Béla Bartók (1881-26.9.1945)
Sonate für Violine und Klavier Nr. 2 Sz 76
Molto moderato Allegretto
Bartók hat seine beiden Violinsonaten aus den Jahren 1921 und 1922 für die ungarische Geigerin Jelly d'Arányi geschrieben. Die Zwanziger Jahre waren die ‚wilden‘ Jahre Bartóks, in denen er die Härte der ihm nun eigenen Tonsprache, eine Art herber Antiromantik, entwickelte. Zur ‚Atonalität‘ kam Bartók nicht wie Schönberg, der die Auflösung der Tonalität, wie sie sich in der Spätromantik andeutete, zu Ende dachte, sondern durch ein Zurückerinnern an Musik vor der Dur-Moll-Tonalität, wie sie sich in der Volksmusik Südosteuropas erhalten hatte. „Das Studium all dieser Bauernmusik“, schrieb er, „war deshalb von entscheidender Bedeutung für mich, weil sie mich auf die Möglichkeit einer vollständigen Emanzipation von der Alleinherrschaft des bisherigen Dur- und Moll-Systems brachte.“ Sie zeige außerdem „mannigfaltigste und freieste rhythmische Gebilde und Taktwechsel“. Seine Musik bildete sich also in der Auseinandersetzung mit dieser Volksmusik, nicht aber durch eine direkte Übernahme von Volksliedmaterial.
Die Zweisätzigkeit der 2. Violinsonate entspricht einem Dualismus in Bartóks Temperament: Expressivität (1. Satz) und Vitalität (2. Satz).
So fordert der Komponist denn auch zu Beginn des Ersten Satzes ein ‚espressivo‘.
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Dieser Beginn ist eine Art weitgespannter motivischer Leitgedanke; exakt in der Mitte und am Ende wird er wiederholt. Dieser Leitgedanke hat eher tonalen, dem Hörer mehr vertrauten Charakter. Dazwischen finden sich „mannigfaltigste und freieste rhythmische Gebilde und Taktwechsel“ und eine Lösung von der Tonalität des Dur- und Moll-Systems, wie Bartok sie an der ‚Bauernmusik‘ schätzte. Es handelt sich also um eine freie Fantasie, deren Einheit entsteht, indem einzelne Motive, die oft von großen Intervallsprüngen geprägt sind, „variiert und mosaikartig aneinandergereiht werden“ (W. Ludewig).
Vitalität, die sich vor allem in einer faszinierenden rhythmischen Gespanntheit dokumentiert, ist Kennzeichen des Zweiten Satzes. Die einzelnen Elemente unterschiedlicher einfacher, aber auch höchst komplizierter Rhythmen werden zu einer interessanten Reihung von ‚Bauerntänzen‘ zusammengesetzt. Die Rauheit der Musiksprache gehört aufs Natürlichste dazu. Es gibt aber auch Ruhephasen mit besinnlichen Tönen in diesem gut zwölfminütigem Satz, sogar der Leitgedanke des 1. Satzes klingt - wiederum exakt in der Mitte – an. Der Tanzcharakter nimmt in der zweiten Hälfte zunehmend ab und so endet der Satz mit leisen hohen Tönen.
August 2015
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