Johann Sebastian Bach (1685-1750)
Doppelkonzert für Violine, Oboe und Orchester c-Moll BWV 1060R Rekonstruktion nach dem Konzert für zwei Cembali c-Moll BWV 1060
Allegro Adagio Allegro
Es gibt von Bach drei Konzerte für Streicher und zwei Cembali (BWV 1060-1062). Das mittlere ist original für zwei Cembali geschrieben, den beiden anderen liegen Konzerte für zwei Violinen bzw. für Violine und Oboe zugrunde, die nicht erhalten sind und rekonstruiert wurden (Erstveröffentlichung des letzteren: 1970). Während die Entstehung der Brandenburgischen Konzerte auf Bachs Köthener Zeit (1717 bis 1723) festgelegt werden kann, ist man beim Doppelkonzert auf Vermutungen angewiesen: wegen stilistischer Weiterentwicklung nimmt man die Entstehung in den 30er Jahren an.
Das schwungvoll aufsteigende Kernthema des Ersten Satzes (2 Takte)
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ist mit dem hübschen Echo an seinem Ende, mit seiner um einen Ton tiefer gesetzten Wiederholung und mit seinem Ausklang von vier Takten perfekt ausbalanciert. Diese acht Takte werden vom gesamten Ensemble gespielt (Tutti= alle), vergleichbar dem Refrain eines Lieds, der von allen gesungen wird, während die einzelnen Strophen einem Einzelnen bzw. einigen Wenigen vorbehalten sind. Diese Wenigen (in der Instrumentalmusik ‚Concertino‘ genannt) sind in unserem Konzert die Soloinstrumente Oboe und Violine und als beständige Begleitung (Basso continuo) Cembalo und Cello/Kontrabass. Und so wechseln Refrain (auch als Ritornell bezeichnet) und Strophen ständig ab. Das Ritornell eröffnet den Satz, dann folgt im Concertino eine kontrastierende Episode der Soloinstrumente. Anschließend nimmt das Orchester das Ritornell in mehreren Umbildungen, oft verkürzt, wieder auf, abwechselnd mit den Solopassagen. Lediglich das Schlussritornell wird im Allgemeinen vollständig wiederholt. Bach hält sich freilich nicht streng an diese Regeln. Wo eigentlich nur das Concertino spielt, also in den Strophenteilen, mischt sich verhalten, z. B. als Pizzicato oder als Einwurf, das Ensemble ein und häufig sind Solo und Tutti eng miteinander verwoben.
Zwei Stimmen in innigem Gespräch, die eine auf die andere hörend, weich und zart im Ausdruck, wie wenn Liebende miteinander sprechen – so kann man die weiten Melodiebögen des Adagios verstehen, und man kann auch verstehen, dass Albert Schweitzer nicht begreifen konnte, wieso Bach diese Stimmen „dem Cembalo mit seinem abgerissenen Ton preisgab“. Es werden wohl praktische Gründe gewesen sein.
Für den festlichen, fröhlichen, durch Synkopen rhythmisch in Spannung gehaltenen Dritten Satz gelten bei der Verteilung von Solo und Tutti dieselben Regeln wie für den ‚Ersten Satz‘. Eine besonders schöne Wirkung ergibt sich, wenn gegen Ende des Satzes die Soloinstrumente über langanhaltenden Noten der übrigen Instrumente musizieren wie über einem weichen Teppich.
Oktober 2014
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