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2. Klassenarbeit 8a Gedichtinterpretation 45 Min.

Georg Heym
(1887-1912)

Die Stadt

Im Dunkel ist die Stadt. Und Wolkenschein
Zerreißet vor des Mondes Untergang.
Und tausend Fenster stehn die Nacht entlang
Und blinzeln mit den Lidern, rot und klein.

Wie Aderwerk gehn Straßen durch die Stadt,
Unzählig Menschen schwemmen aus und ein,
Und ewig stumpfer Ton von dumpfem Sein
Eintönig kommt heraus in Stille matt.

Gebären, Tod, gewirktes Einerlei,
Lallen der Wehen, langer Sterbeschrei,
Im blinden Wechsel geht es dumpf vorbei.

Und Schein und Feuer, Fackel rot und Brand,
Die drohen im Weiten mit gezückter Hand
Und scheinen hoch von toter Wolkenwand.

Erläuterung zur 2. Strophe: „ewig stumpfer Ton“: Das stumpfe Dröhnen der Stadt als kaum wahrnehmbare ständige Geräuschkulisse, verursacht durch das dumpfe Hin- und Hergetriebenwerden der vielen Menschen.
Sein = Dasein, Existenz
Erläuterung zur 3. Strophe: „gewirktes“: Mit ‚wirken‘ ist eine ähnliche Tätigkeit wie ‚stricken‘ oder ‚weben‘ gemeint: das eintönige Leben zwischen Geburt und Tod wird verglichen mit Textilien, die durch Tausende von Maschen hergestellt, gewirkt sind.

Joseph von Eichendorff
(1788-1857)

In Danzig
1842

Dunkle Giebel, hohe Fenster,
Türme tief aus Nebeln sehn,
Bleiche Statuen wie Gespenster
Lautlos an den Türen stehn.

Träumerisch der Mond drauf scheinet,
Dem die Stadt gar wohl gefällt,
Als läg’ zauberhaft versteinet
Drunten eine Märchenwelt.

Ringsher durch das tiefe Lauschen,
Über alle Häuser weit,
Nur des Meeres fernes Rauschen -
Wunderbare Einsamkeit!

Und der Türmer wie vor Jahren
Singet ein uraltes Lied:
Wolle Gott den Schiffer wahren,
Der bei Nacht vorüberzieht!

Erläuterung zur 4. Strophe: Türmer: Wächter auf dem Turm; wahren = bewahren, behüten


I. Einzelaufgaben
1. Schreibe den V. 1 des Gedichts von G. Heym ins Heft und teile ihn a) in Takte, b) in Versfüße ein!

2. Wie heißt der Versfuß, den du bei 1 b) gefunden hast? (Jambus)

3. Wieviel Hebungen hast du bei Heym, wieviel bei Eichendorff je in V.1 gefunden? (Heym: 5, Eichendorff: 4)

4. In V.7 des Gedichts von Eichendorff muss auch das ‚läg’ betont werden.
a)Welche rhythmische Besonderheit ergibt sich dadurch? (zwei betonte Silben nebeneinander)
b) Nenne den Fachausdruck! (Schwebende Betonung)

5.
a) Wie heißt die Form des Gedichts von Heym? (Sonett)
b) Wie heißen die Strophen? (Quartette, Terzette)

6. Schreibe die Reimfolge einer Strophe des Gedichts von Eichendorff auf.! (a b a b)

7. Welchen Namen hat die Reimfolge im Gedicht Eichendorffs? (Kreuzreim)

8. Welchen Namen hat die Reimfolge in der 1. Strophe bei Heym? (umarmender Reim)

9. Schreibe aus beiden Gedichten je 1 Beispiel für Zeilensprung heraus! Schreibe sowohl die entsprechenden Verszahlen hin als auch das letzte Wort der 1. ausgewählten Zeile und erste Wort der folgenden Zeile! (Heym: V1/2: Wolkenschein/Zerreißet; Eichendorff: V.4/4 Gespenster/Lautlos)

10. Schreibe aus den beiden Gedichten je 1 Beispiel für Alliteration heraus! (V. 5: Straßen/Stadt; V. 2: Türme/tief)

11. Schreibe möglichst viele a) Vergleiche und b) Personifikationen aus beiden Gedichten heraus!
(Vergleich: Wie Aderwerke - wie Gespenster - Als läg;
Personifikation: Fenster blinzeln; Träumerische Mond; gezückte Hand von Schein und Feuer ...)

II. Inhaltlicher Vergleich: Stelle im Vergleich so ausführlich wie möglich dar, wie Heym die Stadt sieht und wie Eichendorff sie sieht! Du musst dabei genau auf Einzelheiten der Gedichte eingehen; u. a. könnte es dir helfen, wenn du auch auf die Adjektive der beiden Gedichte achtest und sie bei deiner Darstellung berücksichtigst.

