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Franz Schubert
(1797-1828)

Liederzyklus ‚Die schöne Müllerin‘ für Singstimme und Klavier, D 795
nach Gedichten von Wilhelm Müller

1. Das Wandern
2. Wohin?
3. Halt!
4. Danksagung an den Bach
5. Am Feierabend
6. Der Neugierige
7. Ungeduld
8. Morgengruß
9. Des Müllers Blumen
10.Tränenregen
11. Mein!
12. Pause
13. Mit dem grünen Lautenbande
14. Der Jäger
15. Eifersucht und Stolz
16. Die liebe Farbe
17. Die böse Farbe
18. Trockne Blumen
19. Der Müller und der Bach
20. Des Baches Wiegenlied

Im Vorwort zu der Gedichtsammlung, der Schubert seine Texte zu dem Liederzyklus ‚Die schöne Müllerin‘ entnahm, schreibt ihr Verfasser Wilhelm Müller, er sei kein Musiker, und bedauert dies: „Wenn ich die Weisen von mir geben könnte, so würden meine Lieder besser gefallen als jetzt. Aber getrost, es kann sich ja eine gleichgesinnte Seele finden, die die Weise aus den Worten heraushorcht und sie mir zurückgibt.“ Schubert hat die Musik aus den Worten herausgehorcht und weit, weit besser zurückgegeben; denn was bei Müller „leicht angekränkelt“ klingt (F. Hug; „kunstlos zugestutzt“ nennt Müller sie selbst – manche sind aber auch sehr fein), das wird bei Schubert zu wunderbarer Musik, einer schlimmen Krankheit abgetrotzt.

Der Zyklus entstand 1823, fünf Jahre vor Schuberts Tod, und steht am Beginn seines großartigen ‚Spätwerks’. Das Verdienst Wilhelm Müllers, der auch die Gedichte der ‚Winterreise‘ geschaffen hat, ist nicht hoch genug einzuschätzen, denn sie waren wie gemacht für die Inspiration des Komponisten. Eine Anekdote kann dies verdeutlichen: Schubert wollte einen Freund besuchen; kaum war er bei diesem angekommen, musste der Freund für kurze Zeit das Haus verlassen. Schubert fand auf dessen Schreibtisch die Gedichte Müllers, steckte das Bändchen ein und ging nach Hause, ohne die Rückkehr des Freundes abzuwarten. Vielleicht hatte ihn der Titel gereizt (Sieben und siebzig Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten, Erstes Bändchen, 1821), vielleicht hatte er auch in den Texten geblättert. Als der Freund am anderen Morgen sein Buch zurückholte, gab ihm Schubert als Entschuldigung die ersten drei Vertonungen der Müller-Lieder, die er in der Nacht geschrieben hatte.

Wilhelm Müller hat in 25 Gedichten eine Geschichte über eine unglückliche Liebe erzählt. Schubert hat aus 20 dieser Gedichte einen Zyklus gebildet, „eine Einheit aus einer Vielheit von Einzelgeschehnissen“ (F. Hug), wie vier Jahre später auch bei der ‚Winterreise‘. Das war innerhalb des Liedschaffens neu und großes Vorbild für weitere Liederzyklen.

Im Unterschied zu der ironisch-distanzierten Verwendung des Volksliedhaften bei Wilhelm Müller ist bei Schubert der Ton seiner Musik ohne Brechung, ja auf fast naive Weise volksliednah – von daher sind 8 der Lieder auch Strophenlieder (Jede Strophe hat dieselbe Melodie und Begleitung.).

Schon das erste Lied des Zyklus‘, das Lied vom Wandern ist ein Strophenlied. Die linke Hand bei der Begleitung durch das Klavier malt die Wanderschritte, die rechte das rastlos plätschernde Bächlein.

Ähnlich ist die Begleitung auch in Wohin?. Das Bächlein führt, verführt den Wandernden, ihm dorthin zu folgen, wo er unglücklich enden wird. Die Parallele von Gesangs- und Bass-Stimme des Klaviers und die Wendung nach Moll („Du hast mit deinem Rauschen“) deuten verhalten das tragische Ende an. Noch aber kann sich der Müllergeselle Mut zusprechen.

Diese Ambivalenz zwischen munterer Ahnungslosigkeit und ahnungsvoller Andeutung des Unheils („Und das Haus, wie so traulich!“) bestimmt auch das dritte Lied (Halt!). Die Bassfiguren des Klaviers malen nicht nur das sich drehende Mühlrad, sondern bilden auch den düsteren Untergrund für die Frage des Müllergesellen „War es also gemeint?“.

