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5. Klassenarbeit 9c am 09.06.98

Gottfried Keller ‘Romeo und Julia auf dem Dorfe’
Vergleiche die drei folgenden Textausschnitte miteinander und lege dar, ob es sinnvoll war, dass Gottfried Keller die Schlussbemerkung, die er zunächst seiner Novelle angehängt hatte, später nicht mehr gelten lassen wollte, und ob die Kritik des Alexander von Villers berechtigt ist oder nicht.

I. ‘Romeo und Julia auf dem Dorfe’ Reclam S. 78 - 80:
Vrenchen umschloss ihn mit beiden Armen, schmiegte seinen schlanken zitternden Leib an ihn, drückte seine glühende Wange, die von heißen Tränen feucht war, an sein Gesicht und sagte schluchzend: „Wir können nicht zusammen sein und doch kann ich nicht von dir lassen, nicht einen Augenblick mehr, nicht eine Minute!“ Sali umarmte und drückte das Mädchen heftig an sich und bedeckte es mit Küssen. Seine verwirrten Gedanken rangen nach einem Ausweg, aber er sah keinen. Wenn auch das Elend und die Hoffnungslosigkeit seiner Herkunft zu überwinden gewesen wären, so war seine Jugend und unerfahrene Leidenschaft nicht beschaffen, sich eine lange Zeit der Prüfung und Entsagung vorzunehmen und zu überstehen, und dann wäre erst noch Vrenchens Vater dagewesen, welchen er zeitlebens elend gemacht. Das Gefühl, in der bürgerlichen Welt nur in einer ganz ehrlichen und gewissenfreien Ehe glücklich sein zu können, war in ihm ebenso lebendig wie in Vrenchen, und in beiden verlassenen Wesen war es die letzte Flamme der Ehre, die in früheren Zeiten in ihren Häusern geglüht hatte [...] Sali und Vrenchen hatten aber noch die Ehre ihres Hauses gesehen in zarten Kinderjahren und erinnerten sich, wie wohlgepflegte Kinderchen sie gewesen und dass ihre Väter ausgesehen wie andere Männer, geachtet und sicher. Dann waren sie auf lange getrennt worden, und als sie sich wiederfanden, sahen sie in sich zugleich das verschwundene Glück des Hauses, und beider Neigung klammerte sich nur umso heftiger ineinander. Sie mochten so gern fröhlich und glücklich sein, aber nur auf einem guten Grund und Boden, und dieser schien ihnen unerreichbar, während ihr wallendes Blut am liebsten gleich zusammengeströmt wäre.

II. Der bei einer späteren Ausgabe von ‘Romeo und Julia auf dem Dorfe’ weggelassene Schluss:
Was die Sittlichkeit betrifft, so bezweckt diese Erzählung keineswegs die Tat zu beschönigen und zu verherrlichen; denn höher als diese verzweifelte Hingebung wäre jedenfalls ein entsagendes Zusammenraffen und ein stilles Leben voll treuer Mühe und Arbeit gewesen, und da diese die mächtigsten Zauberer sind in Verbindung mit der Zeit, so hätten sie vielleicht noch alles möglich gemacht; denn sie verändern mit ihrem unmerklichen Einfluss die Dinge, vernichten die Vorurteile, stellen die Ehre her und erneuern das Gewissen, so dass die wahre Treue nie ohne Hoffnung ist.

III. Aus Alexander von Villers ‘Briefe eines Unbekannten’, veröffentlicht 1881:[...] diese beiden edlen Veroneser (gemeint sind Shakespeares ‘Romeo und Julia’) - die, nebenbei gesagt, aus Missverständnis sterben - hatten oder glaubten mit allem Recht, obgleich die Sache sich hätte vermitteln können, für ihre Liebe nirgends eine Zuflucht als im Tode; Saly und Vreeli [...] aber konnte, mein ich, geholfen werden. Ich sehe wirklich nirgends den tragischen Grund zum tragischen Ende, und ehe Liebe ins Wasser geht, läuft sie doch erst die Füße wund. [...]Es fehlt an jedem Motiv [gemeint ist ein tragischer Grund]; so bleibt nur ein Motiv: Widerwille gegen Prüfungen, gegen Ausdauer, gegen Arbeit, nach einem lustigen Tag.

Hinweise für eine Lösung der Aufgabenstellung:

Die ausgewählte Stelle aus der Novelle ist eine Art Resümee des Erzählers.
Wesentlich - vor allem im Hinblick auf die Kritik durch Alexander von Villers - ist der Hinweis, dass es an Salis Jugend und unerfahrener Leidenschaft liegt, dass er sich nicht eine lange Zeit der Prüfung und Entsagung vornehmen kann. Wesentlich für die Auseinandersetzung mit der Kritik von Villers’ ist auch der Hinweis auf Vrenchens Vater, welchen er (Sali) zeitlebens elend gemacht (Vrenchen nennt diese Tat einen schlechten Grundstein unserer Ehe), wesentlich ist der Traum der beiden von einer bürgerlichen Welt, in der sie nur in einer ganz ehrlichen und gewissenfreien Ehe glücklich sein ... können (Sie möchten so gern fröhlich und glücklich sein, aber nur auf einem guten Grund und Boden) und die letzte Flamme der Ehre, die die beiden der Schande der Väter entgegenstellen, und dies um so ausschließlicher, je tiefer sie unter dieser Schande leiden, der sie ihren Traum vom bürgerlichen Leben entgegenstellen (als ob sie nicht aus zank- und elenderfüllten vernichteten Häusern herkämen, sondern guter Leute Kinder wären, welche in lieblicher Hoffnung wandelten. 65).

Hier setzen nun Kellers eigene Kommentierung im Schlusswort, das in einer späteren Ausgabe auf Kellers Hinweis gestrichen wurde, und die Kritik des Alexander von Villers ein.
Bei der Auseinandersetzung mit dem Text von Villers’ geht es im wesentlichen um die Frage, ob der Konflikt, den Vrenchen empfindet (Wir können nicht zusammen sein und doch kann ich nicht von dir lassen) tragisch ist oder ob - wie von Villers formuliert - Widerwille gegen Prüfungen, gegen Ausdauer, gegen Arbeit die Ursache des Freitods der beiden ist. Von den drei Hinweisen in dem vorgelegten Auszug aus der Novelle, die bei einer Entscheidung hilfreich sein können (1. die Jugend der jungen Leute, die sie daran hindert, ihre Situation zu übersehen, 2. das durch Sali verschuldete Elend von Vrenchens Vaters, 3. das Ehrgefühl der jungen Leute), muss der erste Hinweis gegen die Vorstellungen A. v. Villers’ besonders deutlich abgegrenzt werden, da eine Ähnlichkeit sich aufdrängt; der dritte Hinweis ist der entscheidende. Wenn man von Villers’ Kritik entkräften will, muss man die bürgerlichen Vorstellungen von Ehrbarkeit, die Keller den beiden jungen Leuten zuschreibt, positiv werten. Angesichts von Formulierungen wie ehrliche und gewissenfreie Ehe oder guter Grund und Boden oder wohlgepflegt ... geachtet ... sicher liegt eine solche Interpretation nahe.



Romeo und Julia auf dem Dorfe

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