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Johannes Brahms
(1833-1897)

6 Lieder op. 86

Therese
op. 86 Nr. l (1878)
Gottfried Keller (1846)

Du milchjunger Knabe,
Wie schaust du mich an?
Was haben deine Augen
Für eine Frage getan!

Alle Ratsherrn in der Stadt
Und alle Weisen der Welt
Bleiben stumm auf die Frage.
Die deine Augen gestellt!

Eine Meermuschel liegt
Auf dem Schrank meiner Bas':
Da halte dein Ohr dran,
Dann hörst du etwas!

Feldeinsamkeit
op. 86 Nr. 2 (l879)
Hermann Allmers

Ich ruhe still im hohen grünen Gras
Und sende lange meinen Blick nach oben,
Von Grillen rings umschwirrt ohn' Unterlass,
Von Himmelsbläue wundersam umwoben.

Die schönen weißen Wolken ziehn dahin
Durchs tiefe Blau, wie schöne stille Träume;
Mir ist, als ob ich längst gestorben bin
Und ziehe selig mit durch ew'ge Räume.

Nachtwandler
op. 86 Nr. 3 (l877)
Max Kalbeck

Störe nicht den leisen Schlummer
Des, den lind ein Traum umfangen!
Lass ihm seinen süßen Kummer!
Ihm sein schmerzliches Verlangen!

Sorgen und Gefahren drohen,
Aber keine wird ihn schrecken,
Kommst du nicht, den Schlafesfrohen
Durch ein hartes Wort zu wecken.

Still in seinen Traum versunken
Geht er über Abgrundtiefen
Wie vom Licht des Vollmonds trunken,
Weh' den Lippen, die ihn riefen!

Über die Heide
op. 86 Nr. 4 (erschienen 1882)
Theodor Storm

Über die Heide hallet mein Schritt;
Dumpf aus der Erde wandert es mit.

Herbst ist gekommen, Frühling ist weit, -
Gab es denn einmal selige Zeit?

Brauende Nebel geisten umher,
Schwarz ist das Kraut und der Himmel so leer.

Wär' ich nur hier nicht gegangen im Mai!
Leben und Liebe - wie flog es vorbei!

Versunken
op. 86 Nr. 5(1878)
Felix Schumann

Es brausen der Liebe Wogen
Und schäumen mir um das Herz;
Zwei tiefe Augen zogen
Mich mächtig niederwärts.

Mich lockte der Nixen Gemunkel,
Die wunderliebliche Mär,
Als ob die Erde dunkel
Und leuchtend die Tiefe wär'!

Als würde die seligste Ferne
Dort unten reizende Näh',
Als könnt' ich des Himmels Sterne
Dort greifen in blauer See.

Nun brausen und schäumen die Wogen
Und hüllen mich allwärts ein,
Es schimmert in Regenbogen
Die Welt von ferne herein.

Todessehnen
op. 86 Nr. 6 (1878)
Max von Schenkendorf

Ach, wer nimmt von meiner Seele
Die geheime schwere Last,
Die, je mehr ich sie verhehle,
Immer mächtiger mich fasst?

Möchtest du nur endlich brechen,
Mein gequältes, banges Herz!
Findest hier mit deinen Schwächen,
Deiner Liebe nichts als Schmerz.

Dort nur wirst du ganz genesen,
Wo der Sehnsucht nichts mehr fehlt,
Wo das schwesterliche Wesen
Deinem Wesen sich vermählt.

Hör es, Vater in der Höhe,
Aus der Fremde fleht dein Kind:
Gib, dass er mich bald umwehe,
Deines Todes Lebenswind.

Dass er zu dem Stern mich hebe,
Wo man keine Trennung kennt,
Wo die Geistersprache Leben
Mit der Liebe Namen nennt.

