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Ankündigung Es ist ein grandioses Stück Musik und sein Finale so atemberaubend wie das in Mozarts ‚Jupiter-Sinfonie’. Einzigartig ist beispielsweise auch die Einleitung zum Ersten Satz und einzigartig das Andante dieses Quartetts.
L. v. Beethoven (1770 - 1827)
Streichquartett C-Dur op. 59/3
Introduzione (Andante con moto) - Allegro vivace Andante con moto quasi Allegretto Menuetto: Grazioso Allegro molto
zur Entstehung vgl. op. 59/1
Man hat Beethovens 59/3 als ‚Heldenquartett’ bezeichnet; man glaubte, in der Vitalität der beiden Ecksätze in C-Dur den heldenhaften Mut zu erkennen, der für Beethoven nötig war, um mit seiner Gehörlosigkeit leben zu können. In den Skizzenblättern zum Thema des Finalsatzes von op. 59,3 liest man u.a. auch die Notiz: „Kein Geheimnis sey dein Nichthören mehr - auch bey der Kunst.“
Nicht mit Vitalität, sondern mit beinahe schmerzhafter Spannung wird der Kopfsatz eingeleitet. Zum ersten Mal beginnt Beethoven den Ersten Satz eines Streichquartetts mit einer solchen langsamen Introduzione, er schließt damit an eine alte Tradition an, aber die Art, wie er es tut, hat Revolutionäres an sich: nie gehörte harmonische Eingebungen von stärkster innerer Spannung, die sich schließlich löst in der kraftvoll-tänzerischen Fröhlichkeit eines ersten Allegro-Themas:
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Es ist eine Vorform des Hauptthemas, das mit „drei parallel geführten Oberstimmen über ostinat hämmernden Grundton-Achteln des Cellos“ (Reclam) mit Nachdruck eingeführt wird:
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Das Seitenthema - mit einer kleinen Sekund als Auftakt - bildet einen kurzen beruhigenden Moment. Nach der Wiederholung dieses ersten Teils verwandelt der zweite Teil des ‚Allegro vivace’ das bisher Vorgestellte, indem er die Themen abwandelt, in neue Zusammenhänge setzt, sie zu virtuosem Spiel benutzt, indem er aus Details Neues schafft, der kleinen Sekund des Seitenthemas mehr Bedeutung gibt. Von Abwandlungen lebt auch der dritte Teil des Satzes, der traditionell den ersten noch einmal wiedergeben soll. Mit einer einfachen Wiedergabe aber kann sich Beethoven nicht begnügen.
Der Langsame Satz ist - wie W. Riezler meint - im ‚russischen Stil’ geschrieben; er stehe „in der passiven Melancholie der immer festgehaltenen Achtelbewegung und in der Anwendung der harmonischen Moll-Tonleiter mit der übermäßigen Sekunde gis-f bei Beethoven einzig da“:
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Der Widmungsträger der drei Quartette op. 59, Fürst Rasoumowsky, hatte sich russische Melodien für diese Werke gewünscht. Bei den ersten beiden hatte Beethoven ihm diesen Wunsch erfüllt. Der ‚russische Stil‘ könnte anstelle einer russischen Melodie stehen, die in diesem Quartett fehlt. Die „sanft wiegende Dreierbewegung“ der Achtel geht nahezu ununterbrochen durch den gesamten Satz, so dass Zäsuren und Themenwechsel wenig auffallen. Das Eingangsthema wird gegen Ende noch einmal aufgegriffen. Dazwischen findet sich eine Passage, die von einem Seufzer-Motiv geprägt ist und eine zweite, heiter wirkende, die mit vier aufsteigenden Sechzehntel eingeleitet wird:
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Die Seufzermotiv-Passage wird, mit einem neuen Motiv versehen,
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ausgeweitet und ebenso der heitere Teil. Eindringliche Harmonien über dem Pizzicato des Cellos führen zum Eingangsthema zurück; das Seufzer-Motiv ist noch einmal zu hören und mit einem weiteren Cello-Pizzicato, dieses Mal über ein- und demselben Akkord (a-Moll), schließt der Satz.
Wie die ‚Introduzione’ ist auch das Menuett ein Rückgriff auf die Tradition, hier aber ohne revolutionäre Umformung, sondern historisierend, sozusagen die beiden großen Vorgänger Haydn und Mozart zitierend – ein Kontrast zu dem Beethovenschen der übrigen Sätze, aber ein sehr hübscher. Der Mittelteil dieses Satzes, das Trio, ist zupackender, und sehr eigenwillig ist die Coda, die ‚attacca subito’ zum grandiosen atemberaubenden Finale überleitet.
„Der innere Glanz und die vitale Energie dieses zum Teil fugierten, aber ebensowenig wie das Finale von Mozarts ‚Jupiter-Sinfonie’ im Ganzen als Fuge durchgeführten Finales ist unvergleichlich“ (Riezler), ein „virtuoses und zugleich kompositorisches Glanzstück“. Das von der Bratsche vorgestellte fulminante Fugenthema
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prägt den gesamten Satz – eine Art Perpetuum Mobile. Auch im Seitenthema (nach einem kurzen Solo der Ersten Violine) setzt sich die Bewegung dieses Hauptthemas fort, und ebenso wird der zweite Teil des Satzes von dieser Bewegung mitgerissen. Die gestalterische Inspiration bei den Veränderungen des Hauptthemas und der diesem Thema entnommenen Motive ist faszinierend, wenn zum Beispiel ein Motiv aus vier Achteln aneinandergereiht, dabei stufenweise bis zum Forte aufwärts getrieben wird und zum Piano die Stufen wieder absteigt,
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und zwar nacheinander in Erster und Zweiter Violine, Bratsche und Cello.Nach einem g im Unisono aller vier Instrumenten beginnt der dritte Teil des Satzes, der mit einigen Änderungen den ersten wiederholt. Die Coda ist ungewöhnlich lang und besonders eindrucksvoll, wenn das stufenweise Auf- und Absteigen wieder aufgegriffen wird.
Juni 2016
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Streichquartett op. 59/2 e-Moll / Streichquartett op. 74 Es-Dur
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