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Diss. Kapitel 1 - 4
in Diss. zitierte Literatur
Vortrag

Abitur 1993 Grundkurs
VI, 456-476
Oxford-Ausgabe – V. 459 ist ausgelassen, damit die vorgeschriebene Wortzahl erreicht wird. Interpunktion verändert.
Wortzahl: 132

Auf seinem Gang durch die Unterwelt begegnet Aeneas auf den "Feldern der Trauer" Dido, die "mit frischer Wunde noch" zwischen den Seelen derer umherirrt, die - zum Teil aus "unglücklicher Liebe" - vor der Zeit aus dem Leben geschieden sind. Als Aeneas sie erkennt, "steigen ihm Tränen ins Aug', und mit inniger Liebe (dulci amore) begann er:

1 "Infelix Dido, verus mihi nuntius ergo
2 venerat exstinctam ferroque extrema secutam;
3 funeris heu tibi causa fui; per sidera iuro:

4 invitus, regina, tuo de litore cessi.
5 Sed me iussa deum, quae nunc has ire per umbras,
6 per loca senta situ cogunt noctemque profundam,
7 imperiis egere suis; nec credere quivi
8 hunc tantum tibi me discessu ferre dolorem.
9 Siste gradum teque aspectu ne subtrahe nostro!
10 Quem fugis? Extremum fato, quod te adloquor, hoc est."
11 Talibus Aeneas ardentem et torva tuentem
12 lenibat dictis animum lacrimasque ciebat.
13 Illa solo fixos oculos aversa tenebat;
14 nec magis incepto vultum sermone movetur,
15 quam si dura silex aut stet Marpesia cautes.
16 Tandem corripuit sese atque inimica refugit
17 in nemus umbriferum, coniunx ubi pristinus illi
18 respondet curis aequatque Sychaeus amorem.
19 Nec minus Aeneas casu concussus iniquo
20 prosequitur lacrimis longe et miseratur euntem.

Erläuterungen

zu 2: zu 'exstinctam' ergänze 'te esse', ebenso zu 'secutam'; extrema sequi - das letzte Ziel verfolgen, sich töten

zu 3: heu: ach

zu 6: sentus: dornig, rauh, verwildert 'situs, us' hier: Mangel an Pflege, Verwilderung; vor 'noctem' ergänze 'per'

zu 7: 'imperium' hier: Macht; 'egere' kommt von 'agere'; quire, queo, quivi: können;

zu 8: 'me' ist Subjekt des AcI

zu 9: gradum sistere - den Schritt zum Stehen bringen, anhalten; ne subtrahe = ne subtraheris

zu 10: extremum est: Prädikat, hoc: Subjekt; der quod-Satz bezieht sich auf 'extremum'; te adloquor = ad te loquor

zu 11: ardere: glühen, brennen ; übersetze 'torva' (Finsteres) wie ein Adverb: finster

zu 12: lenibat (statt 'leniebat') ist wie 'ciebat' Imperfekt de conatu; lenire: mild stimmen, erweichen; lacrimas ciere - zu Tränen rühren, zum Weinen bringen (damit beim Weinen die innere Verkrampfung sich löst)

zu 13: solum - Boden; figere, o, fixi, fixus: heften, anheften; 'aversa' ist prädikativ gebraucht wie 'inimica' in V. 16;

zu 14: 'movere' hier: verwandeln, verändern; 'vultum': Akk. der Beziehung, gehört zu 'movetur'; fasse 'incepto sermone' als Abl. abs. auf;

zu 15: silex, icis f.: Stein; cautes, is f.: Fels; Marpesius: Adjektiv zu Marpessa (Berg auf Paros); 'Marpesia cautes' bedeutet hier: Marmorbild

zu 16: 'sese corripere' hier: sich aufraffen

zu 17: nemus, oris n.: Hain; umbrifer, a, um: Schatten spendend; pristinus: frühere

zu 17/ 18: illi respondere curis - mit jener den Kummer teilen (frei übersetzt)

zu 18: amorem aequare - von gleichem Liebesschmerz erfüllt sein (frei übersetzt)

zu 19: concutere, io, cussi, cussus: erschüttern 'Nec minus' gehört zu 'concussus'; casus iniquus - schlimmes Geschick

