Ich möchte an dieser Stelle nicht die Analyse einzelner Werke, sondern das Programm eines ganzen Konzerts veröffentlichen, weil dieses Programm, von Adréana Julia Kraschewski (Sopran) und Thomas Aydintan (Klavier) zusammengestellt und am 15.2.2004 in der ServiceResidenz Schloss Bensberg hervorragend interpretiert, einen ganz besonderen Reiz hat; zudem ist bei der Kurzform ‚Lied’ eine ausführliche Analyse jedes einzelnen Lieds für ein Programmheft ungeeignet.
‚Johannes Brahms und die Wiener Moderne’
Adréana Julia Kraschewski - Sopran Thomas Aydintan - Klavier 15.2.2004 in der ServiceResidenz Schloss Bensberg
Ankündigung Das Programm, mit dem Adréana Julia Kraschewski (Sopran) und Thomas Aydintan (Klavier) in die ServiceResidence kommen, ist etwas Besonderes: die beiden Interpreten bringen 15 der schönsten Lieder von Johannes Brahms mit, Lieder über die Natur, über Liebe und Sehnsucht. Und um deutlich zu machen, wie der Romantiker Brahms auf die nächste Generation von Musikern gewirkt hat, werden inhaltlich verwandte Lieder der ‚Wiener Moderne’ dagegengestellt: Zwei frühe Lieder von Arnold Schönberg und drei frühe Lieder von Alban Berg. Lieder wie ‘Von ewiger Liebe’, ‘Die Mainacht’ ‚O wüsst ich doch den Weg zurück’, ‚Feldeinsamkeit’ lassen den, der sie kennt, mit großen Erwartungen ins Konzert gehen, und für den, der sie zum ersten Mal hört, sind sie eine wunderschöne Überraschung, ergreifende Musik, Musik der großen Gefühle, der innigen Sehnsucht und der tiefen Verzweiflung.
Johannes Brahms (1833-1897) Von ewiger Liebe (op. 43 Nr. l) Nicht mehr zu Dir zu gehen (op. 32 Nr. 2) Wenn du nur zuweilen lächelst (op. 57 Nr. 2) Ständchen (op. 106 Nr. l) Dein blaues Auge (op. 59 Nr. 8) An eine Äolsharfe (op. 19 Nr. 5)
Arnold Schönberg (1874-1951) Erwartung (op. 2 Nr. l) Schenk mir deinen goldenen Kamm (op. 2 Nr. 2)
Johannes Brahms Die Mainacht (op. 43 Nr. 2) Meine Liebe ist grün (op. 63 Nr. 5)
Pause
Alban Berg (1885-1935) Nacht (aus: Sieben frühe Lieder) Die Nachtigall (aus: Sieben frühe Lieder)
Johannes Brahms An die Nachtigall (op. 46 Nr. 4) Feldeinsamkeit (op. 86 Nr. 2) Wir wandelten (op. 96 Nr. 2) Unbewegte laue Luft (op. 57 Nr. 8) Sommerabend (op. 85 Nr. l)
Alban Berg Sommertage (aus: Sieben frühe Lieder)
Johannes Brahms O wüß't ich doch den Weg zurück (op. 63 Nr. 8) Von waldbekränzter Höhe (op. 57 Nr. l) Einige Anregungen zum Hören
Wer das Kunst-Lied liebt, wird vor allem die Lieder der Romantik lieben - Romantik bedeutet ein sehnsüchtiges Streben nach einer höheren Welt, bedeutet auch Leiden an der wirklichen Welt. Das Streben nach einer höheren Welt ist vor allem die Sehnsucht nach ‚ewiger Liebe’ So endet die Liedermatinée: Ich richt' ihn (den Blick) auf die Züge Der Wolken über mir, Ach, flög' ich ihre Flüge, Zurück, o Freund, zu dir, zu dir!
