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Leoš Janáček
(1854-1928)

Zweites Streichquartett (‘Intime Briefe’)

Andante
Adagio
Moderato
Allegro

Die beiden Streichquartette Janáčeks gehören zu den herausragenden Werken dieser Gattung im 20. Jahrhundert. Stilistisch sind sie singulär, denn Janáček lehnte sich wenig an Kompositionsweisen der Tradition an und erst recht nicht an seine Zeitgenossen, mit deren Atonalität er nichts im Sinne hatte; wohl aber nahm er die Natur als Vorbild: er studierte in seiner mährischen Heimat die ‚Sprechmelodie’ seiner Landsleute, zeichnete in Noten möglichst exakt den Gesang der Vögel und andere Naturlaute auf. Rolf Sudbrack berichtet über ein Interview mit Janáček kurz vor dessen Tod: „Für ihn habe die Musik, sagte Janáček, so wie sie aus den Instrumenten klänge, wenig Wahrheit. Aber wenn er dem Klang eines redenden Menschen lausche, höre er am Tonfall, was in ihm stecke, ob er lüge, ob er erregt sei. Die Sprechmelodie sei ein Fensterchen in die Seele des Menschen.“ Darum ist sie für Janáček geeignet, als melodisches Material in seiner Musik eingesetzt zu werden.

Nachdem Janáček sich viele Jahre lang seinen eigenen Stil erarbeitet hatte, brachten ihn in seinem Alter die Emotionen einer großen Liebe dazu, das Erarbeitete in glutvoller Musik fruchtbar werden zu lassen. Über die Art dieser Liebe gibt es eine Andeutung Janáčeks: „Wir beide wollen von dem Verdacht einer anderen Art von Beziehung als sie unsere rein geistige ist, erlöst sein.“ 1917 war der Mittsechziger Janáček der achtunddreißig Jahre jüngeren Kamila Stösslová begegnet. Die Freundschaft und Liebe zu ihr währte bis zu seinem Tod am 12. August 1928.

„Gab es doch übergenug unserer Erlebnisse! Die werden wie Feuerchen in meiner Seele sein und sie zu den allerschönsten Melodien entzünden!“ So schrieb Janáček an Kamila Stösslová zu Beginn der Komposition des Streichquartetts ‚Intime Briefe’ im Januar 1928. Kurz nach dessen Beendigung (19. Februar 1928) schreibt er: „Diese Aufschreie der Freude, aber, welch seltsame Sache - auch Aufschreie des Schreckens nach dem Wiegenlied. Jubel, heißes Bekenntnis der Liebe, wehklagend; unbezähmbare Sehnsucht. Unerbittlicher Entschluss, mich mit der Welt um Dich zu schlagen.“ (zitiert aus Kurt Honolkas Buch über Janáček).
Für kompositorische Verarbeitung von Themen und Motiven fehlt bei dieser aufgewühlten Seelenlage des Komponisten die Ruhe, stattdessen erfindet er immer Neues.
„Meine Eindrücke, als ich Dich zum ersten Mal sah“ schreibt Janáček an Kamila Stösslová über den Ersten Satz. Dieser Satz „springt sofort, Hals über Kopf, in den Wirbel der Gefühle: pathetische parallele Sexten der beiden Violinen, Ausdruck des Hochemotionellen, über Fortissimo-Trillern des Cellos“ (Honolka):



Zweites Streichquartett Satz 1-1



Es handelt sich hier um ein Doppelthema, denn nach diesem „Thema des Mannes“ (Janáček) folgt pianissimo der kontrastierende Teil des Doppelthemas, das „Thema der Frau“ (s.o.), von der Bratsche,



Zweites Streichquartett Satz 1-2



und schließlich vom Cello ‚sul ponticello’ (mit schnellem Strich nahe am Steg) vorgestellt.
Dieses 'sul-ponticello’-Spiel, zumal bei schnellen Notenwerten, wirkt sehr erregt; und Erregung ist das durchgehende, den Aufbau bestimmende Element dieses Ersten Satzes; sie bestimmt den ständigen Wechsel zwischen forte und piano, zwischen schnell und langsam, zwischen leidenschaftlicher Heftigkeit und sehnsuchtsvoller Innigkeit, zwischen „Jubel, heißes Bekenntnis der Liebe“ und „wehklagend; unbezähmbare Sehnsucht“ (Janáček). In triumphierendem Des-Dur – für Janáček sozusagen die positive Tonart – endet der Satz.