Mit dieser Frage beginnt auch das nächste Lied (Danksagung an den Bach), und dieses Mal stört kein Unterton die dankbare Freude des Gesellen - er ist ja der schönen Müllerin begegnet.

Doch das Wohlgefühl ist nicht von Dauer; der Geselle steigert sich in ein Kraftgefühl (Am Feierabend), aber er weiß betrübt: er ist nicht der Tausendsassa, der er sein möchte, um Eindruck auf das „liebe Mädchen“ machen zu können. Das Mädchen sagt allen in gleicher Weise, nicht ihm besonders „eine gute Nacht“.

Dieses Mädchen ist seine ganze Welt, und darum muss er wissen, ob sie ihn liebt oder nicht. Aber das befragte Bächlein gibt dem Tieftraurigen (Der Neugierige) keine Antwort. „Die Wellenfigur der Begleitung versinkt am Ende murmelnd in die Tiefe.“ (W. Oehlmann) – dieses Lied ist einer der musikalischen Höhepunkte des Zyklus‘.

„Eines der populärsten Schubertlieder“ (s.o.) ist Ungeduld. Wie befreit und voll stürmischer Leidenschaft jubelt der Müllergesell: „Dein ist mein Herz“ – die Schöne muss ihm wohl Hoffnung gemacht haben. Jede Strophe zeugt von gleichbleibender heller Stimmung, kein Vers verweist auf Dunkles, so dass der Komponist für jede Strophe eine gleichbleibende Melodie (Strophenlied) wählen kann und nicht neue Wendungen aufgreifen muss.

Auch in Morgengruß bleibt die Stimmung in den vier Strophen die gleiche; aber nicht stürmische Leidenschaft spricht sich aus, sondern scheu verhaltene Herzlichkeit und tiefe Bekümmernis.

Des Müllers Blumen sind die Vergiss-mein-nicht, die vom Müllergesellen um Beistand gebeten werden. W. Oehlmann nennt das Lied „eine reizende Idylle …von einem leichten Schimmer romantischer Schwermut überzogen“.

Zwielichtig in mehrfacher Hinsicht ist das zehnte Lied, Tränenregen; die Melodie wirkt schlicht, die Begleitung ist satztechnisch komplex (z. B. Ansätze von Polyphonie) wie auch der Inhalt des Lieds: Es ist nicht die Wirklichkeit, die der Geselle sieht, sondern ihr Spiegelbild im Wasser; dort nur nickt das Mädchen ihm zu, dort nur sieht er den Himmel, der ihn hinab auf den Grund ziehen will. Über dem versunkenen Himmel ruft der Bach in die Wirklichkeit zurück, und der Liebende weint, aus dem Träumen erwachend. Und vollends desillusionierend ist der Müllerin nüchternes „Es kommt ein Regen,/Ade, ich geh nach Haus“. Die Stimmung ist umgeschlagen und diese letzte der sieben Strophen (Bei den ersten sechs hat Schubert je zwei zusammengefasst.) bekommt ihr eigenes Gewand, ein trübes Moll mit harmonischen Spannungen.

Der Wechsel der Stimmungen ist erstaunlich: nun, in Mein!, uneingeschränkter Jubel. Nach dem „Ade, ich geh nach Haus“ könnte man das „Die geliebte Müllerin ist mein“ als Selbstbetrug verstehen: Sein Jubel findet kein Echo, der Geselle bleibt „unverstanden“ – so heißt es im eingetrübten Mittelteil des Lieds.

Der Müllergesell ist auch ein Sänger, der in Pause über die Kunst reflektiert, die auf „ausgedrechselte“ (W. Müller) Weise dem Schmerz der Sehnsucht, nicht aber dem höchsten Glück Ausdruck geben kann. Darum kann er nicht mehr singen. Seine Laute muss ruhen. Gegen Ende „tauchen trübe Ahnungen auf, die in den Modulationen und in der stockenden Begleitung ergreifende Töne finden“ (F. Hug). Der Gesell fragt sich: Ist der Klang, erzeugt von dem Bande, das die Laute streift, „der Nachklang meiner Liebespein?/Soll es das Vorspiel neuer Lieder sein?“.