Wie wollt' ich dich umstricken, Mein Heil und meine Pein, Mit Lippen und mit Blicken, Mit Busen, Herz und Seele dein!
Und mit Sehnsucht nach ewiger Liebe beginnt das Programm, das als ein thematisch und musikalisch zusammenhängender Zyklus konzipiert ist. Das erste Lied, ‚Von ewiger Liebe’, kommt aus dem Wendischen, also ein Volkslied wie so manches Lied in diesem Zyklus. Die Romantiker begeisterten sich für das Volkslied, weil sie in seinem Text und in seiner Weise einen Naturton zu hören meinten; in der Natur aber sei man dem göttlichen Geist am nächsten. Freilich weiß man oft nicht so recht, wie viel ist ursprünglich, wie viel ist Zusatz des Herausgebers oder Übersetzers eines solchen Volkslieds. Jedenfalls trifft Brahms in seinem Lied mit dem strahlenden Dur-Schluss ‚Unsere Liebe muss ewig bestehn’ diesen Volksliedklang recht glücklich, ein Grund, warum es zu den populärsten Liedern des Komponisten zählt.
Mit den Liedern op.32 hat der einunddreißigjährige Brahms seine Reife erreicht. Die sanfte Schwermut, die oft für Brahms-Lieder charakteristisch ist, ist gesteigert zu dunkler Tragik; ‚Nicht mehr mit dir zu gehen’ ist in seiner unendlichen Traurigkeit nur mit den ergreifendsten Liedern Schuberts zu vergleichen. Die Direktheit zumindest mancher der Texte, die Brahms zur Komposition ausgewählt hat, überrascht auch den, der Brahms zu kennen scheint; denn Brahms hat sich oft nur distanziert-selbstironisch über sich selbst geäußert. Auch im nächsten Lied bleibt durch ungewöhnliche harmonische Wendungen diese quälende Stimmung bestimmend trotz des elegisch-freundlichen Beginns ‚Wenn du nur zuweilen lächelst’.
Das reizende ‚Ständchen’ bringt sozusagen ein entspanntes Ausatmen im Ablauf dieses Zyklus’, ein Werk des späten Brahms.
Ergreifend schlicht ist der Ton des Lieds ‚Dein blaues Auge hält so still’ und von herzlicher Innigkeit die Vertonung seiner Schlussverse „Das deine ist wie See so klar / Und wie ein See so kühl“.
‚An eine Äolsharfe’ ist eine Mischung von lyrischem Ausdruck und erzählendem (rezitativischem) Gestus. Anlass zur Komposition der Lieder op.19 ist die Liebe des 25-jährigen Brahms zu Agathe von Siebold. Die Entsagung, die diese Liebe beendete, hat den wehmütigen Ton auch des fünften dieser Lieder bestimmt: Ein Mädchen denkt sehnsüchtig an den jüngst verstorbenen Liebsten. Die Äolsharfe (von ‚Äolus’: Herrscher über die Winde) ist ein schon im alten Indien bekanntes Instrument. Die Saiten sind freischwebend so aufgehängt, dass sie vom Luftstrom zum Erklingen gebracht werden, daher auch Windharfe, Wetterharfe, Geisterharfe genannt. In Europa ist die Äolsharfe zu Ruhm gelangt durch dieses Gedicht von Eduard Mörike, das auch H. Wolf vertont hat.
Und um deutlich zu machen, wie der Romantiker Brahms auf die nächste Generation von Musikern gewirkt hat, werden inhaltlich verwandte Lieder der ‚Wiener Moderne’ in den Zyklus mit eingebunden. Anders als in den noch ganz der Romantik verpflichteten Liedern op. 1 nähert sich Schönberg schon bei op. 2 seinem atonalen Stil. Geschildert wird in ‚Erwartung’ ein etwas gespenstisches Bild: In einem See spiegeln sich der Mond und ein Haus, ein Mann küsst die Steine seines Rings, eine bleiche Frauenhand winkt; die Situation wird nicht recht deutlich, um so leichter, durchsichtiger ist die Musik; mit knappen Mitteln, u. a. mit impressionistisch klingenden arabeskenartigen Figuren im Diskant des Klaviers, gestaltet Schönberg eine klar gegliederte Form.
