Klausur 12. 15.01.96
I. Interpretieren Sie die drei Wintergedichte und vergleichen Sie sie miteinander!
Der Vergleich darf sich nicht auf das Inhaltliche beschränken; es müssen auch formale Elemente aufgezeigt und verglichen werden.
Nikolaus Lenau (1802-1850)
Winternacht Vor Kälte ist die Luft erstarrt, Es kracht der Schnee von meinen Tritten, Es dampft mein Hauch, es klirrt mein Bart: Nur fort, nur immer fortgeschritten!
Wie feierlich die Gegend schweigt! Der Mond bescheint die alten Fichten, Die, sehnsuchtsvoll zum Tod geneigt, Den Zweig zurück zur Erde richten.
Frost, friere mir ins Herz hinein, Tief in das heißbewegte, wilde! Daß einmal Ruh mag drinnen sein Wie hier im nächtlichen Gefilde!
Joseph von Eichendorff (1788-1857)
Winternacht
Verschneit liegt rings die ganze Welt, Ich hab nichts, was mich freuet, Verlassen steht der Baum im Feld, Hat längst sein Laub verstreuet.
Der Wind nur geht bei stiller Nacht Und rüttelt an dem Baume, Da rührt er seinen Wipfel sacht Und redet wie im Traume.
Er träumt von künftger Frühlingszeit, Von Grün und Quellenrauschen, Wo er im neuen Blütenkleid Zu Gottes Lob wird rauschen.
Georg Trakl (1887-1915)
Ein Winterabend
Wenn der Schnee ans Fenster fällt, lang die Abendglocke läutet, vielen ist der Tisch bereitet, und das Haus ist wohlbestellt.
Mancher auf der Wanderschaft kommt ans Tor auf dunklen Pfaden. Golden blüht der Baum der Gnaden aus der Erde kühlem Saft.
Wanderer tritt still herein; Schmerz versteinerte die Schwelle. Da erglänzt in reiner Helle auf dem Tische Brot und Wein.
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