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2. Klausur Lk 11.2
14. Mai 1996

Joseph von Eichendorff ‘Aus dem Leben eines Taugenichts’

Nehmen Sie das Lied S. 56 („Wer in die Fremde wandern will“; alte Ausgabe: 53f.) als Ausgangspunkt Ihrer Interpretation!

1. Stellen Sie die Situation dar, in der das Lied gesungen wird, und stellen Sie dar, wie es zu dieser Situation kommt (also Inhaltsangabe)!

2. Geben Sie den Inhalt des Lieds wieder!

3. Stellen Sie mit Hinweisen auf andere Stellen der Erzählung Eichendorffs dar, in welcher Weise die Grundsituation dieses Lieds bezeichnend ist für die Einstellung des Taugenichts allgemein!

4. Erläutern Sie die symbolische (metaphysische) Bedeutung des Heimwehs, die viele Interpreten in Eichendorffs Gedichten sehen; erläutern Sie das Problem, das in diesem Zusammenhang die letzte Strophe darstellt! Wieso ergibt sich dieses Problem nicht bei dem Lied ‘Mondnacht’?

5. Diskutieren (Erörtern) Sie, ob die Lebensweise des Taugenichts ein akzeptabler Lebensentwurf sein kann (grundsätzlich, zeitweise, als Ergänzung, als Traum, Idylle, Utopie)!
Entscheidend ist, dass Sie bei der Erörterung gute Gründe gut formuliert vortragen; nicht entscheidend ist die Art des Ergebnisses, zu dem Sie kommen.



Mondnacht

Es war, als hätt der Himmel
Die Erde still geküsst,
Dass sie im Blütenschimmer
Von ihm nur träumen müsst.

Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis die Wälder,
So sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.



Lösungsvorschlag

zu 1. Stellen Sie die Situation dar, in der das Lied gesungen wird, und stellen Sie dar, wie es zu dieser Situation kommt (also Inhaltsangabe)!
Der Taugenichts wird von seinem Vater, einem Müller, aufgefordert, in die Welt zu ziehen, da er ihn nicht länger füttern kann. Dem Taugenichts kommt diese Aufforderung gerade recht, er nimmt seine Geige und wandert los. Unterwegs wird er von zwei vornehmen Damen, einer ältere und einer jüngere, in einer Kutsche mitgenommen, und er wird Gärtner auf deren Schloss. Er verliebt sich in die jüngere Frau, von der er meint, sie sei eine Gräfin. Nach dem Tod des Zolleinnehmers wird er dessen Nachfolger. Er fühlt sich aber auf die Dauer bei einem solch philisterhaften Dasein nicht wohl und wandert weiter nach Italien, als er glaubt, seine schöne gnädige Frau sei jemandem anderen verbunden. Unterwegs begegnet er zwei angeblichen Malern, die ihn von dem Schloss her kennen, und er reist mit ihnen als ihr Diener.
Eines Morgens sind die beiden verschwunden; sie haben ihm Geld und die Postkutsche zurückgelassen, und er muss allein weiterreisen. Auf einem Schloss wird er mit großer Ehrerbietung empfangen; er wird dort verwöhnt, bis er melancholisch wird; in der Nähe des Schlosses einsam auf einem Baum sitzend, wird er beim Klang eines Posthorns an ein altes Lied erinnert, das er noch zu Hause auf (seines) Vaters Mühle von einem wandernden Handwerksburschen gelernt hat.

zu 2. Geben Sie den Inhalt des Lieds wieder!
Der Handwerksbursche (und nun der Taugenichts) lebt einsam in der Fremde und mahnt sich und imaginäre Zuhörer, dass niemand ohne Begleitung seiner Liebsten in die Fremde ... wandern sollte, da die Menschen so sehr mit sich selbst beschäftigt sind, dass sie einen Fremden alleine stehn lassen. Dann erinnert er sich beim Anblick des Waldes, der Sterne und beim Gesang der Nachtigall voller Sehnsucht der weit entfernt liegenden Heimat, der alten schönen Zeit dort und der Begegnung mit seiner Liebsten; und er grüßt seine Heimat aus Herzensgrund.