Das nächste Lied, ‚Schenk mir deinen goldenen Kamm’, ist geprägt durch zarte, bisweilen auch expressive Schönheit; mit großer Intensität wird in zwei unterschiedlich gestalteten Strophen eine intensive Beziehung zwischen Jesus und Maria Magdalena dargestellt - nach Lk 10 sitzt Maria Magdalena Jesus zu Füßen und lauscht seinen Worten; nach Lk 7 ist sie die Sünderin, die Jesus die Füße salbte, mit ihrem Haar trocknete und sie küsste.
Das vollkommen Schöne ist auf Erden nicht zu finden; das Bild, das man von ihm in der Seele trägt, lässt die Sehnsucht unendlich werden. Der Ausdruck der Sehnsucht nach dem Schönen in ‚Die Mainacht’ (der innerhalb einer Oktav auf- und absteigende Bogen der ersten Zeile) ist freilich selbst von nahezu vollkommener Schönheit.
Jubelnde Erfüllung dagegen im Aufschwung des Lieds ‚Meine Liebe ist grün’. ‚Meine Seele hat Schwingen der Nachtigall’, so dichtet Felix Schumann, der jüngste Sohn von Clara und Robert, Patenkind von Brahms. Der Jubel dauerte nicht lange: Felix starb im Februar 1879 an Tuberkulose, an der er schon lange gelitten hatte. Bei der Vertonung eines Lieds von Felix Schumann wird Brahms auch an dessen Vater gedacht haben: die Klavierbegleitung ist im Stile Robert Schumanns geschrieben.
Persönliche Verhältnisse sind auch beim nächsten Lied, Alban Bergs ‚Nacht’, interessant: Die Sieben frühen Lieder sind veranlasst durch die erste Begegnung mit Bergs späterer Frau Helene Nahowski; die großartige Ausdruckskraft dieser perfekten, noch der Tonalität verpflichteten Kompositionen gehen wohl auf die leidenschaftliche Liebe zu Helene zurück; und Alban Berg war Schüler von Arnold Schönberg, als er diese Lieder schrieb – und der Schüler braucht sich hinter dem Lehrer keineswegs zu verstecken. Mit der Vertonung von Carl Hauptmanns (eines Bruders von Gerhard Hauptmann) Gedicht vom Zauber der Nacht hat er die Musikliteratur mit einem wunderbaren Lied bereichert.
Der Zauber der Nacht ist das romantische Bild für Entgrenzung, für die Erweiterung des Lebensgefühls. Der Nachromantiker Storm hat darüber still und zurückhaltend geschrieben, Alban Berg hat dessen ‚Die Nachtigall’ aber hochromantisch und sehr ‚espressivo’ vertont.
Der „liebentflammte“ Gesang der Nachtigall weckt verschüttete Sehnsucht und verstört so den, der ihn hört: das ist das gemeinsame Thema der beiden Nachtigall-Lieder. Während aber A. Berg jubelnd dieses Erwachen begrüßt (‚Die Rosen aufgesprungen), bleibt Brahms in seinem ‚An die Nachtigall’ still und wehmutsvoll; die Synkopen in der Klavierbegleitung und - in der dritten Strophe - ungewöhnliche harmonische Wendungen zeigen, dass das Erwachen der Liebe allzu schmerzhaft ist.
Die späten Lieder zeigen oft einen Brahms, der nicht mehr gequält wird durch übergroße Leidenschaft, der durch Alter und Weisheit ernst und abgeklärt in Frieden und Glück sein Leben vollendet und für den der Tod ein erlösendes Geheimnis, aber keinen Schrecken birgt – ein Lebensgefühl, das sich auf schlichte und innige Weise in den beiden Liedern ‚Feldeinsamkeit’ und ‚Wir wandelten’ ausspricht.