Dieser erregte Wechsel bestimmt – in noch intensiverer Form - auch den Zweiten Satz. Janáček schreibt dazu: „Heute habe ich mein zärtlichstes Verlangen in Tönen geschrieben … Genau wie Du bist, von Tränen in Lachen wechselnd, so klingt es.“ Ein sanft wiegendes Motiv



Zweites Streichquartett Satz 3 wiegendes Motiv



wird gesteigert, wieder zurückgenommen zum ‚dolcissimo’, erfährt dann wieder eine großartige Steigerung zum ‚Maestoso in espressione’ und ebbt wieder ab. Als Kontrast erscheint nach einem für den weiteren Teil dieses Satzes charakteristischen ‚flautato’ (Spiel mit wenig Obertönen) in der zweiten Violine (Zweiunddreißigstel-Sextolen abwärts) ein 5/8-Presto, an slawische Volksmusik angelehnt, das in einem kurzen expressiven Adagio ausklingt. Das Motiv des Beginns wird noch einmal aufgegriffen, ebenso der Anfang des Ersten Satzes mit seinen pathetischen parallelen Sexten. Und mit einem letzten Erinnern an das sanfte Motiv des Anfangs, nun aber fortissimo, endet der Satz.

Die Beschäftigung mit den Liedern und Tänzen des Volkes prägt auch den Dritten Satz. Ein wunderschönes Wiegenlied (9/8-Takt)



Zweites Streichquartett Satz 3 Wiegenlied



eröffnet ihn; nach einem kurzen Allegro übertrifft ein Adagio-Thema voller Schmelz noch die Intensität des Wiegenlieds:



Zweites Streichquartett Satz 3 Adagio-Thema



Dem folgen „Aufschreie der Freude, aber ... auch Aufschreie des Schreckens“ (siehe oben), danach ein mehrfacher Wechsel zwischen lyrischem Ernst (Andante) und tänzerischer Fröhlichkeit (Allegro). Als Coda wird kurz an das Wiegenlied und das Adagio-Thema erinnert.

Beim großartigen Finale beeindruckt zunächst die Erweiterung der klanglichen Möglichkeiten des Streichquartetts u. a. durch Tremoli und Trillerketten, durch Doppelgriffe aller Instrumente, die vor allem die akkordischen Stellen mit ihrer von impressionistischen Elementen genährten Harmonik so reizvoll machen. Das Aufbauprinzip des Finales ist schwer zu bestimmen, ein faszinierender Einfall jagt den anderen. Das tänzerische Eingangsthema



Zweites Streichquartett Satz 4 Eingangsthema



von rhythmisch hohem Reiz könnte als eine Art Rondo-Thema aufgefasst werden: Dreimal noch wird es im Verlauf des Satzes wiederholt. In einem der Vorstellung des Rondo-Themas folgenden eindrucksvollen Andante wird ein Vier-Ton-Motiv entwickelt (zwei kurze, zwei lange Töne), zum Beispiel:



Zweites Streichquartett Satz 4 Vier-Ton-Motiv



und es wird in einer großartigen Steigerung verarbeitet. Nach der ersten Wiederholung des Rondo-Themas führt Janáček - wieder im Andante - ein weiteres, besonders ausdrucksstarkes Motiv ein,



Zweites Streichquartett Satz 4



an das im Abschlussteil zweimal leise erinnert wird. Wenn dieses Motiv am intimsten klingt, wird es unterbrochen durch einen schneidenden ‚sul ponticello’ und ‚furioso’ zu spielenden Akkord; dem folgen harte Trillerfiguren in der zweiten Geige, dann wieder das intime Motiv in der Bratsche und die Wiederholung dieses Gegensatzes von Schrecken und Zärtlichkeit, Schrecken, dass die Liebe zerstört wird durch die Gesellschaft oder gar durch den Tod, wie es ein halbes Jahr später Wirklichkeit wird. Noch aber siegt der Jubel: Das Rondo-Thema wird zum zweiten Mal wiederholt und nach einem hinauszögernden ‚Andante‘ und nach einer dritten Wiederholung des Rondo-Themas endet das Finale nach vorbereitenden Trillerfiguren wie der Erste Satz mit dem triumphierenden Des-Dur - das Es über diesem Des-Dur freilich ist wie ein Wermutstropfen im Becher der Freude.

September 2020



Bläsersextett 'Mladi' (Jugend)

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