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Ludwig v. Beethoven (1770-1827)
Streichquartett Nr. 14 cis-Moll op. 131
I °°°Adagio, ma non troppo e molto espressivo II °°Allegro molto vivace III °Allegro moderato / Adagio IV °Andante, ma non troppo e molto cantabile V °°Presto VI °Adagio quasi un poco andante VII Allegro
Das grandiose Op. 131 entstand 1826; wahrscheinlich wurde es zu Lebzeiten Beethovens nicht aufgeführt, jedenfalls nicht öffentlich. Gewidmet ist es mit op. 130 und 132 dem russischen Fürsten Golitzin. Es „zeigt Beethovens Altersstil besonders ausgeprägt: eine zerklüftete, kontrastreiche Musik“, aber auch eine Musik, die unmittelbar zu Herzen geht, die das Gemüt durch seine Schwermut tief ergreift, die von Unbeschwertem, Heiterem, Leichtem bis hin zum Leidvollen eine unendliche Fülle von Ausdrucksmöglichkeiten hat.
Zu Beginn steht eine kunstvoll gebaute große Fuge. Sie entstand unmittelbar nach der ‚Großen Fuge‘ op. 133, die ursprünglich als Schluss-Satz von op. 130 gedacht war, und ist in ihrer schmerzlichen Feinheit das extreme Gegenteil zum Gewaltsam-Gewaltigen von op. 133. Richard Wagner sieht in der Fuge op. 131 „wohl das Schwermütigste, was je in Tönen ausgesagt ist; ich möchte (es) mit dem Erwachen des Tages bezeichnen, der in seinem langen Lauf nicht einen Wunsch erfüllen“ wird. Eines der Mittel, die diese starke Emotion erzeugen, ist der „emphatisch-schmerzliche sfz-Nachdruck“ auf dem vierten Ton des Themas:
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Mit einem Oktavsprung in D-Dur hinein beginnt im 6/8-Takt das lebhafte, tänzerische, sich drei Mal wiederholende Rondo-Thema des folgenden Allegro, das - auch mit den bisweilen etwas ruppig klingenden Zwischenspielen - den stärksten Kontrast zur Cis-Moll-Schwermut der Fuge bildet.
Ohne Unterbrechung folgt der Dritte Satz (Allegro moderato/Adagio), bestehend aus einem kurzen Rezitativ und einer Kadenz, die zu verstehen sind als Überleitung zum riesigen Andante - alle Sätze dieses Quartetts gehen unmittelbar ineinander über.
Im Vierten Satz, dem Andante, wird ein zunächst zwischen den beiden Geigen aufgeteiltes naiv wirkendes Thema (hier sein Beginn)
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sechs Mal in ungemein komplexer Weise und in immer größerer Intensität variiert - ein Höhepunkt der Beethovenschen Variationskunst. Polyphon verdichtet erscheint die 1. Variation. Polyphone Dichte und marschähnliche Begleitung einer sich von dem Thema weit entfernenden melodische Bewegung zeichnet die 2. Variation aus. Die 3. Variation zeigt in einem ersten Teil ein punktiertes Motiv als zweistimmigen Kanon, in einem zweiten Teil ein dichtes, durch Triller charakterisiertes vierstimmiges Geflecht (Andante moderato e lusinghiero). Im ‚Adagio‘ der 4. Variation stehen zunächst sanfte melodische Linien im Kontrast zu den abschließenden Pizzicati. Der zweite Teil zeigt dagegen einvernehmliches Wechselspiel aller vier Instrumente. Die fünfte Variation entfernt sich weit vom Ausgangsthema, die rhythmische Struktur wirkt durch Synkopen unruhig und auch die melodische Struktur wirkt wie zerstört. Näher am Ursprung ist die 6. Variation; der langsame Fluss von ‚sotto voce‘ zu spielenden Akkorden wird im Cello zunehmend durch ein manchmal ruppiges Motiv von vier Sechzehntel ‚gestört‘. Mit kadenzartigen Triolenfiguren und längeren für den späten Beethoven so typischen Trillerketten der 1. Violine setzt die Coda ein, in der das Thema zunächst in einfacher Form in der 1. Violine erklingt, dann in der 2. Violine und Viola, dazu Triller in der 1. Violine und eigentümliche Zweiunddreißigstel-Dreiklänge im Cello. Noch einmal wird das Thema angedeutet, dann führt eine Kadenz zu den Schlusstakten, die durch zwei Generalpausen wie verlöschend wirken.
Das folgende unbeschwerte Presto hat Scherzo-Charakter; der leichte, luftige, teilweise spukhaft-scherzende, kinderliedähnliche A-Teil wechselt mit einem ländlich-heiteren B-Teil: A B A B A; der A-Teil wird jeweils mit Pizzicati wieder eingeleitet. Die köstliche Coda deutet die Teile B und A kurz an, als Gipfel des Spiels wird durch die Sul-ponticello-Technik (dicht am Steg spielen) eine neue Klangfarbe eingeführt.
Ein kurzes Adagio als Sechster Satz steht wie ein wehmütiges Gebet zwischen dem munteren Spiel des Prestos und dem wilden Finale.
Drei Themen werden zu Beginn des Siebten Satzes vorgestellt: ein zerrissenes 6-Ton-Motiv, das unisono vorgetragen wird:
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Ein zweites Thema, ein grimmiger Tanz, schließt unmittelbar an:
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Es ähnelt dem Hauptthema aus dem Finale des D-Moll-Quartetts von Schubert, der fünf Tage vor seinem Tod im November 1828 bei einer privaten Aufführung op.131 noch hören konnte: ein düsterer Totentanz hier wie dort. Antwort auf dieses Totentanz-Thema ist ein Halbton-Motiv der Klage,
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das den ganzen Satz durchzieht und in der Coda bestimmend wird. Noch einmal Richard Wagner: er nennt Beethovens Final-Satz „ein Tanzaufspiel, wie es die Welt noch nie gehört. Das ist der Tanz der Welt selbst: wilde Lust, schmerzliche Klage, Wollust und Leid. Da zuckt es wie Blitze, Wettergrollen.“ Aber es fehlen auch nicht freundlichere Töne. Sie zu intonieren ist traditionell Aufgabe des Seitenthemas, so auch hier:
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Das Tanz-Thema wird noch einmal aufgegriffen; damit schließt der erste Teil des Satzes. Im zweiten Teil erscheinen alle bisher vorgestellten Themen in verwandelter Form, das Klage-Motiv beispielweise in umgekehrter Tonfolge. Dieser Teil ist verhältnismäßig kurz, er wird gleichsam fortgesetzt in der ungewöhnlich langen Coda. Er endet mit einem eigenartigen Flimmern von Achtel-Halbtonschritten. Der dritte Teil greift den ersten auf, auch dabei gibt es Veränderungen, zum Beispiel ein Dreiton-Motiv als Kontrapunkt zum Tanzthema. Dieses Motiv wird an Ende der Coda noch einmal bedeutsam. Diese Coda greift alles bisher Gehörte noch einmal auf und formt es um zu einem neuen Stück großartiger Musik.
Juni 2019
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Streichquartett op. 130 B-Dur / Streichquartett op. 132 a-Moll
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