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Johannes Brahms (1833-1897)
Streichquartett a-Moll op. 51/2
Allegro non troppo Andante moderato Quasi Minuetto, moderato - Allegretto vivace Finale: Allegro non assai
Brahms hat sein Schaffen mit einer ungewöhnlichen Selbstkritik begleitet; die großen Werke der Quartett-Literatur - Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert - waren ein nahezu erdrückender Maßstab. Er hat nach eigener Aussage zwanzig Entwürfe für Streichquartette verworfen, bevor er 1873, also erst mit 40 Jahren, die beiden schon 8 Jahre zuvor konzipierten Quartette op. 51 herausgab. Sie beziehen sich aufeinander im Sinne des Gegensatzes von erregter Gespanntheit (c-Moll op. 51/1) und ruhiger Gelöstheit (a-Moll op. 51/2).
Diese Gelöstheit - Momente der Erregung sind relativ selten - hat melancholische Untertöne, die aber im Verlauf des Werks zunehmend schwächer werden. Die Melancholie mag sich ergeben durch die Erinnerung an die Jugend-Devise seines Freundes Joachim: F.A.E. (Frei Aber Einsam) und durch die Gefährdung jener Freundschaft zur Zeit der Komposition des Quartetts.
Jedenfalls erinnern die drei Töne ‚f‘, ‚a‘, ‚e‘ im Hauptthema des Ersten Satzes an dieses Motto Joachims:
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Das Tänzerisch-Leichte des Seitenthemas in diesem Sonatensatz entsteht u. a. durch die Punktierung in der Melodielinie und das Pizzicato des Cellos. Charakteristisch ist die ausführliche Vortragsanweisung:
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Dieser erste Teil des Satzes, der die Themen und ihr Umfeld vorgestellt hat, endet mit einer wunderschönen polyphonen Überleitung hin zu seiner Wiederholung bzw. zum zweiten Teil, der nach der Konvention das bisher Vorgestellte variierend in neuem Licht zeigen soll. Brahms geht seinen eigenen Weg und nutzt den knappen Mittelteil, um dem bisherigen sanften Ton einen energischen Ausbruch entgegenzustellen. Umso zarter erscheint zu Beginn des dritten Teils, der den ersten – sehr verändert - wieder aufgreift, das Hauptthema. Der Übergang zur Coda ist fließend, der Ton wandelt sich zur schmerzlichen Klage, das Joachim-Motiv erscheint in seiner ursprünglichen Form (Terz aufwärts, Quart abwärts), dann aber wird der Klang zum Ende hin munterer, wenn auch ein wenig gewaltsam.
Das Andante (Aufbau: A B A‘) ist im A-Teil durch ein weitgespanntes Thema von großer Ruhe und Gelassenheit bestimmt:
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Ein Mittelteil (B) mit Tremoli in den Mittelstimmen - an Cymbalklänge erinnernd - und markanten Ausbrüchen in der Ersten Geige und im Cello, unterbrochen und beendet von friedlichen Klängen einiger Dolce-Takte, bildet einen Kontrast zum Anfangsteil. Dessen Wiederholung nach dem Mittelteil schließt mit einem wunderbar zarten Ausklang.
Ein kräftig zupackendes Scherzo wäre in diesem Quartett fehl am Platz. ‚Quasi Minuetto‘ heißt der schlichte, innige erste Teil des Dritten Satzes (Aufbau A, B, A‘); er wird abgelöst durch ein herrliches ‚Allegretto vivace‘ im 2/4-Takt, dessen Sechzehntelfiguren an die seit Mendelssohn so beliebte Sphäre von Gnomen und Elfen erinnern. Dieses ‚Allegretto vivace‘ wird kurz unterbrochen von einem freundlichen ‚Tempo di Minuetto’ in Kanonform, das auch den Übergang zum A‘-Teil bildet. Bevor dieser einsetzt, überraschen für einen Moment einige langgezogene achtstimmige Akkorde mit tiefem Ernst.
Das kraftvolle Hauptthema gibt dem mit höchster Kunstfertigkeit komponierten Schluss-Satz den hinreißenden Schwung:
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Das zarte Seitenthema wirkt durch schöne Besinnlichkeit:
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Ein längeres Nachspiel gipfelt in einem Unisono von abwärts laufenden Achteln. Die Wiederholung dieses ersten Teils ist verkürzt, das Nachspiel fehlt. Statt dessen folgt ein kontrapunktisches Spiel mit einer Abwandlung des Hauptthema-Beginns in einem zweiten Teil, kurz, aber höchst beeindruckend. Mit nur wenig Veränderung wird in einem dritten Teil der erste wiederholt. Die Coda beginnt mit Musik von süßer Anmut; sie gipfelt in einer Folge langgezogener Akkorde mit erstaunlichsten Harmonien, die in dem Dreiklang ‚f‘‚a‘‚e‘ enden. Dann schließt das großartige Quartett mit einer lebhaften Erinnerung an das Hauptthema.
Mai 2020
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Streichquartett op. 51/1 c-Moll / Streichquartett op. 67 B-Dur
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