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Undank ist der Welt Lohn
oder: Wie wird man zum Menschenfeind
Shakespeares ‚Timon von Athen’ in Bergisch Gladbach

Wer ist der wahre Menschenfeind? Wer nie das Glück gekannt hat und darum frei von Emotionen mit kalter Vernunft das Treiben der Menschen durchschauen kann. Oder ist der der wahre Menschenverächter, der aus dem verzweifelten Gefühl verlorenen Glücks, enttäuschter Liebe die Menschen hasst, die sich als undankbar erwiesen haben?

Wenn sich ein Philosoph und ein Edelmann auf der Bühne über die Gründe streiten, weshalb sie zum Menschenfeind geworden sind, dann weiß der Zuschauer nicht so recht: Ist dies eine Groteske oder eine Tragödie. Jedenfalls ist es ein echtes Trauerspiel, wie sich das Schicksal des Helden entwickelt.
Zunächst ist der athenische Edelmann Timon im Glück; er ist der reichste, gütigste, hilfreichste, großzügigste, freigebigste und geselligste Mann von Athen. Alle suchen seine Nähe, alle wollen mit ihm befreundet sein, alle schmeicheln ihm, alle wollen von ihm profitieren. Einzig der Philosoph Apemantus bleibt vom Reichtum und vom Charme Timons unbeeindruckt, schmeichelt ihm nicht, sondern sagt ihm scharfsichtig unangenehme Wahrheiten.

Zum Beispiel diese: Timon sei voller Eitelkeit (flattery), denn er fühle sich geschmeichelt, wenn ihm geschmeichelt wird. Und wer die Schmeichelei liebt, ist des Schmeichlers würdig. Und weil er anfällig ist für Schmeicheleien, kann Timon nur allgemein, nicht aber in seinem besonderen Fall erkennen, dass Schein und Sein nicht identisch sind, dass seine Freunde nicht aus Freundschaft seine Freunde, dass sie in Wahrheit „besitzgierige Halunken und Schmarotzer“ sind (A. Günther). Timons Verwalter Flavius interpretiert den selben Sachverhalt weit freundlicher: Timon sei so sehr der Menschenfreund, dass Menschenkenntnis ihm völlig abgesprochen werden müsse. Nie verband/Sich so viel Milde solchem Unverstand, ruft Flavius verzweifelt aus. Die Nähe zu König Lear wird deutlich.

Für den bitteren Spötter Apemantus ist das ‚Gesellschaftsspiel’ zwischen Timon und seinen Freunden a sweep of vanity - ein Tanz der Eitelkeit. Und zu Timon im Glück fällt ihm nur ein: Like madness is the glory of this life’– Wie Irrsinn ist die Herrlichkeit dieses Lebens.

Und so kommt es, wie es kommen muss: Timon hatte sich, in Wirtschaftsdingen ahnungslos, schon seit längerem über seine Vermögensverhältnisse getäuscht, da halfen auch die Warnungen seines Verwalters nichts. Er ist überschuldet, verarmt durch Herzensgüte, und steht plötzlich vor dem Nichts. Aber er glaubt noch an seine Freunde, dass sie ihm helfen werden, wie er immer ihnen geholfen hat. Und es beginnt „das Drama der missbrauchten Güte und des verratenen Vertrauens“ (a.a.O.). Timon wird bitter enttäuscht: Alle lassen ihn fallen, nur seine Diener bleiben ihm treu. Die gutgläubige Menschenfreundlichkeit Timons verfällt in ihr Gegenteil: Er wird zum unnachgiebigen Menschenhasser, so unnachgiebig, dass er auch, als er einen riesigen Goldschatz findet, das Gold nur noch nutzt, um sich an der Menschheit erbarmungslos zu rächen. Denn: I am sick of this false world.’– Ich bin krank an dieser falschen Welt.

So ergeht es auch Alcibiades, dem berühmten athenischen Feldherrn. Er war von den Athenern verbannt worden, weil er um Gnade für einen seiner Krieger gebeten hatte. Weil sich im Schicksal des Alcibiades das des Timon spiegeln lässt, hat Shakespeare es zu einer Nebenhandlung genutzt. Und er hat es genutzt, damit sein Publikum – das Ende des Timon, dessen „Erniedrigung und Selbstzerstörung“ vor Augen (a.a.O.) - nicht völlig resignierend das Theater verlässt, sondern ein wenig getröstet wird. Denn Alkibiades, der sich wegen seiner Verbannung rächen will und Athen erobert, lässt Gnade walten – so schlimm ist es also mit der Menschheit doch nicht bestellt.

Ein genialer Entwurf Shakespeares, aber leider nur Entwurf, denn das Stück ist wohl Fragment geblieben. Es macht den Eindruck des Unfertigen und schreit förmlich nach Bearbeitung. In der überlieferten Form ist es so sperrig, dass es selten aufgeführt wird, sperrig beispielsweise durch eine Vielzahl von Personen, von denen einige nur einmal kurz auftreten, viele dasselbe meinen und sagen; sperrig durch die vielen Wiederholungen beim Ausdruck des bitterbösen Lebensekels - Shakespeare muss in einer höchst galligen Laune gewesen sein, als er dieses Stück schrieb; sperrig ist auch die ‚klassische’ Übersetzung von Dorothea Tieck.
Es ist ein Verdienst der Regisseurin Vera Sturm, dass sie durch eine neue Übersetzung und durch eine in Zusammenarbeit mit den Schauspielern Norbert Kentrup und Dagmar Papula entstandene Bearbeitung das Stück neu zum Leben erweckt hat. Dass der Geist Shakespeares erhalten bleibt, garantiert u.a. auch der Darsteller des Timon, Norbert Kentrup, der ein Jahr lang als Schauspieler im Globe-Theater in London agierte und weiß, wie Shakespeare seine Dramen präsentiert und das Publikum in das Stück hineingenommen hat.

Nach dem Besonderen dieser Bearbeitung befragt, erzählt Norbert Kentrup: Es ging uns darum, durch die Bearbeitung den Geist des Stückes und seiner Charaktere auszuloten. Darum haben wir das Personal radikal verknappt, die beiden Gegenüber des Timon, Apemantus und Flavius, zu einer Gestalt, zu einem traurigen Clown in dieser Tragikomödie zusammengezogen. Aus Lukian (griechischer Schriftsteller des 2. nachchristlichen Jahrhunderts), der Vorlage Shakespeares, haben wir eine dritte Gestalt dazugenommen, nämlich Merkur als den Boten des Zeus, haben also Shakespeare und seine Vorlage ein wenig gemischt. Zeus – so steht es bei Lukian – ist es leid, das Gejammere des Timon über die Schlechtigkeit dieser Welt sich anhören zu müssen; deshalb gibt er Timon die Chance, aus seinem Menschenhass, aus dieser Selbstzerstörung herauszufinden. Deshalb lässt er ihn das Gold finden, mit dessen Hilfe Timon wieder in die Gesellschaft zurückfinden könnte – so ist auch das Märchenhafte dieses Handlungszugs erklärt. Aber Timon verpasst seine Chance und hat es verdient, in einem imaginären Museum für Menschenkunde als der Mensch ausgestellt zu werden, der die Chance, zu einem humanen Lebensentwurf zurückzukehren, verpasst hat.

Dienstag, den 18. November 2003, 20.00 Uhr
Besetzung: Norbert Kentrup, Dagmar Papula, Barbara Kratz
Regie: Vera Sturm
Bühne und Kostüme: Vincent Callara
Regieassistenz: Claudia Sander
Technik, Licht, Ton: John Burgess, Michael Jagusch



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