zu 3. Stellen Sie mit Hinweisen auf andere Stellen der Erzählung Eichendorffs dar, in welcher Weise die Grundsituation dieses Lieds bezeichnend ist für die Einstellung des Taugenichts allgemein!
Die Grundsituation: Sehnsucht, Einsamkeit und Wehmut, Sehnsucht nach der Heimat, das heißt nach der Zeit der Kindheit und nach der Zeit, wo er seiner Liebsten nahe war, also Sehnsucht nach einem erfüllten, glücklichen Leben. Diese Grundsituation ist wie ein Leitfaden, der sich durch die Erzählung zieht. Die Sehnsucht nach der Liebsten , die er für unerreichbar hält, lässt ihn bitterlich weinen (neu S. 15) und in ihm das Gefühl aufkommen: Es ist, ...als hätte die ganze Welt gar nicht auf mich gerechnet. (S. 23)
Diese Sehnsucht nach der Liebsten ist zugleich auch immer Sehnsucht zurück nach der Heimat, die ihn überfällt, wenn er sich einsam fühlt: Da kam mir die Welt auf einmal so entsetzlich weit und groß vor, und ich so ganz allein darin, dass ich aus Herzensgrunde hätte weinen mögen. (neu S. 36, hier wird eine ähnliche Situation wie im Gedicht geschildert.). Die Sehnsucht nach der Heimat wechselt, da es sich bei dieser Heimat nicht so sehr um eine konkrete Heimat als vielmehr um die Möglichkeit des Erfülltseins geht, mit der Sehnsucht in die Ferne, in der der Taugenichts immer dann, wenn er irgendwo zu Hause ist (in der Mühle, im Zolleinnehmerhaus, als er Erbe eines reichen Hofs sein könnte), aufs neue die Erfüllung sucht - Reiselust: alle die alte Wehmut und Freude und große Erwartung (26). Er will in die weite Welt, dann nach Italien, speziell nach Rom (60). Und als er in Rom ist, sehnt er sich wieder nach Hause (63, 68), nach den alten Zeiten, die im Menschen ahnungsvolle Trauer wecken (so im Lied Floras). Der Taugenichts ist also der Wanderer, der nirgends endgültig bleibt, der sogar, als er seine Aurelie bekommen hat, wieder nach Italien will.

zu 4. Erläutern Sie die symbolische (metaphysische) Bedeutung des Heimwehs, die viele Interpreten in Eichendorffs Gedichten sehen; erläutern Sie das Problem, das in diesem Zusammenhang die letzte Strophe darstellt! Wieso ergibt sich dieses Problem nicht bei dem Lied ‘Mondnacht’?
Dichtung hat nach Eichendorff als Ziel das Ewige, das Unvergängliche und absolut Schöne, das wir hienieden beständig ersehnen und nirgends erblicken. Dieses Ewige aber sei an sich undarstellbar und kann nur sinnbildlich, das ist in irdischer Verhüllung und durch diese gleichsam hindurchschimmernd, zur Erscheinung gebracht werden. (x-libris, Zum Werk) Sinnbilder dieses Ewigen sind u. a. Kindheit, Heimat, Natur; im ‘Taugenichts’ auch Italien und Rom. Was zunächst als die Sehnsucht erscheint, außerhalb der Welt der Philister zu leben, aus deren geordnetem bürgerlichen Leben auszusteigen und geborgen sein in Heimat, Natur und Vereinigung mit der Liebsten, kann symbolisch als eine Sehnsucht nach einem idealen Leben gedeutet werden, das auf dieser Welt unerreichbar ist, so dass die eigentliche Erfüllung und das endgültige Zur-Ruhe-Kommen erst jenseits der Welt denkbar ist; die Sehnsucht hat im Grunde als Ziel das Zu-Hause außerhalb dieser Welt und dieses Lebens.
Nun heißt es in dem Lied, dass diese Heimat Deutschland sei, also ein konkreter geographischer Ort; und bei dieser realen Situation ist eine symbolische Deutung nicht selbstverständlich.
Bei dem Gedicht ‘Mondnacht’ dagegen fällt das Transzendieren der realen Welt leichter, da das ‘Zu-Hause’ an keine geographische Wirklichkeit gebunden ist; bei einer Erde, die der Himmel still geküsst hat, ist es unmöglich, eine politische, im schlimmsten Fall nationalistische Verherrlichung Deutschlands herauszulesen; und so ist von diesem Gedicht her gesehen der Schluss denkbar, dass Deutschland bei Eichendorff nur stellvertretend steht für den Ort der endgültigen Erfüllung, für den Traum, den die Erde vom Himmel träumt.

zu 5. Diskutieren (Erörtern) Sie, ob die Lebensweise des Taugenichts ein akzeptabler Lebensentwurf sein kann (grundsätzlich, zeitweise, als Ergänzung, als Traum, Idylle, Utopie)!
Entscheidend ist, dass Sie bei der Erörterung gute Gründe gut formuliert vortragen; nicht entscheidend ist die Art des Ergebnisses, zu dem Sie kommen.
Realisierbar ist ein solcher Lebensentwurf nicht. Aber selbst als utopisch gedachter Entwurf ist er problematisch, da diese Art von Existenz nicht nur unrealistisch ist, sondern auch ihre eigenen Schwierigkeiten hat: Das Einsamsein, die ständige Wehmut und auch die Gefährdung durch den Versuch, das Utopische in die Realität umzusetzen, ein Versuch, der einem Hineinstürzen in den Abgrund gleichkommt (vergleichbar der Situation drogenabhängiger Aussteiger).
Als Korrektiv eines bürgerlichen Lebens könnte eine solche Utopie aber doch sinnvoll sein, damit man nicht allzusehr verspießert, damit man den Blick behält für alternative Lebensmöglichkeit, von der man vielleicht ein wenig in sein bürgerliches Leben immer wieder retten kann.
Auch ohne Gefährdung (gleichsam vom sicheren Platz am Fenster aus hinausschauend), sondern mit Gewinn kann man wie der Taugenichts sein Gemüt anrühren lassen von den Schönheiten der Natur, der Musik, der Liebe, damit es nicht verhärtet.



Aus dem Leben eines Taugenichts

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