Alexander Borodin (1833 – 1887)
Streichquartett Nr.2 D-Dur (1881)
Allegro moderato Scherzo: Allegro Notturno: Andante Finale: Andante – Vivace
Die beiden Streichquartette Borodins haben einen hohen Stellenwert innerhalb der klassisch-romantischen Quartett-Literatur, was zunächst verwundert, wenn man bedenkt, dass Borodin nur nebenberuflich Komponist war. Geboren in Petersburg 1833 als unehelicher Sohn eines russischen Fürsten und dessen 24-jähriger Mätresse, Studium der Medizin und nebenbei auch der Musik, Promotion in Chemie 1858, schließlich Militärarzt. 1862, also im Alter von 29 Jahren, erhielt er eine Professur für Chemie, leistete Wegweisendes in seinem Fach und setzte sich für die Möglichkeit des Frauenstudiums ein. Eine große Familie und viele Freunde, z. B. die Komponisten des sogenannten ‘Mächtigen Häufleins’ um Mussorgsky, die die russische Musik erneuern wollten - das war sein Leben starb. An Musik ist wenig geblieben, eben weil Borodin wenig Zeit hatte zum Komponieren. Sein Hauptwerk sind die Oper "Fürst Igor" mit den berühmten ‚Polowetzer Tänzen‘ und eben die beiden großen Streichquartette.
Im Ersten Satz des zweiten dieser Quartette stimmt das Cello das sanft sprechende Hauptthema an,
|
|
das weit ausgesponnen wird. Das freundliche zweite Thema (‚cantabile’)
|
|
wird pizzikato begleitet; ein drittes - durch punktierten Auftakt charakterisiert -
|
|
setzt dem bisherigen Ablauf energische Lebendigkeit entgegen. Nach einem Ritardando beginnt der zweite Teil des ‚Allego moderato‘, der die Aufgabe hat, die bisher vorgestellten Themen verändert neu zu ordnen. So erscheint zu Beginn das Hauptthema in den ersten Takten recht geheimnisvoll in F-, statt in D-Dur. Die Punktierung des dritten Themas bringt ein wenig Munterkeit und entwickelt sich zu einem hübschen marschähnlichen neuen Thema. Dann spielen die einzelnen Instrumente in beschwingtem Wechsel mit dem - veränderten - zweiten, dem ‚Cantabile’-Thema. Der dritte Teil des Satzes greift den ersten wieder auf. Die Veränderungen, die die Themen dabei erfahren, sind höchst reizvoll, wenn beispielsweise das erste Thema kurz vor dem Einsatz des zweiten in neuem, sehr farbigem harmonischen Gewand erscheint. Und auch das dritte Thema wird farbiger vorgeführt. Mit einem melancholischen ‚Tranquillo‘ klingt der schöne Satz im Pianissimo aus.
Dahinhuschende Achtel charakterisieren den Hauptteil (A) des reizenden Scherzos:
|
|
Sein ‚Trio-Teil‘ (B) mit den in Terzparallelen laufenden ‚Schleifermotiven‘
|
|
wirkt eher wienerisch als russisch. Haupt- und Trio-Teil wechseln mehrfach einander ab: A - B - A‘ - B‘ - A‘ - B‘ - A‘; die einzelnen Teile werden bei ihren Wiederholungen teilweise stark verändert. So wird der mittlere Trio-Teil mit Elementen des A-Teils beendet; der letzte Hauptteil ist verkürzt auf eine Stretta, die das Scherzo pianissimo ausklingen lässt.
Dieses 2. Quartett Borodins ist vor allem berühmt wegen seines Notturnos (‚Nachtstück‘) und dessen eindringlicher Melodie, die zunächst vom Cello vorgestellt wird vor einem durch Synkopen rhythmisch unruhigen Hintergrund:
|
|
Wenn dann die 1. Violine die Melodie wiederholt, hat sich der Rhythmus beruhigt, so dass die Melodie ihren ganzen Schmelz entfalten kann. Dieser süße Gesang wird unterbrochen von mehreren ‚appassionato e risoluto‘ zu spielenden aufsteigenden Tonleitern und einem sich anschließenden von Trillern bestimmten tänzerischen Spiel. Nach dieser kurzen Tonleiter-Passage wird die Notturno-Melodie wieder aufgegriffen, verändert und mit dem Tonleiter-Motiv verwoben. Schließlich „erscheint die Leitmelodie in echoartigen Imitationseffekten“ (Reclam). Die Coda beginnt mit dem Wechselspiel zwischen Melodie und Tonleiter, deutet noch einmal ‚dolce - molto espressione‘ die Notturno-Melodie an und klingt ‚perdendosi‘ - im zartesten Pianissimo sich verlierend - aus.
Höchst ungewöhnlich ist die Andante-Einleitung des Finales mit den Achteln der Geigen im Unisono und den antwortenden Unisono-Vierteln von Bratsche und Cello. Das Achtel-Motiv der Einleitung erscheint im Vivace in fugierter Verarbeitung, die zum chromatisch geprägten weitgespannten Haupt-Thema hinführt. Nach dessen Abschluss wird das Eingangs-Andante wiederholt. Damit beginnt der zweite Teil des Satzes: Das Haupt-Thema erscheint in sehr verwandelter Form; auch der Beginn des Andante-Themas wird in diese Verwandlung mit eingebunden. Mit der dritten Wiederholung des Andante-Themas beginnt der dritte Teil des Satzes: Der fugierte Teil und ebenso das chromatische Hauptthema werden wieder aufgegriffen. Mit einer Andeutung des Andante-Motivs beginnt die Coda, in der die beiden Themen ebenfalls nur noch angedeutet werden und zum glänzenden Fortissimo-Abschluss führen.
November 2017
|
Streichquartette
|
|
|
|