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Vortrag

Vergil, Aeneis I,257-296 (ausgelassen: 261-277; 283-285)

Klausur Abitur Grundkurs 1991

Quelle: Oxford-Ausgabe von F. A. Hirzel

Die Göttin Juno, den Troern feindlich gesinnt, will verhindern, dass die nach der Zerstörung Trojas aus der brennenden Stadt Geretteten unter der Führung des Aeneas in Italien eine neue Heimat finden und ein großes Volk werden. Sie hetzt den Herrscher der Winde auf, die Flotte der Troer zu vernichten. Neptun, der Gott des Meeres verhindert die völlige Vernichtung, so dass sich ein Rest der Flotte an die Küste Libyens retten kann.

Venus beklagt bei Juppiter bitter das harte Schicksal ihres Sohnes Aeneas. Sie beruft sich auf das Versprechen Juppiters, dass die Troer in Italien zum mächtigsten Volk der Erde werden. Angesichts des augenblicklichen Schicksals der Troer fragt sie ironisch: „Ist dies der Frömmigkeit Dank“. Juppiter küsst seine Tochter und antwortet lächelnd:

1 Parce metu, Cytherea! Manent inmota tuorum
2 fata tibi; cernes urbem et promissa Lavini
3 moenia, sublimemque feres ad sidera caeli
4 magnanimum Aenean; neque me sententia vertit.

5 His ego nec metas rerum nec tempora pono,
6 imperium sine fine dedi. Quin aspera Iuno,
7 quae mare nunc terrasque metu caelumque fatigat,
8 consilia in melius referet mecumque fovebit
9 Romanos, rerum dominos gentemque togatam.

10 Nascetur pulchra Troianus origine Caesar,
11 imperium Oceano, famam qui terminet astris,
12 Iulius, a magno demissum nomen Iulo.
13 Hunc tu olim caelo spoliis Orientis onustum
14 accipies secura; vocabitur hic quoque votis.
15 Aspera tum positis mitescent saecula bellis;
16 cana Fides et Vesta, Remo cum fratre Quirinus
17 iura dabunt; dirae ferro et compagibus artis
18 claudentur Belli portae; Furor impius intus
19 saeva sedens super arma et centum vinctus aenis
20 post tergum nodis fremet horridus ore cruento.

Eventuell nach V. 4 noch einfügen:
Romulus excipiet gentem et Mavortia condet
moenia Romanosque suo de nomine dicet. I, 276/77

‚Romulus wird das Geschlecht weiterführen und die Mauern des Mars errichten und die Römer nach seinem Namen nennen.’

Erläuterungen

zu 1: parcere mit Dat. hier: ablassen von; metu = metui, gemeint ist die Angst der Venus, dass sich das Geschick des Aeneas nicht erfülle; Cytherea: einer der Kultnamen der Venus, abgeleitet von der Insel Cythera, wo sie nach ihrer Meergeburt ans Land gekommen sein soll; inmota (=immota): prädikativ; tuorum: substantiviert

zu 2: Lavinium (Genitiv: Lavini): Stadt in Latium

zu 3: sublimis, e - hoch(ragend), empor(ragend) hier: prädikativ

zu 4: Mit 'neque me sententia vertit' antwortet Juppiter auf eine Frage der Venus, welche Meinung ihn denn bewogen haben könnte, sein Versprechen, Aeneas nach Latium zu führen, nicht zu erfüllen.

zu 5: his: gemeint sind die Römer, die - wie Vergil in den ausgelassenen Versen schreibt - von Romulus, einem Nachfahren der Trojaner, ihren Namen haben; meta - Ziel, Grenze (im Raum); ‚res’, ‚rerum’ hier: Herrschaft, 'rerum' ist sowohl auf 'metas' als auch auf 'tempora' zu beziehen.

zu 8: in melius referre - zum Besseren wenden

zu 9: ‚res’, ‚rerum’ hier: Welt; togatus - mit der Toga bekleidet (Die Toga ist das römische Nationalkleid und zugleich das Friedenskleid.)

zu 10: Caesar: gemeint ist Caesar Augustus

zu 11: ordne: qui imperium Oceano, famam astris terminet

zu 12: nomen demittere - einen Namen ableiten; Iulo ist dreisilbig, Iulus = Ascanius, Sohn des Aeneas, Ahnherr des Julischen Geschlechts

zu 13: ‚onustum’ hier: prädikativ

zu 14: ‚secura’ hier: prädikativ; votis vocare - unter Gelübden anrufen

zu 15: ‚ponere’ hier: zur Ruhe bringen, beenden

zu 16: canus - altehrwürdig; Quirinus: Name des Romulus

zu 17: ‚iura’ hier: Gesetze; ferro et compagibus artis - mit festen Riegeln aus Eisen

zu 19: aenus - ehern

zu 20: ‚horridus’ hier: prädikativ



Übersetzung
(Zum Stil der Übersetzung: Die Schüler sind gewohnt, in Zweifelsfällen eher näher am Text als zu frei zu übersetzen; so sollten die Schüler zur größtmöglichen Genauigkeit bei der Analyse lateinischer Texte erzogen werden.)

