2. Klausur 12.1 3 Unterrichtsstunden Thema : Thomas Mann, Der Erwählte
Interpretieren Sie das Kapitel ‚Der Trauerer' (S. 66 – 72; Fischer Taschenbuch)!
I. Nehmen Sie Stellung zur Gestalt des Erzählers!
II. Arbeiten Sie mit Hilfe genauer Textanalyse heraus, wie der Erzähler das Besondere des Gregorius darstellt, und erläutern Sie das Problem des Hochmuts!
Bei der Veröffentlichung dieses Klausurthemas und der folgenden Abiturprüfung ging es mir um die Frage, ob Thomas Manns kleiner Roman eventuell als Schullektüre genutzt werden kann. Dass ich ihn mit einem besonders geeigneten Kurs gelesen habe, ist nun, 2021, 40 Jahre her, danach gab es für mich keine Gelegenheit mehr, die Lektüre zu erproben.
Hinweise zur Lösung
zu Aufgabe I: Der Erzähler der Geschichte vom Erwählten erzählt, am Schreibpult seines Kloster stehend, in der Ich-Form. Ausdrücklich spricht er auch den erzählten Leser an, der als Zeitgenosse des Mönchs zu verstehen ist: „Aber zwischen euch und mir sei es gesagt … und fragt ihr“. Dieser Ich-Erzähler ist allwissend, er weiß „wie wahr es ist“, was er erzählt. Als Mönch steht er außerhalb des weltlichen Treibens, ja über ihm, wenn er zum Beispiel von sich selbst erzählt, dass über Sport zu schreiben unter seiner Würde sei. Den Standort des überlegenen Erzählers verliert er manches Mal, z. B. wenn beim Erzählen zunehmend die Anteilnahme an dem wächst, was er erzählt: „Und dennoch wird mir warm dabei, und seltsam bin ich bei der Sache mit meinen Gedanken.“
zu Aufgabe II: Des Erzählers Sympathie gilt eindeutig Grigorß; er war „lieblich zu sehen“ so schreibt er. „Sein weiches braunes Haar“ stellt er dem „verwalkten Kopfstroh der Fischerbälge“ gegenüber, sein „Lächeln“ deren „Feixen“ und seine „stillen Tränen“ dem Plärren“ der Bälger, von deren Art er sich zunehmend entfernt, so dass sich eine „Kluft auftut“ zwischen diesen und ihm. Er legt das Platt (Messingsch) der Fischer ab spricht es nur noch im Haus des Fischers, „aus Höflichkeit“, was dessen Bewohner auffällt und ärgert. Er bleibt „bescheiden und artig gegen jedermann … von wegen in ihn gelegter guter Sitte.“Aber Grigorß kann das Messingsch nicht mehr; „beim besten Willen nicht und nicht von Hochmuts wegen.“, so entschuldigt der Erzähler ihn, und Grigorß schämt sich, dass er nicht zu den Fischersleuten passt: „Den Grigorß schmerzte das, denn sein Wille war freundlich, und nicht gern überhob er sich, nur ganz unwillkürlich.“ Das „unwillkürlich“ lässt eine unbewusste Art von Hochmut vermuten. Und auch, obwohl in den Wissenschaften sehr begabt, „passe er zu den Mönchen und Mitscholaren im Grunde nicht, passe nicht in sein Kleid, seinen Stand …sei ein heimlich Fremder so hier wie dort.“ „War das Hochmut und sündlicher Dünkel?“, fragt der Erzähler. In seinem Innern drängt etwas zum Stolz. So hört mit „sonderbarer Begier“ darauf, was die Leute Gutes über ihn reden. Und es stellt sich die Frage, worauf er, ein Fremder hier wie dort, stolz sein kann. Da er außer in seinen Träumen nichts von seiner Ritterschaft weiß, die in seiner Art liegt, „Was blieb ihm dann, sich etwas darauf zugut zu halten? Kann man stolz sein ganz einfach auf sich selbst…?“ Er hat nichts vorzuweisen, etwas ist in seinem Leben nicht richtig, und so wird sein Stolz als Hochmut empfunden. Grigorß aber ist aus Sorge um seine Richtigkeit „von Schwermut beschattet“, was ihm den „Necknamen“ der ‚Trauerer‘ einbringt.
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