Zurück zum leidenschaftlichen Leben! Der Leidenschaft wird in ‚Unbewegte laue Luft’ eine herrliche musikalische Darstellung der Ruhe in der Natur vorangesetzt. Mit dem ‚Aber’ des Textes beginnt ein erregter Allegroteil, dessen Ende in einem zarten Pianissimo auf die Ruhe der Natur des Beginns zurückweist. Als Kontrast dann mit ‚Sommerabend’ wieder ein Lied aus dem Spätwerk, an die schönsten Lieder Schumanns erinnernd malt es in einheitlicher ruhiger Stimmung eine wunderschöne Idylle.
Eine ganz andere Sommerstimmung in Alban Bergs ‚Sommertage’; da wo das Wort schweigen muss, weil es die Großartigkeit des Sommers nicht fassen kann, tritt die Musik ein: Aufschwung, Begeisterung, Jubel angesichts einer Welt, „gesandt aus blauer Ewigkeit“.
Musik sagt mehr als Worte – einer der Gründe, warum Brahms selten zu großer Lyrik, etwa Goethes, gegriffen hat: bei einem perfekten Gedicht gibt es nichts mehr dazu zu komponieren, für Brahms musste das Gedicht vor allem einen Anstoß geben; den Sinn des Gedichts zu erfüllen war dann die Musik besser als jedes Wort in der Lage.
Alban Bergs ‚Sommertage’ könnte ein Schlussstück sein – tatsächlich ist es das letzte der ‚Sieben frühen Lieder’. Aber es wäre zu schade gewesen, wenn es das Ende des heutige Konzerts bedeutet hätte, denn mit ‚O wüsst' ich doch den Weg zurück’ steht noch eines der beliebtesten Brahms-Lieder auf dem Programm, ein Thema der Romantik: der Weg zurück ins Kinderland, die Sehnsucht, auszuruhn, von Brahms als Träumerei gestaltet, „leicht und lind“, mit dem bitteren Ende, dass diese Suche nach dem Glück vergeblich sei. Von Sehnsucht spricht auch das letzte Lied ‚Von waldbekränzter Höhe’, aber der Gedanke an Erfüllung gibt ihm Schwung und Ausdruck freudiger Erwartung.
Johannes Brahms
Von ewiger Liebe op. 43 Nr. l (l864) aus dem Wendischen
Dunkel, wie dunkel in Wald und in Feld! Abend schon ist es, nun schweiget die Welt. Nirgend noch Licht und nirgend noch Rauch, Ja, und die Lerche sie schweiget nun auch.
Kommt aus dem Dorfe der Bursche heraus, Gibt das Geleit der Geliebten nach Haus, Führt sie am Weidengebüsche vorbei, Redet so viel und so mancherlei.
»Leidest du Schmach und betrübest du dich, Leidest du Schmach von andern um mich, Werde die Liebe getrennt so geschwind, Schnell wie wir früher vereiniget sind. Scheide mit Regen und scheide mit Wind, Schnell wie wir früher vereiniget sind."
Spricht das Mägdelein, Mägdelein spricht: »Unsere Liebe, sie trennet sich nicht! Fest ist der Stahl und das Eisen gar sehr, Unsere Liebe ist fester noch mehr.
Eisen und Stahl, man schmiedet sie um, Unsere Liebe, wer wandelt sie um? Eisen und Stahl, sie können zergehn, Unsere Liebe muss ewig bestehn!« (Übersetzung: Leopold Haupt)
Nicht mehr zu dir zu gehen op. 32 Nr. 2 (l864) aus der Moldau
Nicht mehr zu dir zu gehen Beschloss ich und beschwor ich, Und gehe jeden Abend, Denn jede Kraft und jeden Halt verlor ich.