II. Inhaltlicher Vergleich: Stelle im Vergleich so ausführlich wie möglich dar, wie Heym die Stadt sieht und wie Eichendorff sie sieht! Du musst dabei genau auf Einzelheiten der Gedichte eingehen; u. a. könnte es dir helfen, wenn du auch auf die Adjektive der beiden Gedichte achtest und sie bei deiner Darstellung berücksichtigst.

Lösungsvorschlag
Beim Vergleich der beiden Gedichte fällt als erstes eine Ähnlichkeit ins Auge: Eichendorffs Gedicht beginnt mit Dunkle und das von Heym mit Im Dunkel. In beiden Gedichten wird also die Stadt zur Zeit der Nacht bzw. des späten Abend dargestellt. Und in beiden Gedichten wird neben dem Dunkel ein weiteres Zeichen der Nacht, der Mond, genannt und zu dem Mond ein weiteres Stück Natur: Wolken bei Heym und Nebel bei Eichendorff. Weitere Parallelen: Stille bei Heym, Lautlos bei Eichendorff, und in der Stille ein ständiges Tönen: bei Eichendorf ist es ein fernes Rauschen des Meers, bei Heym ein ewig stumpfer Ton, der entsteht durch die dumpfen Lebensäußerungen der vielen Menschen in der Stadt.
Trotz dieser Ähnlichkeiten können Bilder einer Stadt nicht gegensätzlicher sein als die in den beiden Gedichten. In den rund 60 Jahren, die zwischen den beiden Gedichten liegen, hat die Stadt sich durch die Industrialisierung radikal verändert. Sie ist größer geworden: die tausend Fenster und das Aderwerk der Straßen bei Heym stehen für das Riesige einer Großstadt um 1910; verstärkt wird dieser Eindruck durch das unzählig Menschen in Vers 6. Danzig dagegen ist eine Stadt, in der jedes einzelne Haus eine schöne Kostbarkeit ist, durch hohe Fenster und Statuen neben den Eingängen geschmückt.
Zwar wirken die bleichen Statuen im Nebel wie Gespenster; doch dies sind im Wortfeld dieses Gedichts die einzigen Vokabeln, die negative Assoziationen wecken könnten, und durch das Träumerisch zu Beginn der zweiten Strophe wird dieses Negative sofort aufgehoben und als versteinertes Zeichen einer zauberhaften Märchenwelt gedeutet. Bei Heym dagegen häufen sich die mit negativen Assoziationen, mit Zerstörerischem, Bösem verbundenen Vorstellungen: der Wolkenschein Zerreißet, die Wolkenwand ist tot, vom Mond wird nur der Untergang genannt, die tausend Fenster blinzeln mit den Lidern, rot und klein, die Industrie hat mit ihren Hochöfen und Schloten (Schein und Feuer, Fackel rot und Brand) den Himmel (die Atmosphäre) getötet und drängt bedrohlich in die Stadt hinein.
Die Menschen in dieser Großstadt sind eine anonyme Masse, die einförmig mehr dahinvegetiert als wirklich ‚lebt‘: Unzählig Menschen schwemmen aus und ein. In dieser umhergetriebenen Masse geht der Einzelne mit seiner Besonderheit und Freiheit völlig unter: Und ewig stumpfer Ton von dumpfem Sein/Eintönig kommt heraus in Stille matt (V.7f.), gewirktes Einerlei (V.9) von der Geburt bis zum Tod. Und von diesem Dahinvegetieren wird auch nur das Schmerzhafte genannt: Lallen der Wehen, langer Sterbeschrei.
Dagegen schlafen bei Eichendorff die Menschen ungestört (das tiefe Lauschen) in ihren schönen Häusern und die Stadt wird erfüllt von Wunderbarer Einsamkeit. Die Menschen können in Frieden ruhen; ihren Frieden bewacht der Türmer, der über alle den Schutz Gottes erbittet. Eichendorffs Gedicht endet also mit einem Gebet um Schutz vor den möglichen Gefahren der Nacht. Unter diesem Schutz ist die Stadt voller Zauber, voller Ruhe, voll märchenhaften Friedens, sicherlich nicht nur dem Mond, sondern allen Menschen ein Wohlgefallen (V. 6), wogegen Heyms Sonett mit einem bedrohlichen Zeichen endet, das das Unbewohnbare, Lebentötende der Großstadt grell beleuchtet.Gleich: Stadt - Nacht Dunkel, Fenster Natur (Nebel, Wolken Mond) alle Häuser - tausend Fenster - Stille



