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Diss. Kapitel 1 - 4
in Diss. zitierte Literatur
Vortrag

Deutsch/Leistungskurs Abitur 1998
Rede des Häuptlings der Duwamish-Indianer Chief Seattle an Franklin Pierce, den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika (1853-1857)
Text: Walter-Verlag (Olten und Freiburg i. Brsg.) 5. Auflage 1983
Aufgabenstellung

Interpretieren Sie die Rede des Häuptlings der Duwamish-Indianer Chief Seattle an Franklin Pierce, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika (1853-1857)!

„Der große Häuptling in Washington sendet Nachricht, dass er unser Land zu kaufen wünscht. Der große Häuptling sendet uns auch Worte der Freundschaft und des guten Willens. Das ist freundlich von ihm, denn wir wissen, er bedarf unserer Freundschaft nicht.
Aber wir werden sein Angebot bedenken, denn wir wissen, wenn wir nicht verkaufen, kommt vielleicht der weiße Mann mit Gewehren und nimmt sich unser Land.

Wie kann man den Himmel kaufen oder verkaufen - oder die Wärme der Erde? Diese Vorstellung ist uns fremd. Wenn wir die Frische der Luft und das Glitzern des Wassers nicht besitzen - wie könnt Ihr sie von uns kaufen? [...]

Jeder Teil dieser Erde ist meinem Volk heilig, jede glitzernde Tannennadel, jeder sandige Strand, jeder Nebel in den dunklen Wäldern, jede Lichtung, jedes summende Insekt ist heilig in den Gedanken und Erfahrungen meines Volkes. [...]
Wir sind ein Teil der Erde, und sie ist ein Teil von uns. Die duftenden Blumen sind unsere Schwestern, die Rehe, das Pferd, der große Adler - sind unsere Brüder. Die felsigen Höhen, die saftigen Wiesen, die Körperwärme des Ponys - und des Menschen - sie alle gehören zur gleichen Familie.

Wenn also der große Häuptling in Washington uns Nachricht sendet, dass er unser Land zu kaufen gedenkt, so verlangt er viel von uns.

Der große Häuptling teilt uns mit, dass er uns einen Platz gibt, wo wir angenehm und für uns leben können. Er wird unser Vater sein und wir seine Kinder.
Aber kann das jemals sein? Gott liebt Euer Volk und hat seine roten Kinder verlassen. Er schickt Maschinen, um dem weißen Mann bei seiner Arbeit zu helfen, und baut große Dörfer für ihn. Er macht Euer Volk stärker, Tag für Tag. Bald werdet Ihr das Land überfluten, wie Flüsse Schluchten hinabstürzen nach einem unerwarteten Regen. Mein Volk ist wie eine ebbende Gezeit - aber ohne Wiederkehr. Nein, wir sind verschiedene Rassen. Unsere Kinder spielen nicht zusammen, und unsere Alten erzählen andere Geschichten. Gott ist Euch gut gesonnen, und wir sind Waisen.

Wir werden Euer Angebot, unser Land zu kaufen, bedenken. Das wird nicht leicht sein, denn dieses Land ist uns heilig. [...]
Die Flüsse sind unsere Brüder, sie stillen unseren Durst. Die Flüsse tragen unsere Kanus und nähren unsere Kinder. Wenn wir unser Land verkaufen, so müsst Ihr Euch daran erinnern und Eure Kinder lehren: Die Flüsse sind unsere Brüder - und Eure -, und Ihr müsst von nun an den Flüssen Eure Güte geben, so wie jedem anderen Bruder auch. [...]
Wir wissen, dass der weiße Mann unsere Art nicht versteht. Ein Teil des Landes ist ihm gleich jedem anderen, denn er ist ein Fremder, der kommt in der Nacht und nimmt von der Erde, was immer er braucht. Die Erde ist sein Bruder nicht, sondern Feind, und wenn er sie erobert hat, schreitet er weiter [...] Er behandelt seine Mutter, die Erde, und seinen Bruder, den Himmel, wie Dinge zum Kaufen und Plündern, zum Verkaufen wie Schafe oder glänzende Perlen. Sein Hunger wird die Erde verschlingen und nichts zurücklassen als die Wüste.
Ich weiß nicht - unsere Art ist anders als die Eure. Der Anblick Eurer Städte schmerzt die Augen des roten Mannes. Vielleicht, weil der rote Mann ein Wilder ist und nicht versteht.
Es gibt keine Stille in den Städten der Weißen. Keinen Ort, um das Entfalten der Blätter im Frühling zu hören oder das Summen der Insekten. Aber vielleicht nur deshalb, weil ich ein Wilder bin und nicht verstehe. Das Geklappere scheint unsere Ohren nur zu beleidigen. Was gibt es schon im Leben, wenn man nicht den einsamen Schrei des Ziegenmelkervogels hören kann oder das Gestreite der Frösche am Teich bei Nacht. Ich bin ein roter Mann und verstehe das nicht. Der Indianer mag das sanfte Geräusch des Windes, der über eine Teichfläche streicht - und den Geruch des Windes, gereinigt vom Mittagsregen oder schwer vom Duft der Kiefern.
Die Luft ist kostbar für den roten Mann, denn alle Dinge teilen denselben Atem: Das Tier, der Baum, der Mensch - sie alle teilen denselben Atem. Der weiße Mann scheint die Luft, die er atmet, nicht zu bemerken. Wie ein Mann, der seit vielen Tagen stirbt, ist er abgestumpft gegen den Gestank. [...]