zu 20: prosequi = sequi; miserari: bemitleiden, beklagen

Übersetzung

"Unglückliche Dido, eine wahre Botschaft war mir also gekommen, dass du umgekommen bist und dich mit dem Schwert getötet hast. Ach, ich bin für dich der Grund des Untergangs gewesen. Bei den Sternen schwöre ich: Gegen meinen Willen, Königin, habe ich dein Gestade verlassen. Aber/Sondern mich haben die Befehle der Götter mit ihrer Macht getrieben, die mich nun zwingen, durch diese Schatten zu gehen, durch die von Verwilderung rauen Gegenden und durch die tiefe Nacht; und ich habe nicht glauben können, dass ich durch mein Weggehen dir diesen so großen Schmerz bringen/bereiten würde. Halt an und entzieh dich nicht meinem Anblick! Wen fliehst du? Dies ist nach dem Willen des Schicksals das Letzte, das ich zu dir spreche."
Mit solchen Worten versuchte Aeneas die hassentbrannte und finster blickende Frau (den brennenden und finster blickenden Sinn) zu erweichen und zum Weinen zu bringen. (Ich schließe mich hier nicht der Auffassung z.B. Nordens an, dass Aeneas weint.)
Jene hielt abgewendet die Augen auf den Boden geheftet; und sie verändert ihre Miene, seit er seine Rede begonnen hat, nicht mehr, als wenn ein harter Fels da stünde oder ein Marmorbild.
Schließlich raffte sie sich auf und floh feindlich in den Schatten spendenden Hain, wo ihr früherer Gatte mit ihr den Kummer teilt und Sychaeus mit seiner Liebe der ihren entspricht. (Der Vers ist inhaltlich schwierig, da unklar bleibt, ob Sychaeus mitfühlt oder ob darauf verwiesen wird, dass er, nach seinem Tod betrogen, ähnlich wegen Dido leidet wie Dido wegen Aeneas. Die Schüler könnten höchstens eine wörtliche Übersetzung mit dem hässlichen ‚in Bezug auf’ finden, deshalb der Übersetzungsvorschlag im Kommentar: ‚und Sychaeus von gleichem Liebesschmerz erfüllt ist’.)
Nicht weniger erschüttert durch das schlimme Geschick folgt Aeneas ihr unter Tränen weit (begleitet sie weithin) und beklagt die Fliehende.


Interpretationsaufgaben (Verhältnis Übersetzung - Interpretation: 2 : 1)
Da manche Antworten sich überschneiden könnten, achten Sie bitte darauf, dass Sie Wiederholungen möglichst vermeiden. überblicken Sie also zunächst einmal alle Fragen.

I.
a) Schreiben Sie die Verse 9 und 20 ab und skandieren Sie sie, indem Sie über die betonten Längen (Versfußbeginn bzw. Taktanfang, im Deutschen: Hebungen) Akzente setzen (Es muss deutlich werden, welche Silbe gemeint ist.)! Elisionen müssen durch Bögen gekennzeichnet werden (È).
b) Machen Sie durch einen senkrechten Strich deutlich, wo eine Zäsur vorliegt, und schreiben Sie über den Strich, um welche Zäsur es sich handelt: T, P, H !

II. Geben Sie für Vers 1 die Verteilung der Daktylen und Spondeen an und setzen Sie diese Verteilung zur Aussage des Verses in Beziehung!

III. Analysieren und interpretieren Sie die Klangwirkung der Verse 11 und 12!

IV. Wie wird im vorliegenden Text Aeneas, wie Dido charakterisiert (Zitieren Sie sorgfältig!)?

V. Stellen Sie das Tragische der Situation dar, in der sich Aeneas befand, als er Karthago verließ; ziehen Sie für Ihre Darstellung die entsprechenden Stellen des vorliegenden Textes heran!

VI. In welcher Hinsicht kann die Begegnung zwischen Dido und Aeneas als Urbild für einen entscheidenden Teil der römischen Geschichte gelten?

VII. Inwiefern kann man die 'Aeneis' Vergils als eine Rechtfertigung der Weltmachtpolitik Roms ansehen?

Erwartungshorizont für die Interpretationsaufgaben

zu I.
Die Schüler haben gelernt, aufgrund der Verteilung von langen und kurzen Silben den Vers zu skandieren; dazu kennen sie die Naturlänge (bzw. Kürze) der Endungsvokale und die Regel über die Positionslänge (einschließlich der Ausnahme 'Muta' + 'Liquida').
Ebenfalls haben sie die drei Zäsuren Trithemimeres, Penthemimeres und Hephthemimeres kennengelernt. Die ausgewählten Verse müssten aufgrund dieser Kenntnisse korrekt skandiert und die Zäsuren bestimmt werden können.
V. 9 vielleicht nicht günstig, weil –que keine Positionslänge bewirkt und ‚te‘ naturlang ist.