Mit den 1882 veröffentlichten Sechs Liedern op. 86 beginnen die Werke der Reifezeit des Komponisten. Ein Kennzeichen dieser Reife ist eine auf das Wesentliche konzentrierte Einfachheit. So beim ersten Lied, ‚Therese‘, das in der schlichten Schönheit der beiden ersten Strophen an ein Volkslied erinnert. Die Frage in den Augen des Knaben und die Antwort in der Muschel bleiben unausgesprochen. Die eindringliche Vertonung der dritten Strophe verweist darauf, dass es sich nicht hauptsächlich um das sehnende Verlangen eines Verliebten handelt, sondern vornehmlich um die Frage nach dem Wesen und Sinn des Lebens, wo die Geistersprache Leben/Mit der Liebe Namen nennt, wie es im letzten Lied von op. 86 heißt. Vierzehn Jahre später vertont Brahms im letzten seiner Lieder (op. 121/4) den Text des Korinther-Briefs: Wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen redete und … wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis …, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts.

In ‚Feldeinsamkeit‘ wird dieses Thema variiert. Der Ende des 19. Jahrhunderts sehr geschätzte Schriftsteller Hermann Allmers (1821-1902) findet träumend den Raum für die durch Liebe gehaltene Welt in der Ewigkeit. Die Vertonung durch Brahms setzt diesen Raum in Musik um. „Die Melodie mit dem charakteristischen Brahmsschen Sextensprung, mit der in gebundenen Achtelnoten hinfließenden Gegenstimme des Klaviers über dem ostinaten Rhythmus des Orgelpunkt-Basses, umhüllt von dem Klangzauber in weiteste Lagen auseinandergezogener Akkorde“ (W. Oehlmann) - diese Musik spiegelt die ewige, selige Ruhe; so wird das Augustinische Bis dass es ruhet in dir in Töne gesetzt.

Das Lied ‚Nachtwandler’ (Text: Max Kalbeck, Freund und Biograph von Brahms) beginnt wie ein Wiegenlied; doch schon der rasche Wechsel zwischen Dur und Moll und auch andere, ungewohnte Modulationen irritieren. So wird durch die Musik deutlich: die selige Ruhe, das Träumen geschieht über Abgrundtiefen und ist durch ein hartes Wort gefährdet.

In Storms ‚Über die Heide‘ heißt die Gefährdung Vergänglichkeit: Leben und Liebe - wie flog es vorbei! Der Träumer und der Nachtwandler können die selige Zeit nicht erfassen, denn sie ist vergangen und auch kaum mehr in der Erinnerung gegenwärtig. Entsprechend dunkel klingt die Vertonung mit der tiefen Lage und den Staccatobässen des Klaviers.

Der Dichter des Lieds ‚Versunken‘, Felix Schumann (1854-1879), war das jüngste Kind von Clara und Robert Schumann. Brahms, der sein Pate war, hing sehr an ihm. 25-jährig starb Felix an Tuberkulose. Den Überschwang seines jungen Freundes, das Brausen der Liebe Wogen hat Brahms in seiner Musik umgesetzt, weit entfernt von der volksliedhaften Schlichtheit z. B. des ersten der sechs Lieder. Dass er mit diesem Sich-Stürzen in eine verlockende, aber auch täuschende Tiefe eines romantischen Gefühls einverstanden war, mag bezweifelt werden; dass Brahms selbst über dieses Lied die Überschrift ‚Versunken‘ gesetzt hat, könnte dafür ein Hinweis sein.

Das letzte Lied von op. 86, ‚Todessehnen‘, ist das Gegenstück zu jenem ‚Versunken‘ - klarer in der Gestaltung und ‚frommer‘ in der Aussage. Die Klage eines leidenden Menschen und seine Todessehnsucht finden ihren Ausdruck in der polyphon gesetzten düsteren Trauermusik der ersten beiden Strophen. Mit dem ‚Dort‘, dem Hinweis auf eine jenseitige Welt, wo der Sehnsucht nichts mehr fehlt, wird die Musik hell und tröstend. Im dritten Teil, der Bitte an den Vater in der Höhe, dort sein zu dürfen, wo der Mensch eins ist mit allem, was lebt, wird die Musik zu einer inbrünstigen Andacht.



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