6. Klassenarbeit 8a am 25.05.98
Thema: Jakob Wassermann ‘Das Gold von Caxamalca’
Vergleiche die beiden Kulturen (Welten), die christliche der Spanier und die des Inkareichs, so wie Jakob Wassermann sie in seiner Erzählung darstellt! Arbeite also das Besondere der Vertreter dieser beiden Kulturen heraus, ihr Verhalten, ihre Ansichten, ihren Charakter, und mache deren Unterschiede deutlich!
Lösungsvorschlag
Einleitung: In seiner 1928 geschriebenen Erzählung über die Zerstörung des Inkareichs und die Ermordung des Inka-Königs Atahuallpa durch Francesco Pizarro stellt Wassermann dem Idealbild der Inkagesellschaft die europäisch-christlichen Welt gegenüber, die durch die spanischen Eroberer des 16. Jahrhunderts repräsentiert wird und die, das Christliche völlig pervertierend, vor allem durch brutal-rücksichtsloses Habenwollen charakterisiert und wie von Gott verstoßen dargestellt wird.
Hauptteil: Wassermann zeigt also zwei absolut entgegengesetzte Welten. Die Welt der Spanier ist bestimmt durch den Trieb jedes einzelnen, mächtiger, überlegener zu sein als der andere, wozu der Besitz von Gold in deren Augen die Voraussetzung bildet. Dieses Mehr-sein-wollen führt dazu, dass der einzelne mit sich unzufrieden ist, dass er den anderen mit Zank und Hader ... Neid und Habgier (42) begegnet, so dass der Mensch des Menschen Wolf wird. Darum heißt es von den Spaniern, sie seien wie Wölfe (36) und Tieren ähnlich (35); sie zerfleischen einander um Gold (23). Und als der Erzähler mit einem der Eroberer um den goldenen Thron des Inka kämpft, schreibt Wassermann: ... stierten wir uns mit blutunterlaufenen Augen an wie Todfeinde. (21) Das Christentum, auf das sie sich berufen, verhilft ihnen lediglich zu Machtbewusstsein und Arroganz Andersgläubigen gegenüber, Arroganz derer, die glauben, die Wahrheit zu besitzen - auch hier ein Mehr-sein-wollen. Nicht aber führt das Christentum zu mehr Menschlichkeit; das von Wassermann in seiner Erzählung dargestellte Christentum hat nicht die Kraft, die Lehre, dass der andere der Bruder ist, umzusetzen.
Bei den Inkas gibt es nicht diese Vorstellung, anderen überlegen sein zu wollen. Deswegen brauchen sie keinen Besitz, mit dessen Hilfe sie mehr werden könnten als andere. Alles Land ist Eigentum des Inka, das er aber, ohne Vorteil daraus zu ziehen, weitergibt, so dass praktisch Gemeineigentum vorliegt; auch alles übrige, z. B die Mittel, mit denen man das Land bestellen kann, ist Gemeineigentum - eine Gesellschaftordnung, die dem Erzähler märchenhaft und beunruhigend (13) vorkommt. Bei der Nutzung dieses Gemeineigentums gilt, dass jeder nach seinen Bedürfnissen erhält, z. B vermehrt oder verringert sich der Anteil an Land je nach Größe der Familie (erhielte er mehr, als er notwendig braucht, könnte er sich über andere erheben). Bei der Nutzung dieses Gemeineigentums gilt auch das Gesetz der Hilfsbereitschaft denen gegenüber, die nicht den Lebensunterhalt nach ihren Bedürfnissen erarbeiten können, also gegenüber den Schwächeren. Da es keinen Besitz gibt, gibt es auch keine Besitzgier, Gold ist nur als Schmuck wertvoll, nicht als Mittel, an Macht und Besitz zu gelangen; da es die Verpflichtung zur Nächstenhilfe gibt, entsteht keine Selbstsucht; da jeder nach seinen Bedürfnissen erhält, fehlt der zerstörerische Ehrgeiz, der mehr sein will als die anderen.
Und als die Spanier in ihr Land einfallen und mit ihnen der Geist der Finsternis (37), erfüllt den Inka Furcht und Grauen (34) und dunkles Staunen (29) und Entsetzen (43) über die unbegreiflich fremde Seele (43) der Eindringlinge; die Welt der Spanier ist ihm unfassbar und schaurig fremd (24). Alle Gesetze des Lebens mussten ihm aufgehoben erscheinen, alle Gesetze der Natur und das Maß aller Dinge zerstört, da er sich einer Schar von Fremdlingen, von bösen Schattenwesen ... preisgegeben sah (46f.). In einer Welt, die durch das Erscheinen der Spanier unrein geworden war (38), können Atahullpa und sein Volk nicht leben, und der Inkakönig kann, von unermesslicher Melancholie (37) ergriffen, den Befehl zur Vernichtung dieser von Gott verstoßenen Welt der Finsternis nicht geben.
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