Ich möchte nicht mehr leben, Möcht' augenblicks verderben, Und möchte doch auch leben Für dich, mit dir, und nimmer, nimmer sterben.
Ach, rede, sprich ein Wort nur, Ein einziges, ein klares; Gib Leben oder Tod mir, Nur dein Gefühl enthülle mir, dein wahres!(Übersetzung: Georg Friedrich Daumer)
Wenn du nur zuweilen lächelst op.57 Nr.2 (1871) aus dem Persischen (Hafis)
Wenn du nur zuweilen lächelst, Nur zuweilen Kühle fächelst Dieser ungemessnen Glut – In Geduld will ich mich fassen Und dich alles treiben lassen, Was der Liebe wehe tut, (Übersetzung: Georg Friedrich Daunler)
Ständchen op. 106 Nr. 1 (1888) Franz Kugler
Der Mond steht über dem Berge, So recht für verliebte Leut' ; Im Garten rieselt ein Brunnen, Sonst Stille weit und breit.
Neben der Mauer im Schatten, Da stehn der Studenten drei Mit Flöt' und Geig' und Zither Und singen und spielen dabei.
Die Klänge schleichen der Schönsten Sacht in den Traum hinein, Sìe schaut den blonden Geliebten Und lispelt: »Vergiss nicht mein!»
Dein blaues Auge hält so still op. 59 Nr. 8 (1873) Klaus Groth
Dein blaues Auge hält so still, Ich blicke bis zum Grund,Du fragst mich, was ich sehen will?Ich sehe mich gesund. Es brannte mich ein glühend Paar,Noch schmerzt das Nachgefühl: Das deine ist wie See so klar Und wie ein See so kühl.
An eine Äolsharfe op. 19 Nr. 5 (l 858) Eduard Mörike
Angelehnt an die Efeuwand Dieser alten Terrasse, Du, einer luftgebornen Muse Geheimnisvolles Saitenspiel, Fang an, Fange wieder an Deine melodische Klage.
Ihr kommet, Winde, fern herüber, Ach, von des Knaben, Der mir so lieb war, Frisch grünendem Hügel. Und Frühlingsblüten unterweges streifend Übersättigt mit Wohlgerüchen, Wie süß bedrängt ihr dies Herz! Und säuselt her in die Saiten, Angezogen von wohllautender Wehmut, Wachsend im Zug meiner Sehnsucht Und hinsterbend wieder.
Aber auf einmal, Wie der Wind heftiger herstößt, Ein holder Schrei der Harfe Wiederholt mir zu süßem Erschrecken Meiner Seele plötzliche Regung, Und hier - die volle Rose streut geschüttelt All ihre Blätter vor meine Füße!
Arnold Schönberg
Erwartung op. 2 Nr.1 (1899) Richard Dehmel
Aus dem meergrünen Teiche Neben der roten Villa Unter der toten Eiche Scheint der Mond.
Wo ihr dunkles Abbild Durch das Wasser greift, Steht ein Mann und streift Einen Ring von seiner Hand.
Drei Opale blinken; Durch die bleichen Steine Schwimmen rot und grüne Funken und versinken.
Und er küsst sie, und Seine Augen leuchten Wie der meergrüne Grund: Ein Fenster tut sich auf.
Aus der roten Villa Neben der toten Eiche Winkt ihm eine bleiche Frauenhand.
Schenk mir deinen goldenen Kamm op. 2 Nr.2 (1899) Richard Dehmel
Schenk mir deinen goldenen Kamm; Jeder Morgen soll dich mahnen, Dass du mir die Haare küsstest. Schenk mir deinen seidenen Schwamm; Jeden Abend will ich ahnen, Wem du dich im Bade rüstest, 0 Maria!
Schenk mir Alles, was du hast; Meine Seele ist nicht eitel, Stolz empfang ich deinen Segen. Schenk mir deine schwerste Last: Willst du nicht auf meinen Scheitel Auch dein Herz, dein Herz noch legen, Magdalena?