Das Ansinnen, unser Land zu kaufen, werden wir bedenken, und wenn wir uns entschließen anzunehmen, so nur unter einer Bedingung: Der weiße Mann muss die Tiere des Landes behandeln wie seine Brüder. [...]
Was ist der Mensch ohne die Tiere? Wären alle Tiere fort, so stürbe der Mensch an großer Einsamkeit des Geistes. Was immer den Tieren geschieht - geschieht bald auch den Menschen. Alle Dinge sind miteinander verbunden. Was die Erde befällt, befällt auch die Söhne der Erde. [...]

Lehrt Eure Kinder, was wir unsere Kinder lehrten: Die Erde ist unsere Mutter. Was die Erde befällt, befällt auch die Söhne der Erde. Wenn Menschen auf die Erde spucken, bespeien sie sich selbst. Denn das wissen wir - die Erde gehört nicht den Menschen, der Mensch gehört zur Erde. Alles ist miteinander verbunden, wie das Blut, das eine Familie vereint. Alles ist verbunden. Was die Erde befällt, befällt auch die Söhne der Erde. Der Mensch schuf nicht das Gewebe des Lebens, er ist darin nur eine Faser. Was immer Ihr dem Gewebe antut, das tut Ihr Euch selber an. [...]

Das Ansinnen des weißen Mannes, unser Land zu kaufen, werden wir bedenken. Aber mein Volk fragt, was denn will der weiße Mann kaufen? Wie kann man den Himmel oder die Wärme der Erde kaufen - oder die Schnelligkeit der Antilope? Wie können wir Euch diese Dinge verkaufen - und wie könnt Ihr sie kaufen? Könnt Ihr denn mit der Erde tun, was Ihr wollt, nur weil der rote Mann ein Stück Papier unterzeichnet und es dem weißen Manne gibt? Wenn wir nicht die Frische der Luft und das Glitzern des Wassers besitzen - wie könnt Ihr sie von uns kaufen? [...]Wir werden Euer Angebot bedenken. Wir wissen, wenn wir nicht verkaufen, kommt wahrscheinlich der weiße Mann mit Waffen und nimmt sich unser Land. [...] Der weiße Mann, vorübergehend im Besitz der Macht, glaubt, er sei schon Gott - dem die Erde gehört. Wie kann ein Mensch seine Mutter besitzen?“



Bei der vorliegenden Rede sind die Voraussetzungen, die zur Redesituation führen, durch Jugendliteratur und Film hinlänglich bekannt (z.B. Verbannung in Reservate). Vor allem aber ist der Text repräsentativ für Probleme, mit denen sich die jungen Leute dieses Alters (Ich beobachte, dass bei den nachfolgenden Schülergenerationen das Interesse an Umweltfragen nachlässt.) immer noch auseinandersetzen, wie sich bei der Besprechung der zeitgenössischen Naturlyrik und vor allem des Romans ‘Die Wand’ von Marlen Haushofer, der auf den Kurs einen ungewöhnlichen Eindruck gemacht hat, herausstellte.

Aufgrund der Methode, die die Schüler/Schülerinnen bei der Analyse der Rede geübt haben, kann erwartet werden

1. eine Darstellung des situativen Bezugs,

2. eine Darstellung der Intention (Mahnung an die Weißen, im Einklang mit der Natur zu leben und nicht die Natur zu unterwerfen und auszubeuten, da der Mensch mit der Natur sich selbst zerstört),

3. ein Resümee des Gedankengangs (Rote und Weiße sind sich fremd - die Erde ist nicht Besitz, also nicht zu verkaufen - der Mensch ist Teil der Erde, mit der Natur verwandt - die Natur ist hilfreich, der Mensch muss gütig zu ihr sein - der rote Mann kann nur leben im Einklang mit der Natur, der weiße Mann lebt fern von ihr, ist ihr Feind, raubt sie aus, zerstört sie und damit sich selbst - der Weiße hat die Macht und wird sie wahrscheinlich voller Überheblichkeit nutzen),

4. eine Charakterisierung des Redenden (er belehrt, ohne Hoffnung, verstanden zu werden, und, obwohl er die Vernichtung der Natur und der Indianer vor Augen hat, mit großer Würde und Weisheit, ohne Arroganz),

5. eine Analyse der Textstruktur, vor allem Hinweise auf die Struktur der Wiederholung und auf die Bildhaftigkeit der Sprache,

6. als besondere Leistung wäre zu werten, wenn der theologische Aspekt aufgegriffen würde mit dem Hinweis auf die Aufforderung Gottes: 'Macht euch die Erde untertan und herrscht ... über das Vieh und alle Tiere' und wenn kurz auf den Unterschied - bei scheinbarer Parallele - zur Blut- und Bodenideologie eingegangen würde.Eine. Diskussion der Aktualität soll nicht provoziert werden (deshalb fehlt der Hinweis, dass der vorliegende Text - als Flugblatt verteilt - in unserer Zeit einen neuen Absender und einen neuen Adressaten gefunden hat), da der Text im Hinblick auf eine Analyse hinreichend komplex ist.



Rede

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