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2. Klausur 13.1 GK
13.12.96
Zeit: 4 Unterrichtsstunden

Text: Albert Camus, Die Pest

Rieux und Paneloux
Vergleichen Sie die beiden Predigten Paneloux’ als Zeugnisse eines triumphierenden und eines verzweifelten Glaubens! Berücksichtigen Sie die Reaktion Rieux’ auf die Haltung Paneloux’!
(Rowohlt Taschenbauch Verlag GmbH, Hamburg, November 1950 S. 102f.; S. 103f.; 108; 177; erste Predigt: S. 78-82; zweite Predigt: S. 180-185)

Gehen Sie bei der Erläuterung der zweiten Predigt von der Deutung, die Tarrou ihr gibt, aus: Wenn der Unschuld die Augen ausgestochen werden, muss ein Christ den Glauben verlieren oder darin einwilligen, dass auch ihm die Augen ausgestochen werden. (186)

Lösungsvorschlag
Einleitung
In seinem Roman ‘Die Pest’ beschreibt Camus nicht nur in realistischer Weise die Pest in einer algerischen Stadt, sondern deutet darüber hinaus die Pest als das Leben überhaupt, das ihm als eine Absurdität vorkommt; und er zeigt verschiedene Haltungen angesichts des Absurden auf. So steht Paneloux für die Haltung, die das Absurde nicht als solches wahrhaben will und es mit Erkenntnis, mit einer Idee, mit einer ‘Wahrheit’ erklären will, während Rieux nur die Reaktion kennt, dass er gegen das Absurde revoltiert.

Hauptteil
Paneloux predigt zweimal über die Pest; bei seiner ersten Predigt spricht Paneloux aus dem Glauben heraus, dass er wisse, was Gott mit der Pest vorhabe; sein Glaube ist für ihn Gewissheit über das Denken Gottes, ein wegen dieser Gewissheit triumphierender Glaube; entsprechend ist sein Predigtstil pathetisch.
Tarrou ironisiert diesen pathetischen Stil nachdrücklich: Am Anfang und am Schluss von Heimsuchungen macht man immer ein wenig in Rhetorik ... im Augenblick des Unglücks allein gewöhnt man sich an die Wahrheit, das heißt ans Schweigen. (95)

Was Paneloux zu wissen glaubt, formuliert er im pathetischen Anfang seiner Predigt: die Pest ist ein Strafgericht Gottes: ... meine Brüder, ihr habt es verdient. (78) Aber nicht alle haben die Pest verdient, sondern die Hochmütigen und die Verblendeten; sie werden niedergeworfene werden. Die Gerechten brauchen sich nicht zu fürchten. Diese Trennung von Gerechten und Ungerechten verdeutlicht er durch das Bild des Dreschflegels, der die Spreu vom Weizen trennt. Gott habe zu diesem Mittel gegriffen, weil er - so deutet Paneloux - die Menschen verzehrend geliebt hat, die Menschen aber nicht gekommen sind und Gott nun des Wartens müde (79) ist.

Die Pest ist aber nicht nur Strafe, sondern neben der Züchtigung gibt es den Trost: in der Strafe zeigt Gott mit seinem Erbarmen den Menschen den Weg des Heils.

Rieux wendet sich gegen einen solchen Glauben, der erklären zu können glaubt; er meint: Paneloux hat nicht genug sterben gesehen, und deshalb spricht er im Namen einer Wahrheit. (103)

Diese vermeintliche Wahrheit, die Paneloux zu haben glaubt, interpretiert Rieux als Gedanken einer Kollektivstrafe (102), den er aufgrund seiner Erfahrungen mit dem menschlichen Leid nicht lieben kann. Er verurteilt jeden Erklärungsversuch, der ja zugleich ein Sich-abfinden ist: Wer ...das Elend und den Schmerz sieht, die die Pest bringt, muss wahnsinnig, blind oder feige sein, um sich mit ihr abzufinden. (102)
Zwar kann die Pest - auch nach dem Verständnis Rieux’ - die Augen öffnen, zum Nachdenken zwingen, verhelfen, größer zu werden. Rieux gibt zu, dass die Pest auch ihr Gutes hat (102) - hier denkt Rieux ähnlich wie Paneloux -, aber: Wer das Leben kennt, wird dem Elend zu steuern versuchen, ehe er es unternimmt, seine Vorzüge aufzuzeigen (103), den Vorzug etwa, Heilsweg zu sein. Rieux dagegen glaubt, auf dem Weg der Wahrheit zu sein, indem er gegen die Schöpfung, so wie sie sei, ankämpfe. (103) Und er kämpft dagegen an, weil es für ihn keinen Gott gibt, der ja, wenn es ihn gäbe, diese Arbeit übernehmen würde; er würde sie gerne Gott überlassen. Rieux findet sich nicht mit einer Weltordnung (104) ab, die durch den Tod bestimmt wird; Und da die Weltordung die Ordnung Gottes ist, wenn es ihn gibt, ist es nach Rieux vielleicht besser für Gott, wenn man nicht an ihn glaubt und dafür mit aller Kraft gegen den Tod ankämpft, ohne die Augen zu dem Himmel zu erheben, wo er schweigt. (104) Bei diesem Kampf gibt es nur eine endlose Niederlage (vgl. das Mühen des Sisyphos); und trotzdem meinen Tarrou und Rieux, gegen das Elend revoltieren zu müssen: man musste auf die eine oder andere Art kämpfen und nicht auf die Knie fallen (108)

