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Ankündigung Ein spätromantisches Werk voller Wohlklang ist dieses berühmte op. 4 aus dem Jahr 1899; Schönbergs Abkehr von der Tonalität erfolgte erst 10 Jahre später.
Arnold Schönberg(1874 -.1951)
Streichsextett „Verklärte Nacht“ op. 4 Von schweren Sorgen um seine materielle Existenz bedrückt (Er verdiente seinen Lebensunterhalt als Dirigent von Männergesangsvereinen und mit der Instrumentierung von Operettenentwürfen.), aber voller Lebenskraft und Optimismus, schrieb Schönberg im Sommer 1899 das Streichsextett ,Verklärte Nacht’ nach einem Gedicht von Richard Dehmel (aus dem 1896 erschienenen Gedichtband ‚Weib und Welt’). Zemlinsky darüber: „Soviel ich weiß, war es die erste Programm-Musik für Kammermusik.“ Es ist also eine ‚Tondichtung‘ in der Nachfolge von Liszt und Richard Strauss. Andere Vorbilder für diese spätromantische Musik sind Wagner, was die Harmonien angeht, und die Technik der Variation, die Schönberg an Brahms schätzte. Die vielstimmige Besetzung bedeutet eine Erweiterung des Klangvolumens; das Sextett gewinnt orchestralen Klang, vor allem durch das intensiv eingesetzte Tremolo. Das nahezu dreißig Minuten lange Werk folgt ohne Pauseneinschnitte dem Text Dehmels. Deutlich erkennbar sind zwei Teile: ein erster mit vielen Molleintrübungen und ein zweiter in Dur. Den Text Dehmels hier in Gänze vorzulegen, ist nicht sinnvoll; er würde in seiner Schwülstigkeit die Freude an der grandiosen Musik Schönbergs sicherlich schmälern. Zudem schreibt Dehmel selbst an Schönberg, nachdem er das Werk gehört hatte: „Ich hatte mir vorgenommen, die Motive meines Textes in Ihrer Komposition zu verfolgen; aber ich vergaß das bald, so wurde ich von der Musik bezaubert.“ Der erste Teil beginnt und endet mit einem ‚Sehr langsam‘ zu spielenden abwärtsfallenden Motiv, das eine fahle, unheimliche Stimmung erzeugt - ein Mann und eine Frau gehen in einer mondklaren Nacht „durch kahlen, kalten Hain“:
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Grund dieser Stimmung: Die Frau beichtet dem Mann (2. Strophe), sie habe Mutterglück erfahren wollen - freundliche Töne innerhalb klagender, verzweifelter Passagen deuten auf dieses erhoffte Glück - und sie habe von einem ihr fremden Mann ein Kind empfangen. Sie bereut dies sehr, um so mehr, da sie nun dem Mann begegnet ist, den sie liebt. Die weiteren Motive sind miteinander verwandt und einige werden, abgewandelt, wiederholt; hier in der Reihenfolge ihres ersten Erscheinens:
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In der dritten Strophe heißt es bei Dehmel: Die Verzweifelte „geht mit ungelenkem Schritt“, ein Vers, dessen Umsetzung in Musik unschwer zu erkennen ist (Die Zweite Violine intoniert das Eingangsmotiv.):
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Eine sich wiederholende kurze Kadenz-Figur der Ersten Geige leitet in der Mitte des Werks zur ‚Verklärung‘ über: Der Mann will das Kind als seines annehmen. Sein liebendes Verständnis wird verdeutlicht durch ergreifende choralartigeKlänge. Ihnen folgt das zweite Motiv des düsteren Teils in freundlich-aufgehellter Form. Wie im ersten Teil werden einzelne Motive aneinandergeknüpft, wechselnd zwischen Innigkeit und leidenschaftlicher Begeisterung – hier wird Schönbergs Beziehung zu Zemlinskys Schwester Mathilde gespiegelt (1901 heiratet Schönberg sie). ‚Glanz‘ und ‚flimmernde Wärme‘, Herzensadel und Beglückung werden in unterschiedlicher Weise dargestellt. Mit immer neuen Einfällen überrascht Schönberg, besonders durch die Art, wie er nach dem Choral und dem aufgehellten zweiten Motiv mit den sechs Streichinstrumenten die ‚flimmernde Wärme‘ in Musik umsetzt. Neben Aufwendigstem und Raffiniertestem steht gegen Ende die schlichte Schönheit etwa des folgenden Motivs, dessen Verarbeitung an zarte Stellen in Wagners ‚Meistersinger‘ erinnert:
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oder die Innigkeit der darauf folgenden Melodie, die von dem düsteren Eingangsmotiv abgeleitet ist:
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Noch einmal wird mit dem Eingangsmotiv an den vergangenen Schmerz erinnert, bevor mit dem Klangzauber der ‚flimmernden Wärme‘ das Sextett endet.
Nov. 2015
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Kammermusik
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