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Heiter die Operette – bedrückend das Sterben ihres Komponisten
Über Léon Jessels ‚Schwarzwaldmädel’


Ein musikalisch gekonnter Beginn: nach einer Bauernpolka, die sich ins Ohr festsetzt und leitmotivisch immer wiederkehrt, bereitet sich in St. Christoph im Schwarzwald der Domkapellmeister Blasius Römer am Harmonium auf den Gottesdienst des nächsten Tags vor; er übt an einem Choral zu Ehren der hl. Cäcilie, und unter der Hand wird aus dem Choral ein schwungvoller Walzer: der alternde Witwer ist noch voller Temperament und freut sich noch am Leben, vor allem an dem im Dorf geächteten Bärbele, das als Magd bei ihm arbeitet und über das er seine schützende Hand hält.

Ins Haus des Domkapellmeisters kommen, von Römers Tochter Hannele eingeladen, zwei junge Herren, die sich als wandernde Musikaten ausgeben: Hans, der vor seiner Freundin Malwine aus Berlin geflohen ist, und sein Freund Richard.

Jessels Sinn für zündende Melodik und sein großes handwerkliches Können, die Einfälle gekonnt zu orchestrieren, bewährt sich auch bei diesen beiden jungen Herren: Ihr Wanderlied „Wir sind auf der Walz vom Rhein nach der Pfalz“ ist ein Ohrwurm sondergleichen. Und damit es nicht allzu jugendbewegt klingt, üben die beiden sich in Selbstironie: “Wir singen, wie der Vogel singt, wir singen, wenn auch falsch es klingt, bis hell der Morgen graut.“ Bärbele setzt später noch eins drauf: „Und bis dem Hörer graut.“

Bärbele verguckt sich in Hans. Das Entsagungsmotiv deutet sich an: der ältere Mann, hier Blasius Römer, muss auf seine Liebe verzichten; mit dem Jüngeren kann er nicht konkurrieren - Erinnerung an eine große Operngestalt, an Hans Sachs aus Wagners ‚Meistersinger’. Am Ende des Zweiten Akts in einer Prügelszene und beim Auftreten des Nachtwächters zitiert Jessel die ‚Meistersinger’ dann auch wörtlich.

Genau studieren konnte Jessel Richard Wagner während seiner Zeit als Theaterkapellmeister: Ab seinem zwanzigsten Lebensjahr, nämlich ab 1891, dirigierte er 13 Spielzeiten lang an den Opernhäusern verschiedener deutscher Städte, schrieb auch selbst Opern, bis er von Kompositionen der ‚leichteren’ Muse leben konnte, zumeist in Berlin.

Zurück zu Bärbele: Zunächst scheint sie keine Chancen zu haben; Hans ist zum Frauenhasser geworden und Schuld daran hat Malwine. Sie war mit Hans liiert, ist aber offenbar so flatterhaft, dass Hans aus dieser Beziehung floh. Malwines Philosophie: „Die Frau regiert, die euch dressiert und kokettiert.“ Erläutert wird diese Erkenntnis durch einen schönen Walzer über die Koketterie: „Lockende Augen“. Hier klingt die ‚Berliner’ Operette ‚Schwarzwaldmädel’ (1917 – während des Ersten Weltkriegs! - entstanden) sehr wienerisch; und es wird verständlich, dass ‚Schwarzwaldmädel’ sich immer neben den großen ‚Wiener’ Operetten von Fall, Strauß und Lehár behauptet hat.

Hans wirft Malwine, die den beiden Berlinern in den Schwarzwald nachgereist ist, Lüge vor: „Nicht Liebe war es, Tändelei“. Malwine kann dem nur entgegnen: „Muss denn Lieb’ stets Tragödie sein? Ist sie nicht auch zum Vergnügen da?“ und sie ist sich sicher, dass sie Hans wieder erobern wird, obwohl dieser bekennt: „Ich liebe eine Andre.“

Ist die Andre das Bärbele? Das sehnt sich nach einem Kuss und küsst plötzlich – in Ermanglung eines Anderen?- ihren „Bli Bla Blasius, den vielgeliebten Musikus“. Beim Domkapellmeister läuten alle Glocken wegen seines „späten Glücks“.

