Ankündigung „Das F-Moll- Quintett von Brahms ist fraglos eines der größten Werke der Kammermusik für Pianoforte und Streichinstrumente, die je geschrieben worden sind.“ (Florence May) Es versammelt alle menschlichen Empfindungen, die in Musik umgesetzt werden können: Besinnliches, Träumerisch-Weiches wechselt mit Kraftvoll-Triumphierendem, Erregung mit schwärmerischer Ruhe; Musik, die wie ein freundliches Leuchten wirkt, trifft auf den Ausbruch einer unheimlichen wilden Jagd. All das ist mit intensivem Ausdruck zu einem Werk von großen Dimensionen gestaltet.
Johannes Brahms (1833-1897)
Klavierquintett f-Moll op. 34a
Allegro non troppo Andante, un poco adagio Scherzo: Allegro Finale: Poco sostenuto - Allegro non troppo
Das F-moll-Quintett sei „eines der größten Werke der Kammermusik für Pianoforte und Streichinstrumente, die je geschrieben worden sind.“ Dieses Urteil von Brahms’ erster Biographin Florence May gilt für die inneren wie für die äußeren Dimensionen: Op. 34a ist mit ca. 43 Minuten Spielzeit mehr als doppelt so lang wie beispielsweise die große Violin-Sonate op. 108. Die Knappheit von op. 108 weist hin auf die Technik der Reduktion beim reifen Brahms, während das Werk einer frühen und einer Übergangszeit (also bis in sein 30. Lebensjahr) noch schwelgerisch sich ausbreitet. Das Fehlen von Reduktion bedeutet aber nicht, dass der frühe Brahms beim Schaffensprozess sich lediglich seinem Gefühl überlässt; gerade an diesem Klavierquintett wird deutlich, wie Brahms darum ringt, musikalische Gedanken, die aus sehr persönlichem leidenschaftlichen Erleben heraus entstanden sind und die Brahms oft längere Zeit mit sich herumträgt, in die entsprechende Form zu bringen, und dass dies nur gelingt aus der Distanz zum Erlebten. Zuerst war op. 34 als Streichquintett fertiggestellt (1862). Diese Fassung ist verlorengegangen oder vernichtet worden; nach Joseph Joachims Meinung hatte es „zu große Schroffheiten“. Nun wurde aus dem Streichquintett eine Sonate für zwei Klaviere (op. 34b). Clara Schumann schrieb dazu: „Aber, bitte, lieber Johannes, folge nur diesmal, arbeite das Werk nochmals um.“ Und erst die Kombination von Klavier und Streicher ergab den Klang, der den musikalischen Vorstellungen von Brahms gemäß war (1864). Das Hauptthema des gewaltigen Ersten Satzes erscheint zunächst besinnlich, weich,
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dann, nach einer markanten Überleitung mit Sforzati-Schlägen, in einer kraftvoll-triumphierenden Gestalt. Weich und besinnlich bleibt der weitere Verlauf: ein kurzes elegisches zweites Thema in Dur (dolce espressivo zu interpretieren), ein gedämpft-freundliches drittes in Moll,
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sicherlich das eigentliche Seitenthema, dessen Abwandlungen sich weit ausbreiten, und ein viertes (wieder in Dur), das beinahe heiter wirkt. Der mittlere Teil des Satzes - nach der Wiederholung des Eingangsteils - zeigt zunächst Facetten des Hauptthemas, dann, nach einer ersten Steigerung, solche des Seitenthemas. Der dritte Teil (Reprise) greift zurück auf den ersten (Exposition). In der Coda steht vor der wuchtigen Stretta ein reiner Streichquartettsatz mit ätherischen Pianissimo-Klängen von feinster polyphoner Struktur.
Das Träumerisch-Weiche des Andante ist beim Thema der Eckteile (A)
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verdüstert durch die tiefe Lage des Klaviers und die nervöse Unruhe, mit der die schwärmerischen Terz- und Sextverbindungen begleitet werden. Schwärmerisch ist auch der Oktavaufschwung des Themas im aufgehellteren Mittelteil (B). Die innere Unruhe bleibt auch hier, vor allem durch das Gegeneinander von drei Achteln (Triolen) und zwei Achteln. Beeindruckend ist die lange Überleitung zur Wiederholung des A-Teils, der verändert, gesteigert ist, in dem nun auch die Streicher das elegisch-schwelgerische Thema übernehmen, und zwar zunächst die 1. Violine und das Cello in ausdrucksvollen Terzparallelen. Von besonderer Schönheit ist auch die Coda, die Elemente des A- und des B-Teils miteinander verbindet.
Der Scherzo-Hauptteil ist geprägt von drei sehr unterschiedlichen, unmittelbar nebeneinandergesetzten Themen: einem ersten, das durch Synkopen,
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einem zweiten, das durch ‚punktierten’ Rhythmus und Sechzehntel,
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und einem dritten, das durch eine mit energischen Akkorden gestaltete Melodie charakterisiert ist.
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Diese drei Themen werden mehrfach wiederholt, das zweite wird zum wichtigsten; in der Mitte erscheint es als köstliches Fugato, am Ende wirkt es wie eine unheimliche wilde Jagd. Im Kontrast dazu erscheint das Trio wie ein freundliches Licht, zumal wenn seine vom Klavier angestimmte volksliedhafte C-Dur-Melodie von den Streichern übernommen wird. Bei einer weiteren Wiederholung – als Übergang zum Scherzo-Hauptteil – wird dieses Licht freilich wieder gedämpft.
Das Finale beginnt mit einer langsamen Einleitung, die wie aus der Tiefe kommend sich zu einer Art Adagio von großer Intensität entwickelt. Dem folgen das Hauptthema des Satzes:
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und ein espressivo zu spielendes Seitenthema:
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Und schon bei der ersten Präsentation dieser Themen wird das aus ihnen gewonnene Material mit überbordender Phantasie variiert und angereichert. Und in noch stärkerem Maße gilt dies, wenn die beiden vorgestellten Themen ein zweites Mal aufgegriffen werden. Auch im Schlussteil, der großen Presto-Coda im 6/8-Takt, finden sich Anklänge an diese Themen, z. B. an das zweite in fugierter Form. Zusammen mit einem neuen Thema
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bilden sie ebenfalls eine wilde Jagd, der aber das Unheimliche genommen ist. Bedrückend dagegen ist die Überleitung zu diesem Presto: eine in sich gekehrte Episode, die zeigt, welch wunderbare Musik Brahms allein aus einem Terz-Motiv gestalten kann.
17. Dezember 2015
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Klavierquintett
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