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Dimitrij Schostakowitsch (1906-1975)
Streichquartett Nr. 7 fis-Moll op. 108
Allegretto Lento Allegro – Allegretto
Schostakowitsch wandte sich relativ spät dem Streichquartett zu; das erste seiner 15 Quartette (op. 49) entstand nach der fünften seiner 15 Sinfonien, der er den Untertitel gab: ‘Praktische Antwort eines sowjetischen Künstlers auf berechtigte Kritik’; gemeint war die für Schostakowitsch lebensgefährliche Kritik durch Stalin. Nach dieser öffentlichen Auseinandersetzung zog sich Schostakowitsch in eine innere Emigration zurück; und das Streichquartett, das mit seiner privaten Kammermusiksphäre für die Aufführung die große Öffentlichkeit nicht unbedingt brauchte, wurde eine Art Gegenwelt zur Öffentlichkeit der Sowjetkultur und deren Kunstverständnis; es wurde zum intimen Ausdruck von Schostakowitschs innerstem Denken und Fühlen. So ist in Schostakowitschs Streichquartetten sein Eigenstes und Eigentliches zu finden. Dieses Eigene ist vor allem das Leiden an seiner Zeit, das zum Optimismus der offiziellen Kulturdoktrin im Widerspruch stand.
Sein siebtes Quartett aus dem Jahre 1960 ist seiner sechs Jahre zuvor verstorbenen ersten Frau Nina Wassiljewna gewidmet. Es zeichnet sich aus durch eine radikale Reduzierung auf das Wesentliche, so dass es ‚nur’ etwa 12/13 Minuten dauert. Auch sollen die drei Sätze nicht durch längere Pausen getrennt werden - so fordert es die Anweisung ‚attacca’.
Das erste Thema des Allegretto wird aus fallenden Dreiergruppen gebildet, die von drei Achteln auf derselben Tonhöhe abgeschlossen werden:
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Dieses Thema hat den Anschein spielerischer Leichtigkeit, lässt aber bei der sich anschließen akkordischen Weiterentwicklung der drei Achtel nicht über eine leicht bedrückende melancholische Stimmung hinweghören, zumal wenn zu dem Thema ein Drei-Ton-Motiv der Bratsche hinzukommt. Ein zweites Thema, vom Cello intoniert und von Sechzehntel der 2. Violine und Bratsche begleitet, ist durch Auftakte in Sekund- oder Terzschritten charakterisiert. Wenn die 1. Violine es übernimmt,
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fällt mit deren Steigung für kurze Zeit das Bedrückende ab. Nach einigen expressiven akkordischen Takten in der Mitte des Satzes werden die beiden Themen in veränderter Form wieder aufgegriffen. Dem ersten Thema, nun pizzicato gespielt, wird die rhythmische Besonderheit (zwei Sechzehntel, ein Achtel - Anapäst) genommen und es wird mit einem klanglich neuen Akzent versehen (Kombination von Pizzicato und gestrichenem Ton). Das zweite Thema wird nur leicht verändert. Als Coda erscheint das Drei-Achtel-Motiv des Beginns, das in freundlichem Fis-Dur verklingt.
Über Wellenbewegungen der 2. Violine entwickelt sich im durchgehend con sordino (mit dem Dämpfer) gespielten Lento eine melancholische Melodie, zunächst in der 1. Violine, dann wird sie weitergeführt vom Cello und schließlich von der Bratsche. Der zweite Teil des ‚Lento’ ist mit seinen punktierten Achteln in der 2.Violine und der von Cello und Bratsche unisono gespielten ergreifenden Melodie ein eindringlicher Trauermarsch – vielleicht dem Gedenken an die Widmungsträgerin geschuldet. Die Coda erinnert an die Melancholie des Beginns.
Auch der Dritte Satz beginnt con sordino und mit einem stark akzentuierten Fortissimo im anapästischen Rhythmus, also in Dreiergruppen, die im Unterschied zum Ersten Satz nun aufwärtssteigen. Unterbrochen werden diese Phrasen von vier Klage-Tönen der Bratsche. Die Aggressivität dieser präludierenden Takte wird gesteigert in der folgenden furiosen Fuge. Verzweifelt, erschreckend aggressiv, voller Dissonanzen und Synkopen, steigert sie sich von Takt zu Takt und schließt mit den drei Achteln, die den Schluss des ersten Themas im Ersten Satz bilden. Sie leiten über zum ‚Allegretto’, das der wilden Verzweiflung mit fast tänzerischer Leichtigkeit eine melancholische Heiterkeit entgegensetzt. Unterbrochen ist diese Heiterkeit von dem Drei-Achtel-Motiv, mit dem auch die Coda gebildet wird und mit dem dieser Satz wie der Erste in versöhnlichem Dur endet.
Dezember 2020
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Klaviertrio Nr. 1 op. 8 / Streichquartett Nr. 8 c-Moll op. 110
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