Ganymed: „Aufwärts an deinen Busen, all-liebender Vater.“ Es findet sich auch eine Nachahmung des Nachtigall-Gesangs.
Die beiden nächsten Lieder (Kennst du das Land, 1815; Nur wer die Sehnsucht kennt, 1826) singen von der Sehnsucht Mignons, der kindhaften Gestalt aus Goethes ‚Wilhelm Meisters Lehrjahre‘. Im ersten Lied gibt es noch Hoffnung auf Erfüllung der Sehnsucht, das zweite endet mit hoffnungsloser Trauer.
Die Vertonung der Ballade ‚Der Zwerg‘ (1823) ist der berühmten Ballade vom ‚Erlkönig‘ ebenbürtig; es ist eine erotische Tragödie voll unheimlich-fahler Trübnis. Ein Zwerg tötet, getrieben von eifersüchtiger Liebe, seine Königin, die selbst todessüchtig ist, und versenkt sie ins Meer. Der Zwerg hasst sich für seine Tat und stirbt voll brennenden Verlangens.
Texte zu Sieben Lieder
Der Schmetterling (D 633) (Friedrich Schlegel, 1772-1829)
Wie soll ich nicht tanzen, es macht keine Mühe, und reizende Farben schimmern hier im Grünen. Immer schöner glänzen meine bunten Flügel, immer süßer hauchen alle kleinen Blüten. Ich nasche die Blüten, ihr könnt sie nicht hüten.
Wie groß ist die Freude, sei´s spät oder frühe, leichtsinnig zu schweben über Tal und Hügel. Wenn der Abend säuselt, seht ihr Wolken glühen; wenn die Lüfte golden, scheint die Wiese grüner. Ich nasche die Blüten, ihr könnt sie nicht hüten.
Frühlingsglaube (D 686) (Ludwig Uhland, 1787-1862)
Die linden Lüfte sind erwacht, sie säuseln und wehen Tag und Nacht, sie schaffen an allen Enden. O frischer Duft, o neuer Klang! Nun armes Herze, sei nicht bang! Nun muß sich alles, alles wenden.
Die Welt wird schöner mit jedem Tag, man weiß nicht, was noch werden mag, das Blühen will nicht enden; es blüht das fernste, tiefste Tal, nun armes Herz vergaß der Qual! Nun muß sich alles, alles wenden.
Geheimnis. An Schubert (D 491) (Johann Mayrhofer, 1787-1836)
Sag an, wer lehrt dich Lieder, so schmeichelnd und so zart? Sie zaubern einen Himmel aus trüber Gegenwart. Erst lag das Land verschleiert, im Nebel vor uns da, du singst, und Sonnen leuchten, und Frühling ist uns nah. Den schilfbekränzten Alten, der seine Urne giesst, erblickst du nicht, nur Wasser, wie´s durch die Wiesen fliesst. So geht es auch dem Sänger, er singt, er staunt in sich; was still ein Gott bereitet, befremdet ihn wie dich.
Der Blumenbrief (D 622) (Aloys Schreiber, 1761-1841)
Euch Blümlein will ich senden zur schönen Jungfrau dort, fleht sie mein Leid zu enden mit einem guten Wort. Du Rose, kannst, ihr sagen, wie ich in Lieb erglüh´, wie ich um sie muss klagen und weinen spät und früh.
Du Myrthe, flüstre leise ihr meine Hoffnung zu, sag`: auf des Lebens Reise glänzt ihm kein Stern als du. Du Ringelblume deute ihr der Verzweiflung Schmerz; sag ihr: des Grabes Beute wird ohne dich sein Herz.Das Mädchen (D 652) ( Friedrich Schlegel)
Wie so innig, möchte ich sagen, sich der Meine mir ergibt, um zu lindern meine Klagen, dass er nicht so innig liebt. Will ich´s sagen, so entschwebt es ; wären Töne mir geliehen, flöss` es hin in Harmonien, denn in jenen Tönen lebt es; nur die Nachtigall kann sagen, wie er innig sich mir gibt, um zu lindern meine Klagen, dass er nicht so innig liebt.
Dass sie hier gewesen (D 775) (Friedrich Rückert, 1788-1866)
Dass der Ostwind Düfte hauchet in die Lüfte, dadurch tut er kund dass du hier gewesen. Dass hier Tränen rinnen, dadurch wirst du innen, wär´s dir sonst nicht kund, dass sie hier gewesen. Schönheit oder Liebe, ob versteckt sie bliebe? Düfte tun es und Tränen kund, dass sie hier gewesen.
Auf dem Wasser zu singen (D 774) (Friedrich Leopold Graf zu Stolberg, 1750-1819)
Mitten im Schimmer der spiegelnden Wellen gleitet wie Schwäne der wankende Kahn; ach, auf der Freude sanft schimmernden Wellen gleitet die Seele dahin wie der Kahn, denn von dem Himmel herab auf die Wellen tanzet das Abendrot rund um den Kahn.
Über den Wipfeln des westlichen Haines winket uns freundlich der rötliche Schein; unter den Zweigen des östlichen Haines säuselt der Kalmus im rötlichen Schein, Freude des Himmels und Ruhe des Haines atmet die Seel im errötenden Schein.
Ach es entschwindet mit tauigem Flügel mir auf den wiegenden Wellen die Zeit. Morgen entschwinde mit schimmerndem Flügel wieder wie gestern und heute die Zeit, bis ich auf höherem strahlenden Flügel selber entschwinde der wechselnden Zeit.
Januar 2021
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