Johannes Brahms Die Mainacht op. 43 Nr. 2 (1866) Ludwig Hölty
Wann der silberne Mond durch die Gesträuche blinkt, Und sein schlummerndes Licht über den Rasen streut, Und die Nachtigall flötet, Wandl' ich traurig von Busch zu Busch.
Überhüllet von Laub girret ein Taubenpaar Sein Entzücken mir vor; aber ich wende mich, Suche dunklere Schatten, Und die einsame Träne rinnt.
Wann, o lächelndes Bild, welches wie Morgenrot Durch die Seele mir strahlt, find' ich auf Erden dich? Und die einsame Träne Bebt mir heißer die Wang' herab.
Meine Liebe ist grün op.63 Nr. 5 (1873) Felix Schumann
Meine Liebe ist grün wie der Fliederbusch, Und mein Lieb ist schön wie die Sonne; Die glänzt wohl herab auf den Fliederbusch Und füllt ihn mit Duft und mit Wonne.
Meine Seele hat Schwingen der Nachtigall Und wiegt sich in blühendem Flieder, Und jauchzet und singet vom Duft berauscht Viel liebestrunkene Lieder. ------------------------------
Alban Berg
Nacht (um 1907) Carl Hauptmann
Dämmern Wolken über Nacht und Tal, Nebel schweben, Wasser rauschen sacht. Nun entschleiert sich's mit einemmal: 0 gib acht! Gib acht! Weites Wunderland ist aufgetan. Silbern ragen Berge, traumhaft groß, Stille Pfade silberlicht talan Aus verborgnem Schoß; Und die hehre Welt so traumhaft rein. Stummer Buchenbaum am Wege steht Schattenschwarz, ein Hauch vom fernen Hain Einsam leise weht. Und aus tiefen Grundes Düsterheit Blinken Lichter auf in stummer Nacht. Trinke Seele! Trinke Einsamkeit! 0 gib acht! Gib acht!
Die Nachtigall (zwischen 1905 und 1908) Theodor Storm
Das macht, es hat die Nachtigall Die ganze Nacht gesungen; Da sind von ihrem süßen Schall, Da sind in Hall und Widerhall Die Rosen aufgesprungen.
Sie war doch sonst ein wildes Blut, Nun geht sie tief in Sinnen, Trägt in der Hand den Sommerhut Und duldet still der Sonne Glut Und weiß nicht, was beginnen.
Das macht, es hat die Nachtigall, Die ganze Nacht gesungen; Da sind von ihrem süßen Schall, Da sind in Hall und Widerhall Die Rosen aufgesprungen.
Johannes Brahms
An die Nachtigall op. 46 Nr. 4 (1868) Ludwig Hölty
Geuß nicht so laut der liebentflammten Lieder Tonreichen Schall Vom Blütenast des Apfelbaums hernieder, O Nachtigall!
Du tönest mir mit deiner süßen Kehle Die Liebe wach; Denn schon durchbebt die Tiefen meiner Seele Dein schmelzend Ach.
Dann flieht der Schlaf von neuem dieses Lager, Ich starre dann Mit nassem Blick und totenbleich und hager Den Himmel an.
Fleuch, Nachtigall, in grüne Finsternisse, Ins Haingesträuch, Und spend im Nest der treuen Gattin Küsse; Entfleuch, entfleuch!
Feldeinsamkeit op. 86 Nr.2 (l 879) Hermann Allmers
Ich ruhe still im hohen grünen Gras Und sende lange meinen Blick nach oben, Von Grillen rings umschwirrt ohn' Unterlass, Von Himmelsbläue wundersam umwoben.
Die schönen weißen Wolken ziehn dahin Durchs tiefe Blau, wie schöne stille Träume; Mir ist, als ob ich längst gestorben bin Und ziehe selig mit durch ew'ge Räume.
