L. v. Beethoven (1770-1827)
Sonate für Violoncello und Klavier C-Dur op.102/1
Andante - Allegro vivace Adagio - Tempo d'Andante Allegro vivace
Mit den Cello-Sonaten op. 102 aus dem Jahr 1815 beginnt Beethovens Spätstil, der kammermusikalisch voll ausgeprägt ist in den letzten Streichquartetten, in den letzten Klaviersonaten und in den Diabelli-Variationen. Spätstil, das bedeutet u. a. weniger Rücksicht auf das Klanglich-Gefällige, stattdessen eine neue, oft die Extreme suchende Klanglichkeit, desweiteren eine das zeitgenössische Publikum und auch die Interpreten oft überfordernde Erweiterung des Kompositionstechnischen und des Ausdrucksbereichs, also „rascher Wechsel der Gefühlsgegensätze, lapidarer Aufbau, gedrängte Kürze, Kühnheit im Modulatorischen“ (K. Schumann), Einbezug von Elementen der Polyphonie, Lockerung der formalen Prinzipien.
Lockerung der formalen Prinzipien heißt bei der C-Dur-Sonate, dass sie im Wesentlichen aus zwei Allegro-vivace-Sätzen besteht. Vor dem ersten ‚Allegro‘ und zwischen beiden schnellen Sätzen stehen langsame, „fast improvisatorisch freie Sätze“ (W. Riezler) – es handelt sich eher um eine Fantasie als um eine Sonate – „freye Sonate“ nennt Beethoven sie im Manuskript.
Der erste dieser langsamen Sätze, das Andante, beginnt mit einem durch ein Motiv von vier abfallenden Tonleiterschritten und durch eine folgende Aufwärtsbewegung charakterisierten Thema
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und bildet mit seiner zärtlich-versponnenen Stimmung einen extremen Gegensatz zur Härte des energisch punktiert auf- und abfahrenden Hauptthemas im folgenden Allegro vivace:
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Gedrängte Kürze charakterisiert diesen Satz in besonderer Weise: Haupt- und Seitenthema
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werden unvermittelt nebeneinandergesetzt, der Mittelteil der Sonate, der die vorgestellten Themen, in diesem Fall im Wesentlichen das Hauptthema, abwandelt, besteht aus nur wenigen Takten. Die Wiederaufnahme des ersten Teils endet mit einer schönen Überleitung zum Adagio, das nach einer Fermate einsetzt.
Aus dem unbestimmt Schweifenden des Adagio-Beginns erscheint, mit einem Seufzer-Motiv beginnend, ein Themenstück von tiefster Schwermut. Diesen Takten wird wie ein Licht in der Dunkelheit eine kleine Melodie voller Lieblichkeit entgegengesetzt:
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Das ‚Adagio‘ schließt mit einer Erinnerung an das ‚dolce cantabile’ des Eingangs-Andante. Diese dient auch als Übergang zum ‚Allegro vivace‘.
Der Spätstil Beethovens ist im zweiten Allegro vivace, das sich nach einer Fermate unmittelbar an das Adagio bzw. Tempo d’Andante anschließt, besonders ausgeprägt: Eine größtmögliche Verknappung, Verdichtung erlaubt keine langen Zwischenstücke zwischen dem Rondo-Thema und seinen drei Wiederholungen. Bei der ersten Wiederholung wird das Thema fugiert verarbeitet und der Ausklang dieser Verarbeitung muss als Zwischenstück genügen. Die Zwischenstücke vor der ersten und nach der zweiten Wiederholung sind eine Mischung von bacchantischer Ekstase und sorgfältiger polyphoner Arbeit. Das Thema selbst wird immer piano und dolce gespielt, wirkt aber recht keck mit seinem Kopfmotiv,
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das sozusagen das ‚Urei’ des gesamten Satzes ist. Bei der ersten und dritten Wiederholung hilft ihm das Cello mit Einzeltönen und Quinten bei der Einleitung zum Thema.
April 2021
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op. 69 A-Dur / op. 102/2 D-Dur
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