Lass ab von der Furcht, Cytherea! Das Geschick der Deinen bleibt dir unverändert; du wirst sehen die Stadt und die verheißenen Mauern Laviniums, und hoch zu den Sternen des Himmels empor wirst du den hochgesinnten Aeneas tragen; und kein Wünschen hat meinen Sinn geändert.

Diesen setze ich nicht Grenzen noch Zeit ihrer Herrschaft, ein Reich ohne Ende habe ich ihnen gegeben. Sogar die erbitterte Juno, die jetzt Meer und Erde und den Himmel mit Angst quält, wird ihren Sinn zum Besseren wenden und mit mir die Römer schützen, die Herren der Welt und das Volk in der Toga.

Entstehen wird aus erhabenem Ursprung der trojanische Caesar, der die Herrschaft durch den Ozean, den Ruhm durch die Sterne begrenzen wird, Julius, ein Name, der vom großen Julus sich herleitet. Diesen wirst du einst, beladen mit der Beute aus Osten, im Himmel glücklich empfangen, auch dieser wird unter Gelübden angerufen werden. Dann, wenn die Kriege beendet sind, werden die rauen Jahrhunderte mild werden; die altehrwürdiges Fides und Vesta und Quirinus mit seinem Bruder Remus werden Gesetze geben; die schrecklichen Pforten des Krieges werden mit festen Riegeln aus Eisen geschlossen; im Innern die ruchlose Furie, hockend auf wütenden Waffen, auf dem Rücken gefesselt mit hundert ehernen Knoten, heult grässlich mit bluttriefendem Maul.



Interpretationsaufgaben (Verhältnis Übersetzung - Interpretationsaufgaben: 2 : 1)

I.
a) Schreiben Sie die Verse 1, 8 und 11 ab und skandieren Sie sie, indem Sie über die betonten Längen (Versfußbeginn bzw. Taktanfang, im Deutschen: Hebungen) Akzente setzen (Es muss deutlich werden, welche Silbe gemeint ist.)! Elisionen müssen durch Bögen gekennzeichnet werden (˘).

b) Machen Sie durch einen senkrechten Strich deutlich, wo eine Zäsur vorliegt, und schreiben Sie über den Strich, um welche Zäsur es sich handelt: T, P, H

II. Analysieren und interpretieren Sie die Klangwirkung der Verse 19 und 20!

III. Stellen Sie dar, wie Vergil Juppiter und Fatum einander zuordnet, und belegen Sie das Ergebnis mit Hilfe des vorliegenden Textes!

IV. Charakterisieren Sie Aeneas in seiner Beziehung zum Fatum!

V.
a) Zeigen Sie am vorliegenden Text auf, wie Vergil Juno sieht!

b) Erläutern Sie aus der Mythologie, wie Juno dazu kommt, sich gegen Aeneas zu stellen!

c) Erörtern Sie die Funktion Junos innerhalb der Vorstellung, die Vergil vom Fatum hat!

VI. Interpretieren Sie den Text im Hinblick auf das, was man römischen Imperialismus nennen könnte, und im Hinblick auf die Rechtfertigung dieses 'Imperialismus' durch Vergil (Achten Sie bei Ihrer Interpretation auch auf die symbolische Bedeutung des 'spoliis Orientis onustum' (V. 13).)!

VII. Suchen Sie Entsprechungen zwischen dem vorliegenden Text und der vierten Ekloge Vergils!
(bei Klausur 12.2 gestrichen)



Erwartungshorizont für die Interpretationsaufgaben

zu I.
Die Besonderheiten des Hexameters sind im wesentlichen bekannt. Bei der Prosodie beschränkt sich die Kenntnis der Schüler auf die wichtigsten Regeln für die Endungen und auf das Problem der Positionslänge; Naturlängen können im Wörterbuch nachgesehen werden. Mit dieser Kenntnis müssten die drei Verse korrekt skandiert werden können.

zu II.
Auffällig sind die Alliteration des ‚s’ in V. 19, die, unterstützt durch die Konsonanten ‚t’ und ‚k’, dem Vers einen scharfen, harten Klang gibt, und die Häufung des ‚o’ in V. 20 (der dumpfe Klang wird unterstützt durch das ‚u’ und ‚r’). Hinzu kommt, dass der Rhythmus gehemmt wirkt. Insgesamt kann man sagen, dass durch den Klang der Verse die Wirkung des Bildes vom Furor impius gestützt wird.

zu III.
Bei Vergil ist Juppiter omnipotens, und der Wille Juppiters und das Fatum sind identisch. Da im vorliegenden Text Juppiter spricht, ist die mögliche Übereinstimmung von Fatum und sprechendem Ich zu untersuchen. Juppiter versichert Venus, dass das Fatum derer, die sie beschützt, unverändert bleibt, und unterstreicht diese Zusicherung mit einem Hinweis auf seine Person: neque me sententia vertit (V. 4). In V. 5 und 6 betont Juppiter nachdrücklich das 'Ich', als es um das zukünftige Schicksal der Römer, um ihre Bestimmung als die absoluten Beherrscher der Erde geht.
(Aber das Wissen um das, was das Fatum bestimmt, bedeutet noch nicht Identität mit dem Fatum; ‚allwissend’ bedeutet noch nicht ‚allmächtig’.)