Der Festtag der Heiligen Cäcilie und die Vorbereitungen auf den Tanz am Abend geben Anlass zu den schönsten Melodien der Operette: Bärbele möchte so gerne tanzen, aber sie steht „doch so ganz allein“. Der Domkapellmeister zögert mit ihr zu tanzen, weil es ihm um die „Reputation“ geht; schließlich traut er sich doch, denn es schaut niemand zu; und sie tanzen zum ‚Wiener’ Walzer: „Erklingen zum Tanze die Geigen“. Richard kokettiert mit den Schwarzwaldmädeln Lorle und Hannele und singt das berühmte “Mädle aus dem schwarzen Wald“; schließlich macht er der als Schwarzwaldmädel verkleideten Malwine auf seine Art den Hof: „Malwine, ach Malwine, du bist wie eine Biene“.

Der Tanzabend beginnt mit Damenwahl; Malwine wählt Hans, doch der lehnt ab. Bärbele fasst sich ein Herz und fordert den Domkapellmeister zum Tanz auf. Der Domkapellmeister aber erkennt, dass er zu alt ist für Bärbele und verzichtet auf den Tanz. Die ‚ehrsamen’ Leute von St. Christoph haben beobachtet, dass Bärbele tanzen wollte. Am Morgen schon hatten Kinder Bärbeles Tante als Hexe verhöhnt; nun heißt es, Bärbele sei eine Hexe wie ihre Tante, sie dürfe nicht auf die Tanzfläche. Hans fordert trotzig „die Hex“ zum Tanz auf; die Leut von St. Christoph stürzen sich auf ihn und seinen Freund Richard und eine wilde Prügelei beginnt. Der Zweite Akt schließt echt Berlinerisch: Richard, von Malwine geführt, humpelt über die Bühne: „Malwine, ach Malwine, mein Bein braucht eine Schiene.“ Im Dritten Akt wollen der Schwerenöter und die Flatterhafte heiraten, nicht ohne Hintergedanken: „Wenn der Mann beiseite springt und die Treue Reue bringt, wär die Frau wohl schwer blamiert, wenn sie sich nicht amüsiert.“ Das letzte Wort bzw. den letzten Auftritt haben Bärbele, Hans und der Domkapellmeister; noch einmal erklingen die Geigen zum Tanz und der Kapellmeister erkennt: „Doch wird es Herbst, dann entsag“.

Die Pogromstimmung auf der Tanzfläche in St. Christoph („Was will denn die in unsrer Mitte? Das Mädel ischt a Hex. Die darf net unter ehrsam Leut, die darf net mit uns tanze heut! Schlagt zu!“) ist eine Vorahnung des Unheils, das ein viertel Jahrhundert nach der Entstehung der Operette deren Komponisten überfiel. Er wurde aus ‚unsrer Mitte’ gestoßen, weil er Jude war. Das „Schlag zu“ wurde von der Gestapo exekutiert. Dezember 1941 wurde Jessel inhaftiert wegen „Hetze gegen das Reich“. Anlass war ein 1939 geschriebener Brief Jessels an seinen Librettisten Wilhelm Sterck nach Wien, den man bei einer Hausdurchsuchung beschlagnahmt hatte. Jessel hatte geschrieben: „Ich kann nicht arbeiten in einer Zeit, wo Judenhetze mein Volk zu vernichten droht, wo ich nicht weiß, wann das grausige Schicksal auch an meine Tür klopfen wird.“ Anfang Januar 1942 starb er an den Folgen der Inhaftierung.

Es zeigt sich am Leben und am Sterben des Komponisten Jessel der dumpfe Irrsinn, der 1933 in Deutschland zur Staatsmacht wurde: Jessel war, wenn man den Berichten glauben darf, bis 33 Nazi-Sympathisant, ja biederte sich den Nazi-Oberen geradezu an, hatte aber seit 1933 Aufführungsverbot und kam schließlich durch die Nazis zu Tode. Hitler seinerseits hörte sich ‚Schwarzwaldmädel’ gerne an, bewahrte den Komponisten aber nicht vor seiner Gestapo; sein rassistischer Wahn war stärker als die Sympathie für die Musik Jessels.



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