zu II.
Die Schüler sollen die drei Spondeen zu Beginn des Verses bemerken und die rhythmische Getragenheit dieses Beginns zu der Trauer der Anrede 'Infelix Dido' in Beziehung setzen.

zu III.
Das Auffallendste des Verses 11: die Häufung des harten ‚t’, die, gestützt von dem dunkleren Klang der Vokale, die seelische Verhärtung der Dido verdeutlicht.
Der Vers 12 klingt durch die Alliteration des ‚l’, durch die Homoioteleuta der beiden Prädikate (vgl. Norden, Kommentar) einschließlich des weichen ‚b’ und durch die sechs ‚i’ freundlicher, weicher und entspricht im Klang dem Versuch des Aeneas, Didos Erstarrung zu lösen.

zu IV.
Aeneas ist mitleidsvoll und einfühlsam und vom Wunsch beseelt, Dido aus ihrer Erstarrung zu befreien (demisit lacrimas – die Schüler könnten die Vorbemerkung mit in die Interpretation einbeziehen; Infelix Dido; lenibat ... lacrimasque ciebat; concussus; prosequitur lacrimis longe et miseratur euntem).
Er ist sensibel genug, sich Vorwürfe zu machen (funeris ... causa fui) und unter seinem Handeln zu leiden, nachdem er weiß, welch großen Schmerz er Dido angetan hat.
Dass er dies beim Abschied von Dido nicht wusste, zeigt, dass er seinen Wert und damit seine Anziehungskraft für Dido eher unter- als überschätzt (Bescheidenheit); dem entspricht auch, dass er sich gehorsam nur als Werkzeug des fatums sieht (iussa deum ... cogunt).
In seinen Empfindungen ist er beständig, denn er liebt Dido immer noch (dulci ... amore) und ist erfüllt von dem Wunsch nach Frieden und Versöhnung (Siste gradum).

Dido dagegen hat der Schmerz der unglücklichen Liebe verhärtet (V 13-15), alle freundlichen Gefühle abgetötet und an ihre Stelle brennenden Hass (ardentem; torva; inimica) treten lassen.

zu V.
Die Probleme wurden bei der Interpretation des IV. Buchs besprochen. Die Leistung der Schüler besteht vor allem darin, den Grundgedanken der tragischen Schuld zu den Formulierungen des Textes in Beziehung zu setzen.
Die Aufgabe schließt an die vorige an insofern, als herausgestellt werden muss, dass Aeneas Dido nicht herz- und gewissenlos, sondern gezwungen von den iussa deum verlässt, dass er also in dem Konflikt stand, die Beziehung zu Dido und damit Didos und sein persönliches Glück zu zerstören oder der Verpflichtung dem fatum gegenüber untreu zu werden. Dabei ist die Liebe zwischen Dido und Aeneas als Wert anzusehen und Aeneas als der, der die Verantwortung für das Glück der Dido hat. Aeneas muss also in jedem Fall schuldig werden, ob er nun die Verantwortung gegenüber dem fatum oder die gegenüber Dido wahrnimmt.
Ähnlich dem König Ödipus wird ihm das ganze Ausmaß der tragischen Schuld erst im Nachhinein, eben bei dieser zweiten Begegnung mit Dido bewusst.
Ich erwarte von den Schülern nicht, dass sie das Schuldproblem in dieser Differenziertheit sehen (inwieweit also die tragische Schuld aus Unwissenheit kommt oder inwieweit ein bewusstes Durchstehen des tragischen Konflikts vorliegt). Die Schüler müssen in jedem Fall darstellen, dass Aeneas vor der Alternative steht, Dido zu verlassen und unglücklich zu machen oder dem fatum gegenüber ungehorsam zu sein.
Die unabdingbare Verpflichtung gegenüber dem fatum soll vom Text her belegt werden (invitus; iussa deum; cogunt; imperiis - die Schüler wissen, dass iussa deum in der ‚Aeneis’ meist mit dem fatum identisch sind).
Die Schüler werden möglicherweise auch das Problem erkennen, dass der Auftrag des fatums bei Vergil – und nicht nur dann, wenn Aeneas sich vor Dido zu rechtfertigen versucht - als eine von außen kommende Bestimmung dargestellt wird, dass aber Außen und Innen nicht zu trennen sind, die Bestimmung des fatums also im Menschen angelegt, sozusagen seine Entelechie ist. Pietas als Hören auf den Anspruch des Fatums bedeutet dann auch: sich selbst treu bleiben.
Der tragische Konflikt ist dann nicht ein Konflikt zwischen Außen (Zwang der Götter) und Innen (Liebe zu Dido), sondern ein Konflikt nur in Aeneas (invitus und iussa verweisen dann auf die ‚beiden Seelen in einer Brust’).
So wird die Ausweglosigkeit entschiedener, denn einem von außen kommenden Befehl könnte man sich ja noch widersetzen. Die Lösung führt in jedem Fall zur Schuld, und Aeneas' Klage über 'casus iniquus' meint nicht nur das schlimme Geschick Didos, sondern auch das seine.