Tarrou hat Paneloux aufgefordert, bei dem von ihm organisierten freiwilligen Sanitätsdienst mitzuarbeiten, und Paneloux hat zugesagt. Rieux’ Reaktion: Ich bin froh, dass er besser ist als seine Predigt (123; vgl. Rieux’ Äußerung über die Christen: Sie sind besser, als sie scheinen.102). Als man bei einem Kind den neu entwickelten Impfstoff testet und darum den entsetzlichen Todeskampf dieses Kindes genauer beobachtet, empfinden alle Beteiligten, auch Paneloux, dessen Schmerz als eine empörende Schmach. (173) Sein Schreien kommt ihnen vor wie der Schrei aller Zeiten (175) - später gebraucht Tarrou für dieses Leiden eines Kindes das Bild, dass der Unschuld die Augen ausgestochen werden. Paneloux schien verändert.

Und diese Veränderung beeinflusst seine zweite Predigt. Zwar bleibt das in der ersten Predigt Gesagte gültig für die Ungerechten, z.B. für den Wüstling Don Juan. Aber es gibt in der zweiten Predigt eine Akzentverschiebung: Paneloux predigt sanfter, überlegter, sagt nicht mehr ‘ihr’ sondern ‘wir’ (180). Mit dem Blick der Nächstenliebe sieht er jetzt deutlicher die wirklich Unschuldigen und sieht sich nicht in der Lage, das Leiden des Kindes zu erklären und mit der Pest in einen plausiblen Zusammenhang zu bringen. Er hilft sich auch nicht mit der Ausflucht, dass die ewige Glückseligkeit Ausgleich sei für das Leiden Unschuldiger: ... der Pater würde am Fuße der Mauer bleiben ... Auge in Auge mit dem Leiden eines Kindes. (181) Das heißt: er weiß jetzt, dass er nicht über die Mauer und in das Herz Gottes sehen kann, - bei der ersten Predigt glaubte er noch, dies zu können.

Rieux wundert sich über die neue Haltung Paneloux’; er erfasste verworren, dass es nach des Paters Ansicht gar nichts zu erklären gab. (181)

Aber Paneloux geht nicht den Weg Rieux’, der angesichts des Leids Gott leugnet, sondern er geht den Weg eines verzweifelten Glaubens, das heißt, ... sich Gottes Willen ganz zu überlassen, selbst wenn er unverständlich war, ... sich mitten in das Unannehmbare hineinstürzen und in die Erniedrigung (182); und er bekennt in seiner zweiten Predigt, er werde wählen, alles zu glauben, um nicht gezwungen zu sein, alles zu leugnen. (183); er hat nur die Wahl, Gott zu hassen oder zu lieben. (185), und die Liebe zu Gott, der das Leiden und Sterben der Kinder ...notwendig machen (184) kann, setzt völlige Selbstaufgabe und Selbstverleugnung voraus. (185) Diese neue Haltung ist für Paneloux die höchste Tugend (182), die Tugend der völligen Annahme; sie im Unglück wiederzufinden, sei Gnade (182) Gottes. Man müsse lernen, diese Erniedrigung, die Kreuzigung des Verstand, zu wollen, weil Gott es wollte (183), weil Gott es wollte darin einzuwilligen, dass ... ihm die Augen ausgestochen werden. Dann ist auch die grausamste Prüfung ... für den Christen noch Gewinn.(180).

Paneloux selbst nennt diese Haltung Fatalismus (183), da der Mensch das Leiden der Kinder weder begreifen noch auslöschen kann, aber er nennt diesen Fatalismus tätig, da den Verstand zu kreuzigen und sich willig ganz Gott anzubefehlen (184) in dem Glauben, dass die Wahrheit aus der scheinbaren Ungerechtigkeit hervorbrechen wird (185), die eigene Leistung des Menschen ist.

Gegen diese erniedrigende Annahme des Unbegreiflichen, zu der fähig zu sein Paneloux als Gnade empfindet (177), setzt Rieux, der diese Gnade nicht hat, die Revolte: Und es gibt Zeiten in dieser Stadt, da ich nur mehr meine Empörung spüre.(177) Sich nicht abfinden, revoltieren und heilen - das ist es, was Rieux als Arzt ausmacht. Dem Arzt als Chiffre für diese Haltung setzt Camus den Priester gegenüber, der glaubt, Gottes Absichten erklären zu können, oder aber, wenn er keine Erklärungen mehr hat, sich Gott blind hingibt - sozusagen mit ausgestochenen Augen (186). Konsequent verzichtet Paneloux dann auch bei seinem Sterben auf die Hilfe eines Arztes.

als alternatives Thema: Rieux und Tarrou



Die Pest

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