Ankündigung Mozarts Zeitgenossen taten sich schwer mit dem Klavierquartett in g-Moll: so viel Ernst, Leidenschaft und Tiefe entsprach nicht ihren Hörgewohnheiten. Der Verleger Hoffmeister forderte die Vorauszahlung für zwei weitere Quartette nicht zurück unter der Bedingung, dass Mozart sie nicht schrieb. Die Hörgewohnheiten haben sich mittlerweile geändert. Seit dem Schicksalsmotiv von Beethovens ‚Fünfter‘ wird Mozarts Werk, das auch sein Schicksalsmotiv hat,
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als ein Höhepunkt seiner Kammermusik geschätzt. Die Milde des Zweiten und die heitere Leichtigkeit des Dritten Satzes bilden das beruhigende Gegenstück zur Schicksalsschwere des Ersten.
Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791)
Klavierquartett g-Moll KV 478
Allegro Andante Rondo: Allegro
Die Originalhandschrift zu diesem Klavierquartett trägt das Datum 16. Oktober 1785. Im Herbst 1785 arbeitete Mozart an Le Nozze di Figaro. Vermutlich weil er dringend Geld brauchte und mit dem Verleger und Freund Franz Anton Hoffmeister eine Reihe von drei Klavierquartetten vereinbart hatte, unterbrach er die Arbeit an ‘Figaros Hochzeit’. "Kurz-leicht-popular", so sollte das erste Klavierquartett nach dem Wunsch des Verlegers sein, der selbst solche Musik komponierte, „damit es die großbürgerlichen und adeligen Dilettanten eifrig kaufen und in ihren Salons zum Besten geben“. Mozart hat ihm diesen Wunsch nicht erfüllt, und so blieb nach der Veröffentlichung des ersten Quartetts das Publikumsinteresse gering. Schon die Gattung ‘Klavierquartett’ war dem Publikum fremd - es ist das erste dieser Art in der Musikgeschichte -, von der Musik gar nicht zu reden. Zudem war der Klavierpart zu schwer für Dilettanten, „und die drei Streicherparte“, so schreibt Alfred Einstein, sind „in einem Grade thematisch beteiligt, der über die Gewohnheiten und den Horizont der Dilettanten hinausging.“ Der Verleger Hoffmeister forderte die Vorauszahlung für die beiden weiteren Quartette nicht zurück unter der Bedingung, dass Mozart sie nicht schrieb. Da hatte Mozart schon ein zweites geschrieben, und Hoffmeister einen Teil der Stimmen schon gestochen. Es erschien dann beim Verlag ‚Artaria‘, dem Hoffmeister die Druckplatten des bisher Gestochenen verkaufte.
Nicht nur die spieltechnischen Schwierigkeiten schreckten die Dilettanten ab. Es gab auch, schreibt Einstein, „die Schwierigkeit, sich abzufinden mit so viel Ernst, Leidenschaft, Tiefe. Dies ist keine gesellschaftliche Kunst mehr, die man genießerisch oder lächelnd anhören könnte. Es ist die Schicksalstonart Mozarts … und man könnte den wilden Befehl, der im Unisono den Ersten Satz eröffnet
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und der dem ganzen Satz sein Gepräge gibt, immer im Hintergrund droht und ihn erbarmungslos abschließt, mit gleichem Recht ein Schicksalsmotiv nennen wie das Vier-Noten-Motiv der Fünften Sinfonie Beethovens.“ Zwei Seitenthemen, unverbunden hintereinandergestellt, gleichen das Drohende des Hauptthemas aus: eines, das mit seinen Terzen gefällig und freundlich klingt:
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und ein zweites, das im Wechsel von Vierteln und Sechzehntel reizenden Charme ausstrahlt:
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Der zweite Teil eines solchen klassischen Sonatensatzes, wie er hier vorliegt, hat traditionell die Aufgabe, durch vielfältige Veränderungen das bisher Gehörte in neuem Licht zu zeigen. Nicht so in diesem Quartett, denn das verändernde Spiel mit dem Hauptthema hat schon auf beeindruckende Weise gleich nach der Vorstellung des Hauptthemas stattgefunden. Jetzt, für den zweiten Teil, findet Mozart eine neue Melodie, die zunächst - vom Klavier solo vorgetragen - voll von wehmütiger Süße ist, dann im kontrapunktischen Mit- und Gegeneinander sich in Härte und Schärfe verwandelt und sich steigert, bis der Einsatz des Schicksalsmotivs diesen zweiten Teil abschließt. Der dritte Teil wiederholt mit sehr feinen Veränderungen den ersten. Die Coda zitiert notengetreu den Anfang des Satzes und beendet ihn mit einer weiteren Steigerung von Schärfe und Härte.
„Das Andante ist das milde Gegenstück zu dieser Schicksalshärte.“ (Einstein) Es wird von zwei Themen bestimmt, einem lieblichen, akkordisch vorgetragenen:
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und einem das Melancholische streifenden:
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Durch eine ausgedehnte, von Zweiunddreißigsteln begleitete Abschlussphrase
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werden sie verbunden und abgeschlossen. Im Detail sehr verändert wird das bisher Gehörte wiederholt.
‚Rondo‘ steht in der Partitur über dem Dritten Satz. Dieser Satz zeigt aber auch Charakteristika des klassischen Sonatensatzes, so dass die folgende Erläuterung sich auf diesen Aspekt beschränken kann. Mit seiner geistvollen Munterkeit bildet er ebenfalls ein Gegengewicht zum Ersten Satz. Der heiteren Leichtigkeit des Hauptthemas
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folgen drei ‚Seitenthemen‘: Ein erstes ist mehr lyrisch gefärbt:
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Nach einem kurzen Zwischenstück kommt ein zweites recht launig daher:
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Das dritte sprüht vor Fröhlichkeit (hier die Fassung des dritten Teils):
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Und dazwischen immer wieder virtuoses Spielwerk mit vielen Noten, von denen keine zu viel ist. Die Wiederholung des Rondo-Themas beschließt diesen ersten Teil. Dem folgt der zweite Teil, der eigentlich das bisher Vorgestellte abwandelt, aus neuer Perspektive sieht. Aber wie im Ersten Satz setzt Mozart ein neues Motiv ein,
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mit dem er ein dramatisches, ja düsteres Spiel treibt. Anklänge an den ersten Teil bleiben versteckt. Der dritte Teil greift den ersten ab den drei Seitenthemen wieder auf. Mit einer Wiederholung des Rondo-Themas beginnt die rasante Coda, in der eine kurze Zurücknahme zum Piano eine letzte Überraschung bringt.
Juni 2020
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Klavierquartett Es-Dur KV 493
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