Aufgaben für eine Klasse 9
I. zum Rhythmus

1. Notiere das Versmaß (Takte) der 3. Strophe des Gedichts von Eichendorff und der 1. Strophe des Gedichts von Heym!

2. Weise nach und erkläre Synkopen in der 2. Strophe des Gedichts von Eichendorff!
Das ‚-isch’ von ‚träumerisch’ und das ‚-haft’ von ‚zauberhaft’ werden – entgegen dem normalen Sprechen – betont.
Synkope: Betonungsverschiebung, die sich durch unterschiedliche Betonung von Versmaß und natürlichem Sprechen ergibt
Rhythmus: Unter dem Rhythmus eines Gedichts versteht man u. a. die Spannung zwischen dem ‚normalen’ Sprechen des Texts und dem Metrum des Verses. Beides verändert sich wechselseitig: bei ‚träumerisch’ wird z. B. entgegen dem ‚normalen’ Sprechen noch die dritte Silbe betont, entgegen dem Versmaß aber nicht so stark wie die erste Silbe.

3. Schreibe 2 Verse hin, die durch Kola charakterisiert sind!

4. Was versteht man unter ,Enjambement'? Nenne in beiden Gedichten je 1 Beispiel!

II. Zum Reim und zur Gedichtform

1. Welchen Namen hat die Reimfolge im Gedicht Eichendorffs?

2. Welchen Namen hat die Reimfolge in der 1. bzw. 2. Strophe bei Heym?

3. Welchen Namen hat die Reimfolge in der 3. bzw. 4 Strophe bei Heym?

4. Charakterisiere die Gedichtform des Gedichts von Heym (Wie nennt man die Gedichtform, wie die Strophen?)

III. zum Klang und zu den Klangfiguren

3. Schreibe aus dem Gedicht Eichendorffs je 2 Beispiele für eine männliche und eine weibliche Kadenz heraus! Ordne sie!

4. Weise in den beiden Gedichten je 1 Beispiel für Alliteration nach!

5. Untersuche die Vokale der ersten Strophe des Gedichts von Heym; charakterisiere ihren Klang und setze den Klangcharakter zur Aussage in Beziehung !
Es fällt auf eine Häufung der dunklen Vokale u, a und o; sie malen das Gedrückte der Atmosphäre. Das ‚ei’ in ‚zerreißet’ ergibt durch die umgebenden Konsonanten, vor allem durch das scharfe s, einen schneidenden, scharfen Klang, ebenso das ‚i’ in ‚blinzeln’ durch das harte ‚z’; diesem Klang glicht sich das ‚i’ in ‚Lidern’ an.

IV. zu den rhetorischen Figuren
1. Definiere ,Vergleich'!
Ein Bild wird mit einer Vergleichspartikel (wie, als) zur genaueren Charakterisierung zum eigentlichen Wort gesetzt.

2. Definiere ,Personifikation'!
Gegenständen werden menschliche Eigenschaften zugedacht.

3. Nenne Vergleiche und Personifikationen in beiden Gedichten!

V. zur Aussage

1. Schreibe aus beiden Gedichten die Adjektive heraus!

2. Vergleiche die beiden Gedichte miteinander!
Wie sieht Eichendorff, wie Heym die Stadt?

Wichtig ist, dass du alles belegst, was du schreibst. Beziehe auch die oben gesammelten Adjektive mit in die Interpretation ein.

Bis einschl. V.1 sind 45 Min. angesetzt.


für 13.2
Interpretieren Sie zunächst Aussage und Gestalt des Gedichts von Eichendorff - auch als einen Text der Hochromantik - Interpretieren Sie dann Heyms Gedicht 'Die Stadt' und vergleichen Sie beide Gedichte miteinander auch unter dem Aspekt der verschiedenen Epochen!

Zum Vergleich eignet sich auch

Alfred Wolkenstein

Städter

Nah wie Löcher eines Siebes stehn
Fenster beieinander, drängend fassen
Häuser sich so dicht an, dass die Straßen
Grau geschwollen wie Gewürgte sehn.

Ineinander dicht hineingehakt
Sitzen in den Trams die zwei Fassaden
Leute, wo die Blicke eng ausladen
Und Begierde ineinander ragt.

Unsre Wände sind so dünn wie Haut,
Dass ein jeder teilnimmt, wenn ich weine,
Flüstern dringt hinüber wie Gegröle;

Und wie stumm in abgeschlossner Höhle
Unberührt und ungeschaut
Steht doch jeder fern und fühlt: alleine. (1919)

Erläuterung zur zweiten Strophe:
Zu denken ist ein Straßenbahn-Wagen, in dem es nur zwei lange Sitzbänke entlang den Längswänden gibt.





'Abschied' Vergleich mit Brecht 'Schlechte Zeit...

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