F. Chopin (1810 - 1849)
Ballade Nr. 1 g-Moll op. 23
Largo – Moderato – Presto con fuoco
Bedeutungsvoll eingeleitet wird das geniale Frühwerk Chopins, entstanden zwischen 1831 und 1835, von einem fünf Takte langen aufwärtssteigenden Unisono in der Art eines Rezitativs. Es folgt als Erstes Thema eine wunderschöne, ruhig-melancholische Melodie von großer Zartheit:
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Sie mündet in eine leichte Kadenz, dann – mit einer Abwandlung des Themas sich immer mehr steigernd – in ein dramatisches Spiel virtuoser Passagen. Diese Passagen enden in leeren Quinten/Quarten, deren Hohlheit in auffälligem Gegensatz steht zum seelenvollen, weichen, warmen Zweiten Thema:
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Es klingt aus in ein ebenso zartes Dreiklang-Spiel, in dem eine weitere schöne Melodie umspielt wird. Zweimal wird das Nebeneinander dieser beiden Themen wiederholt, jeweils in neuem Gewand. Das Erste Thema ist bei der ersten Wiederholung wenig verändert, das Zweite Thema erscheint fortissimo in vollen Akkorden; „die ursprünglich zarte, lyrische Kantilene hat sich nun in einen kraftvollen und leidenschaftlichen Gesang verwandelt“, der virtuos in Oktavläufen der rechten Hand endet. Eine Art Walzer wird eingefügt, ebenfalls mit großer Virtuosität eingeleitet und durchgeführt. Er gipfelt im Fortissimo des Zweiten Themas – bei dieser zweiten Wiederholung der beiden Themen ist also die Reihenfolge umgekehrt. Erst jetzt, an zweiter Stelle, folgt das Erste Thema, dessen Ruhe eine Ruhe vor dem Sturm des Schlussteils ist (Presto con fuoco), der mit „dramatischen Affekten von tragischer Wucht“ (Reclam) schließt.
Vielleicht wegen dieser letzten Takte hat Roman Polanski in seinem nach einer wahren Begebenheit entstandenen Film ‚Der Pianist‘ diese Ballade - in gekürzter Form - ins Zentrum gestellt - der Film zeichnet das Leid und den Widerstand im Warschauer Ghetto nach. Der berühmte jüdisch-polnische Pianist Władysław Szpilman ist aus dem Ghetto geflohen und wird auf der Flucht halb verhungert in seinem letzten Zufluchtsort von dem Hauptmann der deutschen Wehrmacht Wilhelm Hosenfeld entdeckt. Der Hauptmann fragt ihn aus, fragt auch nach dessen Beruf. Szpilmans Antwort, er sei Pianist, glaubt Hosenfeld dem heruntergekommenen Szpilman nicht und fordert ihn auf, sich an einen Flügel in dieser Zufluchtsstätte zu setzen und zu spielen. Und Szpilman spielt die G-Moll-Ballade. Wilhelm Hosenfeld, der lange ein überzeugter Nazi war, ist tief bewegt und hilft ihm mit Brot und Kleidung. Später schreibt Szpilman ein Buch über dieses Ereignis, das Grundlage für Polanskis Film wird. Hosenfeld kommt in russischer Gefangenschaft um.
Mai 2021
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