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Ankündigung Berühmt ist das G-Moll-Klavierquartett von Brahms durch seinen monumentalen ersten Satz geworden und auch durch die Bearbeitung für Orchester von Arnold Schönberg. Beliebt ist es durch die ergreifende Schönheit des Andante-Satzes und durch das zündende und in seiner Einfachheit brillante ‚Rondo alla Zingarese‘, in dem zigeunerisches Temperament sich mit Kunstverstand paart.
Johannes Brahms (1833-1897)
Klavierquartett g-Moll op. 25
Allegro Intermezzo: Allegro ma non troppo - Trio: Animato Andante con moto Rondo alla Zingarese: Presto
Mitte der 50er Jahre skizzierte Brahms seine drei Klavierquartette. Opus 25 und 26 wurden 1861, op. 60 erst 1875 veröffentlicht. Zum G-Moll-Quartett schrieb Arnold Schönberg 1937 eine Orchesterfassung, wohl wegen dessen symphonischer Ausmaße und wegen der „thematischen Vereinheitlichung durch Motivvariation“ (Reclam), die Schönberg besonders interessierte. Auch wollte er, „wie er sagte, endlich einmal alles hören, was in der Partitur steht“ (ebenda).
„Buchstäblich der ganze riesige Erste Satz – er dauert nahezu 14 Minuten - wird in ständig fortschreitender ‚entwickelnder Variation’ (Schönberg) aus dem Hauptthema (A) entfaltet, das in sich schon als motivische Entwicklung aus dem 1. Takt gestaltet ist.“ (ebenda.):
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Ein erstes Seitenthema (B; hier in der Fassung des dritten Teils des Satzes)
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unterbricht schon nach 10 Takten die Entwicklung des Hauptthemas, die dann mit einem höchst wirkungsvollen Sechzehntel-Motiv weitergeführt wird. Das nächste Thema (C) setzt mit dem Cello ein, das Klavier übernimmt es einige Takte später:
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Ein weiteres Thema (D) entwickelt sich aus dem vorherigen:
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Und ein letztes (E) beendet die Fülle der wunderschönen Themen in diesem Ersten Satz:
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- nicht abrupt, denn Motive des Hauptthemas leiten allmählich zum Mittelteil des Satzes hin, dessen Aufgabe es traditionell ist, das bisher Vorgestellte in neuem Licht erscheinen zu lassen. In diesem Klavierquartett ist es im Wesentlichen das Hauptthema, das - nach einer kurzen Erinnerung an das 1. Seitenthema - variiert wird und hochdramatisch (unter Verwendung des Sechzehntel-Motivs), aber auch lieblich und geheimnisvoll erscheint. Der dritte Teil, der - mit einer Reihe von Veränderungen - auf den ersten zurückgreift, setzt das Thema B vor das Hauptthema. Das Thema C wird ausgelassen. In der Coda steigert sich das Hauptmotiv noch einmal zu einem Fortissimo-Ausbruch. Dann verebbt der Satz im Piano von G-Moll-Akkorden.
Das Intermezzo steht anstelle des Scherzo-Satzes, also statt Humor und Heiterkeit ein recht verhaltenes ‚Dolce ed Espressivo’. Gegliedert ist es aber wie ein Scherzo: A B (‚Trio‘) A. Mehrmals einander abwechselnd und dabei in der Gestaltung sich verändernd, auch in sich immer wieder zwischen Streichern und Klavier die Themenführung wechselnd, prägen zwei Themen die unruhigen, verschatteten A-Teile: Ein erstes von Achtel-Repetitionen im 9/8-Takt in Cello bzw. Bratsche begleitet, „kapriziös und fahl zugleich“ (W. Niemann):
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Ein zweites wirkt ein wenig aufgelockerter und freundlicher:
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Das ‚Trio‘ steigert - außer in seinem Mittelstück - die Unruhe bis zum Nervösen. Nach der Wiederholung des A-Teils sind als Coda noch einige Takte des ‚Trios‘ zu hören.
Von ergreifender Schönheit ist der Andante-Satz. Neben einem liebevoll-innigen Thema steht ein klagendes zweites, von Akkord-Triolen begleitet, das zunächst den Bereich des ersten Themas nur kurz unterbricht, dann aber mitsamt einem weiteren klangvoll-pathetischen Motiv Bedeutung gewinnt. Eine Überleitung führt zu einem Mittelteil, dessen marschähnlicher Rhythmus und forsche Melodik einen für ein ‚Andante‘ überraschenden Kontrast zur liedhaften Thematik des ersten Teils bildet - ein wenig schon Vorgriff auf die Stimmung des ‚Rondo alla Zingarese‘. Dieser Marsch klingt zunächst wie aus weiter Ferne, wird dann jäh unterbrochen von einem dramatischen, polyphon gesetzten Zwischenstück
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und im Fortissimo fortgesetzt. Jenes Zwischenstück bildet auch den Abschluss des Marsch-Teils. Wunderschön ist der Übergang von diesem Teil zum großartig variierten Anfangsteil.
Das Rondo alla Zingarese zeigt zigeunerisches Temperament mit Kunstverstand gebändigt; aber es bleibt zündend und ist in seiner Einfachheit brillant. Vor allem angesichts dieses letzten Satzes verwundert es nicht, dass die Wiener das Klavierquartett mit Brahms am Klavier begeistert aufnahmen (1862), die Hamburger dagegen, die die Uraufführung mit Clara Schumann (16. Nov. 1861) hören konnten, reserviert blieben. Und so wurde Wien die neue Heimat von Brahms. Das ‚Rondo alla Zingarese‘ ist das Gegenstück zum Ersten Satz: Nicht bestimmt das ‚Finale‘ ein ständiges Variieren eines einzigen Motivs, sondern einfaches Nebeneinanderrücken einer Reihe von eingängigen Themen: Ein schwungvolles Rondo-Thema (A) leitet es ein; es folgt ein Thema, bei dem zwei Viertelschläge mit einer aufwärts steigenden Sechzehntel-Tonleiter sich abwechseln (B); dann wieder das Rondo-Thema (A). Nun erzeugen Sechzehntel, im Wesentlichen in Sekundschritten, den Eindruck eines schnell hinhuschenden Wirbelwinds (C). Einer zweiten Wiederholung des Rondo-Themas (A) schließt sich ein pompös-feierliches Stück an (D) und als letztes Thema eines voll von süßem Schmelz (E). Dann wird C, D und B wiederholt, aber immer wieder in veränderter Form. Eine Klavierkadenz erinnert an das Cymbal der Zigeuner. Die süße Melodie (E) wird einige Takte lang in feiner Weise polyphon gesetzt, einige Takte lang erscheint das Wirbelwind-Thema (C) und auch nur kurz das Thema D, dem das Pompös-Feierliche völlig genommen ist. Das Thema C steigert sich ins Rauschhafte und mündet in eine dritte Wiederholung des Rondo-Themas, die sich von dem begeisternden Rausch hat anstecken lassen.
April 2020
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Klavierquartette / Klavierquartett op. 26 A-Dur
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