In den drei musikalisch identischen Strophen von Mit dem grünen Lautenbande - die schlichte Gesangsstimme wird meist durch die Oberstimme des Klaviers verdoppelt - bezeichnet sich der Geselle selbst als den Liebsten seiner Schönen. Wenn die schöne Müllerin sich von ihm das grüne Lautenband erwünscht – „Ich hab das Grün so gern!“ - und sie es in den Locken trägt: „Dann weiß ich, wo die Hoffnung wohnt,/Dann weiß ich, wo die Liebe thront,“ so der naive Gesell.

Der nun erwacht aus seiner Naivität und muss erregt feststellen, dass er einen Rivalen hat, einen Jäger, der in seine Sphäre eindringt. Auch hier laufen zumeist die an die Töne eines Jagdhorns erinnernde Gesangsstimme und die Klavier-Oberstimme parallel.

Die schöne Illusion zerbricht; mit Eifersucht und Stolz reagiert der Müllergesell auf die Enttäuschung. Er bekennt es dem Bach, dessen Plätschern und Rauschen wieder von der Klavierbegleitung gemalt wird. Die schöne Müllerin aber soll von seinem Leid nichts wissen. Hatte sie dem Müllergesell das grüne Band abgeschwatzt, weil Grün die Farbe des Jägers ist?

Wenn der Gesell das Grün jetzt als die Die liebe Farbe anspricht, so ist dies selbstquälerische Verzweiflung, die nahe am Wahnsinn ist, wie das bohrend sich wiederholende ‚fis‘ des Klaviers ahnen lässt - ein höchst eindringliches, ja erschütterndes Stück Musik.

Gleichsam Ausdruck eines Wahnsinnigen – klinisch ausgedrückt eines Manisch-Depressiven - ist das Lied Die böse Farbe, zerrissen von ständigem Wechsel zwischen Aufschwung und tiefer Traurigkeit. Auch hier wieder der sich ständig wiederholende gleiche Ton, faszinierend, wenn er sich mit den Jagdhornklängen mischt, faszinierend auch der wie ein Aufschluchzen klingende Halbtonschritt bei ‚totenbleich‘, ‚Ade‘ und ‚Hand‘.

Eines der besonders schönen Lieder des Zyklus‘ ist Trockne Blumen, nach der Exaltiertheit der vorigen Lieder kindlich-natürlich. Auch hier ist die Traurigkeit das Bestimmende, ein Aufschwung nur gegen Ende, wenn der Müllergesell sich vorstellt, die Müllerin gehe an seinem Grab vorbei „Und denkt im Herzen:/Der meint' es treu!“ Doch das Nachspiel führt zur Trostlosigkeit zurück.

Der Mond verbirgt sich, damit man ihn nicht weinen sieht, die Englein halten die Augen sich zu, damit sie nicht sehen müssen, wie „ein treues Herze/In Liebe vergeht“ – ergreifende Bilder für ergreifende Musik im vorletzten der Lieder über den armen Müllergesellen (Der Müller und der Bach). Dessen Gedanken werden hier zu Wort und Musik, und der Bach will trösten: Der Schmerz hat auch sein Gutes. Der Gesell antwortet: Nur das Grab tut gut. Die Musik des Nachspiels hat etwas Tröstliches.

„Ruhe sanfte, sanfte ruh“ - den Schlusschor der Matthäus-Passion möchte man zum Vergleich heranziehen, wenn man den Unterschied in den Dimensionen außer Acht lässt. Das Schlusslied Des Baches Wiegenlied ist „eine Todesmusik von geheimnisvoller, unwiderstehlich bannender Schönheit, die alle Nixen- und Dämonenklänge der Romantik an schlichter Wirkungsgewalt überbietet; … verklärender und doch todtrauriger Ausklang“. Hinzuweisen ist auf „die magisch beruhigende Wirkung der fünfmaligen Wiederholung“, die sich bei einem Strophenlied von fünf Strophen ergibt, auf die „starre Ruhe der liegenden Oberstimme des Klaviersatzes“ (Grabesruhe?), auf den „Schubertschen Todesrhythmus in vollen, feierlichen Akkorden“ (W. Oehlmann). Dieser Trauermarsch-Rhythmus, wie er sich auch im Lied ‚Der Tod und das Mädchen‘, im Lied ‚Der Wanderer‘ und in anderen Werken findet, wird von Schubert gerne als Symbol des Wanderers verwendet: Das Leben als Wandern zum Tode hin.

August 2016



Bearbeitungen von Theobald Böhm / Winterreise

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