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Diss. Anmerkungen
Diss. Kapitel 1 - 4
in Diss. zitierte Literatur
Vortrag

Vergleiche die Vorlage Schillers, die von seinem Lehrer Jakob Friedrich Abel geschriebene Lebensgeschichte Friedrich Schwans (Auszüge), mit den entsprechenden Darstellungen Schillers!
Weise bezüglich der Erklärung der Lebensgeschichte auf Ähnlichkeiten und Unterschiede hin und berücksichtige bei Deinem Vergleich auch die in der Einleitung von ‚Der Verbrecher aus verlorener Ehre’ erörterten Vorstellungen von der unveränderlichen Struktur der menschlichen Seele und den veränderlichen Bedingungen!

Kindheit und Knabenalter
Schwan war von der Natur mit ausserordentlichen Anlagen des Geistes ausgerüstet; voll Verstand, Wiz, Einbildungskraft und Gedächtniß, voll Thätigkeit und Feuer, Entschlossenheit und Kühnheit, trug er den Keim jeder großen Tugend und jedes großen Lasters in sich, und es hieng nur von der äusserlichen Lage ab, ob er Brutus oder Catilina werden sollte.

Alles schien sich erst zu vereinigen, um seine glückliche Anlagen zu begünstigen. Seine Eltern, die ihn sehr liebten, versäumten nichts von dem, was man gewöhnlich Erziehung nennt d i. sie nahmen ihn öfters in die Kirche mit sich, schickten ihn fleissig in die Schule, und lehrten ihn durch Hülfe eines sehr eifrigen Schulmeisters Lesen, Schreiben, den Catechismus und eine Menge von Gesängen und biblischen Sprüchen. Auch machte der junge Schwan in der That große Fortschritte. Nur wenige von allen Knaben des Dorfes lasen und schrieben so fertig, wenige lernten so viele Gesänge und Sprüche und noch in seinem Gefängnisse, nach mehr als 15, in der höchsten Roheit und Ausschweifung durchlebten, Jahren, sagte er eine Menge derselben zum freudigen Erstaunen der ihn zum Tod bereitenden Geistlichen und in der That zu seinem eigenen großen Vortheile auswendig her.

Aber bey all dieser scheinbaren Fortbildung ward seine Seele doch in der That jeden Tag verschlimmert, zum sichern Erweiß, daß jene Mittel bey weitem noch nicht hinreichen, den großen Zweck, Erziehung der Kinder-Seele, zu erreichen.

Ich versuche, den Gründen dieser Verschlimmerung so tief als möglich, nachzupüren.

Kinder suchen, wie alle Menschen, nichts als Vergnügen, und zwar (denn welches andern ist das noch ganz gedankenleere Kind sonst fähig?) nichts als sinnliches Vergnügen; Essen, Trinken und Schlafen, nebst körperlicher Thätigkeit, Springen, Spielen, Schlagen, Stoßen diß sind die einzigen Gegenstände ihrer Wünsche und ihrer Beschäftigung. Auch greifen sie nach allem, was ihnen wohlgefällt, und stoßen mit Abscheu zurück, was ihnen misfällt: denn was sollte sie, die noch nicht über die Folgen nachdenken, zurückhalten? Diese ersten Aeusserungen unsers Willens sind (welches man schon aus ihrer Nothwendigkeit und Allgemeinheit schließen muß) im Anfang unsers Daseyns ohne Zweifel sehr vortheilhaft zur Erhaltung des Lebens und zur allerersten Entwicklung der noch gänzlich ungebildeten Seele, und wir verzeihen sie daher gerne den Kindern und Wilden. Aber wird jene Begierde immer vermehrt, und nicht vielmehr mit der Zeit von dem sinnlichen ab, auch auf entferntere und edlere Gegenstände hingerichtet, lernen wir nicht einem geringern Vergnügen entsagen, um kein höheres zu verlieren, oder keine höhere Pflichten zu verlegen: so werden diese ursprünglich unschuldige und nüzliche Aeusserungen bald für uns und andere verderblich; so werden wir nicht blos Thoren, die um das nächste, beste Vergnügen nicht zu versäumen, sich viel größeren Schmerzen aussezen, sondern auch Bösewichter, die um ihre eigene Leidenschaften zu befriedigen, alle anderen Menschen aufopfern, und ihnen Geld, Ehre, Leben - alles rauben.

Schwan war in diesen ersten Aeusserungen nicht verschieden von allen andern Kindern, ausser, daß er wegen seines angebohrnen Feuers alles mit ungewöhnlicher Leidenschaft anfaßte: aber er hatte das Unglück, daß der Wiz, die Artigkeit, der Anstand, mit welchem er alles that, den Beyfall aller Menschen erwarb, und daß besonders eine nachsichtsvolle Mutter seinen Fehlern lange gänzlich nachsah, und sie sogar vor seinem Vater verbarg; wodurch dann seine schon durch Temperament so heftige Leidenschaft immer noch heftiger und ausgelassener, und die Verlegung derselben ihm so unerträglich wurde, daß er sie ohne Rücksicht auf irgend etwas - auch auf Unkosten aller Menschen - zu befriedigen suchte. Auf diese Art wurden jene Kinderspiele allmählich zu boshaften Bubenstücken. Er war kaum 3 Jahr alt, so jagte er den Nachbarn zum Scherz die Hüner fort, schlug ihnen aus guter Laune die Gänse todt, oder hezte die Hunde an ihre Kinder und Weiber, um sich an ihrem Geheul und ihrer komischen Stellung zu ergözen.

Ein Umstand pflanzte bald noch schlimmere Neigungen in seine Seele; mit jedem Tag ungestümmer in seinen Leidenschaften, und so lange gewohnt, jede, auch die schlimmste Neigung ungestraft und ungehindert befriedigen zu können, ward er über jede verweigerte Bitte, oder Bestrafung seines Vaters wütend, und mit Neigung zur Ausschweifung und Ausgelassenheit, mit Tollkühnheit und Stolz, welche die lange Nachsicht und die so lange glückliche Befriedigung seiner ungezäumtesten Wünsche hervorgebracht hatte, verband sich jetzt Zorn und Wuth gegen jeden, der ihm im Weg stand, und insbesondere Abscheu gegen seinen Vater, der ihn nun um so heftiger zu bestrafen suchte, je mehr ihm bisher nachgesehen worden. Selbst schon die Bestimmung zu einem Fleischer, dem Geheul, Seufzen und Tod der Thiere gewöhnliche Gegenstände werden, und der Aufenthalt in einer Schenke, wo er so häufig Beyspiele der Roheit und Ausgelassenheit zu sehen Gelegenheit hatte, mußten bey einem solchen Temperament viel zur Verstärkung roher Gesinnungen beytragen. Kurz er war noch nicht aus dem Knaben-Alter getreten, als er schon nicht nur der ausgelassenste, sondern auch der stolzeste, rachsüchtigste, und während der Rachsucht grausamste Bube war.
(Hirschgraben Frankfurt 1982 über ‚Der Verbrecher aus verlorener Ehre’)



Einzelfragen zur Erzählung / Klassenarbeit: Genese von Verbrechen

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