Wir wandelten op. 96 Nr. 2 (l 884) aus dem Ungarischen
Wir wandelten, wir zwei zusammen, Ich war so still und du so stille; Ich gäbe viel, um zu erfahren, Was du gedacht in jenem Fall.
Was ich gedacht - unausgesprochen Verbleibe das! Nur Eines sag' ich: So schön war alles, was ich dachte, So himmlisch-heiter war es all.
In meinem Haupte die Gedanken, Sie läuteten wie goldne Glöckchen; So wundersüß , so wunderlieblich Ist in der Welt kein andrer Hall. (Übersetzung: Georg Friedrich Daumer)
Unbewegte laue Luft
op. 57 Nr. 8 (1871) Georg Friedrich Daumer
Unbewegte laue Luft, Tiefe Ruhe der Natur; Durch die stille Gartennacht Plätschert die Fontäne nur. Aber im Gemüte schwillt Heißere Begierde mir, Aber in der Ader quillt Leben und verlangt nach Leben. Sollten nicht auch deine Brust Sehnlichere Wünsche heben? Sollte meiner Seele Ruf Nicht die deine tief durchbeben? Leise mit dem Ätherfuß Säume nicht, daherzuschweben! Komm, o komm, damit wir uns Himmlische Genüge geben!
Sommerabend op. 85 Nr. l (1878) Heinrich Heine
Dämmernd liegt der Sommerabend Über Wald und grünen Wiesen; Goldner Mond im blauen Himmel Strahlt herunter, duftig labend.
An dem Bache zirpt die Grille, Und es regt sich in dem Wasser, Und der Wandrer hört ein Plätschern Und ein Atmen in der Stille.
Dorten, an dem Bach alleine, Badet sich die schöne Elfe; Arm und Nacken, weiß und lieblich, Schimmern in dem Mondenscheine.
Alban Berg Sommertage (um 1907) Paul Hohenberg
Nun ziehen Tage über die Welt, Gesandt aus blauer Ewigkeit, Im Sommerwind verweht die Zeit, Nun windet nächtens der Herr Sternenkränze mit seliger Hand Über Wander- und Wunderland. 0 Herz, was kann in diesen Tagen Dein hellstes Wanderlied denn sagen Von deiner tiefen, tiefen Lust: Im Wiesensang verstummt die Brust, Nun schweigt das Wort, wo Bild um Bild Zu dir zieht und dich ganz erfüllt.
Johannes Brahms O wüsst' ich doch den Weg zurück op. 63 Nr.8 (1874) Klaus Groth
0 wüsst' ich doch den Weg zurück, Den lieben Weg zum Kinderland! 0 warum sucht' ich nach dem Glück Und ließ der Mutter Hand? 0 wie mich sehnet auszuruhn, Von keinem Streben aufgeweckt, Die müden Augen zuzutun, Von Liebe sanft bedeckt! Und nichts zu forschen, nichts zu spähn, Und nur zu träumen leicht und lind, Der Zeiten Wandel nicht zu sehn, Zum zweiten Mal ein Kind! 0 zeigt mir doch den Weg zurück, Den lieben Weg zum Kinderland! Vergebens such' ich nach dem Glück — Ringsum ist öder Strand!
Von waldbekränzter Höhe op. 57 Nr. l (1871) Georg Friedrich Daumer
Von waldbekränzter Höhe Werf' ich den heißen Blick Der liebefeuchten Sehe Zur Flur, die dich umgrünt, zurück.
Ich senk' ihn auf die Quelle, Vermöcht' ich, ach, mit ihr Zu fließen eine Welle, Zurück, o Freund, zu dir, zu dir!
Ich richt' ihn auf die Züge Der Wolken über mir, Ach, flög' ich ihre Flüge, Zurück, o Freund, zu dir, zu dir!
Wie wollt' ich dich umstricken, Mein Heil und meine Pein, Mit Lippen und mit Blicken, Mit Busen, Herz und Seele dein!
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