Analysieren Sie das Gedicht ‚Menschliches Elende‘ von Andreas Gryphius und vergleichen Sie es mit ‚Carpe diem‘ von Martin Opitz!
Andreas Gryphius (1616 – 1664)
Menschliches Elende Was sind wir Menschen doch! Ein Wohnhaus grimmer Schmerzen. Ein Ball des falschen Glücks, ein Irrlicht dieser Zeit, Ein Schauplatz herber Angst, besetzt mit scharfem Leid. Ein bald verschmelzter Schnee und abgebrannte Kerzen.
Dies Leben fleucht darvon wie ein Geschwätz und Scherzen. Die vor uns abgelegt des schwachen Leibes Kleid Und in das Totenbuch der großen Sterblichkeit Längst eingeschrieben sind, sind uns aus Sinn und Herzen.
Gleich wie ein eitel Traum leicht aus der Acht hinfällt Und wie ein Strom verscheußt, den keine Macht aufhält, So muss auch unser Nam, Lob, Ehr und Ruhm verschwinden.
Was itzund Atem holt, muss mit der Luft entfliehn; Was nach uns kommen wird, wird uns ins Grab nachziehn. Was sag ich? wir vergehn, wie Rauch von starken Winden. 'Acht' so viel wie 'Beachtung'
Martin Opitz (1597-1639)
Carpe diem Ich empfinde fast ein Grauen, dass ich, Plato, für und für bin gesessen über dir. Es ist Zeit hinauszuschauen und sich bei den frischen Quellen in dem Grünen zu ergehn. wo die schönen Blumen stehn und die Fischer Netze stellen!
Wozu dienet das Studieren als zu lauter Ungemach! Unterdessen läuft die Bach unsers Lebens, das wir führen, ehe wir es inne werden, auf ihr letztes Ende hin: dann kömmt ohne Geist und Sinn dieses alles in die Erden.
Holla, Junger, geh und frage, wo der beste Trunk mag sein, nimm den Krug und fülle Wein! Alles Trauren, Leid und Klage, wie wir Menschen täglich haben, eh uns Clotho fortgerafft, will ich in den süßen Saft, den die Traube gibt, vergraben.
Kaufe gleichfalls auch Melonen und vergiss des Zuckers nicht, schaue nur, dass nichts gebricht! Jener mag der Heller schonen, der bei seinem Gold und Schätzen tolle sich zu kränken pflegt und nicht satt zu Bette legt; ich will, weil ich kann, mich letzen!
Bitte meine guten Brüder auf die Musik und ein Glas! Kein Ding schickt sich, dünkt mich, bass als gut Trank und gute Lieder. Lass ich gleich nicht viel zu erben, ei, so hab ich edlen Wein! Will mit andern lustig sein, muss ich gleich alleine sterben.
Die Schüler sollen entsprechend der Aufgabenstellung das Gedicht des Gryphius ausführlich analysieren: Gedichtform, Strophenform, Reim, Metrum, Klangwirkung, Satzbau (auch im Verhältnis zu Metrum, Vers und Strophe), Tonfall, Wortwahl, Bilder, Reihung und ihre Bedeutung. Das Hauptthema, menschliches Elend und Vergänglichkeit des Menschen muss erarbeitet werden durch eine Deutung der Bilder, die ‚vanitas‘ als die die Barockzeit bestimmende Erfahrung gedeutet werden. Auch sollte gesehen werden, dass in diesem Sonett der tröstende Hinweis auf das Aufgehobensein in Gott fehlt. Dass die Barockzeit außer Klage und dem Blick zum Jenseits auch eine andere Antwort auf die Erfahrung der Vergänglichkeit kennt, soll am Gedicht von Martin Opitz nachgewiesen werden. Die Schüler sollen auf die polare Spannung zwischen Lebensschmerz und Lebensgenuss verweisen, in der die Menschen des Barock aufgrund der einen Erfahrung stehen, die in beiden Gedichten durch die Fluss- und Grabmetaphorik ihr Sinnbild findet. Als besondere Leistung wird bewertet, wenn der Unterschied im Tonfall beider Gedichte herausgearbeitet wird: das Nachdenklich-Schwerblütige, Gewichtig-Endgültige der Alexandriner und das Leichte, Beschwingte der vierhebigen Trochäen.
Carpe diem - wörtlich übersetzt! Pflücke den Tag Plato - griech. Philosoph die Bach - heute: der Bach Clotho - eine der drei Parzen, Schicksals-,Todesgöttin dass nichts gebricht - so viel wie: dass es an nichts fehlt der Heller schonen -'schonen' mit Genitiv wie' vergessen' in V 2 tolle - so viel wie: töricht sich kränken – so viel wie: sich sorgen sich letzen – so viel wie: sich gütlich tun, sich laben bass - besser
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