zu IV.
Aeneas' Beziehung zum Fatum ist durch seine ‚pietas’ gekennzeichnet; ‚pietas’ bedeutet: Hören auf den Anspruch des Fatums, des Willens Juppiters als der die Welt ordnenden Macht in der Geschichte. Aeneas' Weg ist der Versuch, in Einklang zu kommen mit der ihm vom Fatum zugedachten Bestimmung, das heißt auch: zu sich selbst zu finden, seine Entelechie zu entfalten. Die Erfüllung dieser Bestimmung legt Grund für die Bestimmung Roms.

zu V.
a) Juppiter nennt Juno 'aspera' und macht sie verantwortlich für Leid, Sorge, Angst auf der ganzen Erde und sogar im Himmel; er weist aber auch auf die Versöhnung zwischen Juno und den Römern (V. 8f.), die ja hergestellt werden muss, da diese Göttin als Juno Regina und Juno Moneta Schutzgöttin Roms ist.

b)
1. Paris, Sohn des Priamos, des Königs von Troja, gibt nicht Juno, sondern Venus den Apfel als Preis für die Schönheit; von daher ist Juno erbittert über die Trojaner insgesamt und besonders über Aeneas als Sohn der Venus.
2. Verstärkt wird die Erbitterung über die Trojaner dadurch, dass deren Ahnherr, Dardanus, Sohn eines Seitensprungs Juppiters ist.
3. Juno ist Beschützerin Karthagos und will daher Aeneas an seinem Auftrag hindern, Rom zu gründen.

c) Juno will, dass das Fatum, das den Römern die Weltherrschaft zuspricht, sich zugunsten Karthagos ändert, sie versucht also, das Wollen Juppiters zu durchkreuzen (vertere iussa; nova condere fata; X,35). Da der Gang des Schicksals aber unabänderlich ist, kann sie ihn höchstens hemmen und dadurch Leid in die Welt bringen, nicht aber aufhalten. Den Gedanke, dass auch das Leid noch seinen Sinn hat, nämlich die Menschen reifer zu machen, so dass Juno noch positiv in das Walten des Fatums eingeordnet werden kann, kennen die Schüler durch einen Überblick über die 'Georgica'.

zu VI.
Vergil spricht davon, dass die Römer die Herren der Welt sein werden (V. 5f., 9), dass Augustus mit der Beute aus dem Orient beladen sein wird. Die Rechtfertigung durch Vergil ergibt sich durch das 'Fides ... iura dabunt' (V. 16f.); auch das 'gentemque togatam' (V. 9) weist in diese Richtung. Vergil rechtfertigt also die Weltherrschaft der Römer durch die Überzeugung, daß die Römer den Völkern den Frieden bringen, das heißt vor allem: Ordnung durch das Recht. Möglicherweise erinnern sich die Schüler an die von ihnen einmal auswendig gelernten Verse 'Aeneis' VI,851ff.. Das 'Oriens' steht für das Wilde, Ungestaltete, Chaotische, das überwunden werden muss und durch den Sieg über Antonius überwunden ist. Rom erscheint so als Ordnungsmacht, die den die Ordnung gefährdenden ‚Furor impius’ bändigt und so Frieden stiftet. Eine letzte Rechtfertigung geschieht dadurch, dass diese Aufgabe der Römer durch das Fatum bestimmt ist, dass ihr also ein religiös begründeter Auftrag zugrundeliegt; auf diese Weise erklärt sich das Attribut 'impius' bei Furor.

zu VII.
Da die 4. Ekloge den Schülern nicht vorliegt und nur deren Grundgedanken erinnert werden können, zielt die Aufgabe zunächst dahin, dass aus dem vorliegenden Text die Stellen herausgezogen werden, die den Vorstellungen der 4. Ekloge nahekommen. Es ist dies vor allem der Gedanke des Übergangs von einer eisernen, harten Zeit (aspera saecula) zu einer goldenen (Aspera tum positis mitescent saecula bellis; V. 15). Weiter müsste in Erinnerung sein, dass das Kommen der goldenen Zeit verknüpft ist mit dem Erscheinen eines Heilsbringers - in der Ekloge der puer, in der ‚Aeneis’ Caesar Augustus - und dass dieser Heilsbringer unter die Götter gezählt wird (vocabitur hic quoque votis; V. 14). Weitere Parallelen: dass der Knabe 'pacatum orbem reget' (4. Ekloge V. 17) und zuvor das Böse überwunden werden muß (4. Ekloge V. 13, 14, 31). Vielleicht erinnert sich auch jemand bei ‚ascetur pulchra Troianus origine Caesar’ (V. 10) an den 5. Vers der Ekloge ‚Magnus ab integro saeclorum nascetur ordo’ und an das ‚nascenti puero’ des 8. Verses; parallel auch der Schicksalsgedanke (4. Ekloge V. 47).



Buch 4 Auswahl mit Erläuterungen / Klausur 1,257ff. Leistungskurs

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