zu VI.
Die Begegnung zwischen Dido und Aeneas ist das Urbild der Auseinandersetzung zwischen Karthago und Rom; und wie Dido feindselig in ihrem Hass verharrt, während Aeneas auf Versöhnung drängt, so ist nach Vergil die Schuld für die Kriege zwischen Karthago und Rom den Karthagern zuzuschreiben: die Unversöhnlichkeit der Dido weist darauf hin, dass die Römer für die Punischen Kriege nicht zu verantworten sind.

zu VII.
Die Schüler müssen zunächst den Begriff 'Weltmachtpolitik' erläutern: dass Vergil die Aufgabe der Römer darin sieht, die Völker zu regieren, ihnen Frieden und Gerechtigkeit zu bringen und das barbarische Böse, den furor, zu bezwingen (die Verse VI,851-853 müssten die Schüler auswendig kennen). Vergil leitet diesen Anspruch von einem Auftrag des fatums ab, dem die Römer sich nicht entziehen dürfen, selbst wenn sie dabei schuldig werden.
Die Schüler können dieses fatum theologisch-metaphysisch deuten und damit zu einer religiösen Begründung des imperialen Anspruchs der Römer kommen oder aber das fatum als 'Volkscharakter' (Entelechie) der Römer interpretieren.
Sollten die Schüler sich noch damit auseinandersetzen, ob diese Rechtfertigung als Ideologie (positive weltanschauliche Rechtfertigung negativer Machtansprüche) aufzufassen sei, kann ein Zusatzpunkt gegeben werden.

Interpretationsaufgabe aus einer früheren Klausur (1978):
Präzisieren Sie die Vorstellung Vergils von 'iussa', indem Sie 'dei', 'Iupiter' und 'fatum' zueinander in Beziehung setzen!
Es geht darum, die mythologische Vorstellung zu präzisieren, zu zeigen, wie sich die Konflikte im Bereich der Götter spiegeln (Venus - Juno).
Juppiters Wille = Fatum; die übrigen Götter unterstützen das Fatum oder hemmen seine Verwirklichung. Sie symbolisieren die Kräfte, die die Bestimmung des Individuums fördern oder ihr entgegegntreten


Übungen:

Femina aetate formam movebatur. - die Frau wurde durch das Alter in Bezug auf das Aussehen verändert. Passiv wird manchmal reflexiv übersetzt: veränderte sich; besseres Deutsch: die Frau veränderte sich...in ihrem Aussehen. Das Aussehen der Frau veränderte sich...

Preces tuae me, quae per multas terras migrare, per alienas terras urgent, vi egerunt. - Deine Bitten, die drängen, durch viele Länder, durch fremde Länder zu wandern, haben mich getrieben.

Pulcher nobis puer natus est. - Ein schöner Knabe war (für) uns geboren worden.

Clarum vobis evangelium venit vos felices futuros esse. - (Für) euch kam die glänzende Botschaft, dass ihr glücklich sein werdet.

Hoc felicitatis tibi fundamentum est. - Dies ist für dich die Grundlage des Glücks.

Precibus tuis egisti. - Du hast mich durch deine Bitten getrieben. Multis dictis egisti.- Du hast mich durch viele Worte getrieben.

Vobis hanc tantam felicitatem fero. - Ich bringe euch dieses so große Glück.
Abhängig von 'Puto' (ich glaube): me vobis hanc tantam felicitatem ferre.

Hoc est primum, quod video. - Dies ist das erste, was ich sehe.



Klausur 6,442ff. Leistungskurs / Klausur 6,679ff. Grundkurs

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