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„Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!“
Brechts ‚Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui’ in Bergisch Gladbach

Ein Segen für die Welt, dass der ‚Untergang’ Hitlers unaufhaltsam war – sein Aufstieg aber war aufhaltsam – wie Brecht in der ihm eigenen Art formuliert.

Adolf Hitler in der Verhüllung des Arturo Ui und in dieser Verhüllung als „großer politischer Verbrecher“ enthüllt und der „Lächerlichkeit preisgegeben“, so hat es Brecht gemeint, als er in wenigen Wochen, im Frühjahr 1941 im Exil in Helsinki, sein Stück vom „aufhaltsamen Aufstieg des Arturo Ui“ schrieb. Dabei sollte aber nach Brechts Vorstellung nicht jeder kleine Handlungszug der Ui-Geschichte in Parallele gesetzt werden zum Aufstieg Hitlers. Überdies ist das Stück auch ohne die historischen Bezüge verständlich; es bleibt aktuell, vornehmlich in der Darstellung der üblen Allianz von Kapital und Politik; und es ist unnachahmlich meisterhaft durch seine mit bitterböser Ironie unheimlich treffenden Sprache.

In geraffter Form der Inhalt und seine historischen Parallelen:
In Zeiten der Krise geht das Karfiol(Blumenkohl)geschäft schlecht – die Menschen haben nicht einmal das Geld, sich am Blumenkohl satt zu essen. So gerät der Karfiol-Trust, dem der Blumenkohl verfault, in Nöten. Der Gangster Arturo Ui bietet seine Dienste an; er will die Grünzeugläden mit seinem Browning ‚überzeugen’, nur bei jenem Karfiol-Trust zu kaufen.

Die Geschäftsleute versuchen es zunächst ein wenig seriöser: Der als bieder und ehrlich geltende achtzigjährige Kommunalpolitiker und Gastwirt Dogsborough soll bei der Stadt – man befindet sich in Chikago – eine Anleihe besorgen – angeblich zum Bau von Kaianlagen durch den Trust.

Der Trust übernimmt für „nen Fußtritt“ die Reederei von Sheet und gibt insgeheim deren Aktienmehrheit für die Hälfte des Gelds an Dogsborough. In der Zwischenzeit hat Dogsborough der Stadt empfohlen, dem Trust die Anleihe zu geben. Die historische Parallele, wie Brecht sie sieht: „1929-1932. Die Weltkrise sucht Deutschland ganz besonders stark heim. Auf dem Höhepunkt der Krise versuchen preußische Junker, Staatsanleihen zu ergattern, lange ohne Erfolg. Rheinische Schwerindustrielle träumen von Expansion.“

Die Sheet-Reederei, die ja nun Dogsborough gehört, erhält die Anleihe zum Bau der Kaianlagen, und der Trust schenkt Dogsborough zu der Reederei auch noch ein Landhaus. („Um den Reichspräsidenten Hindenburg für die Nöte der Gutsbesitzer zu interessieren, machen die Junker ihm einen Gutshof zum Ehrengeschenk.“)

Dogsborough ist korrupt geworden und also erpressbar; und Arturo Ui nutzt dies: Dogsborough soll ihn vor der Polizei schützen, wenn er von den Gemüsehändlern Schutzgeld eintreibt und sie zudem zwingt, nur beim Karfioltrust einzukaufen.

Als die Stadt untersucht, wo die Anleihe geblieben ist, vertritt Ui Dogsborough und behauptet, Sheet habe sie veruntreut. Sheet aber und sein Prokurist können nicht mehr bezeugen, dass nun Dogsborough der Eigentümer ist; sie werden ermordet. Die geschichtliche Parallele dazu: „Im Januar 1933 macht Hindenburg Hitler zum Reichskanzler gegen das Versprechen, die drohende Aufdeckung des Osthilfeskandals zu verhindern, in den der Reichspräsident selbst verwickelt ist.“

Ui sieht seine Aufgabe darin, Ordnung, „Ruhe und Sicherheit und Friede“ in der Stadt herzustellen, und die so Geschützten müssten dafür auch zahlen. Als die Gemüsehändler meinen, es sei doch ziemlich ruhig in der Stadt, lässt Giri (= Göring) das Lager eines der Händler anzünden. Der Beweis ist erbracht: die Händler bedürfen Uis Schutz. Der historische Hintergrund: „Im Februar 1933 geht das Reichstagsgebäude in Flammen auf. Hitler beschuldigt seine Feinde der Brandstiftung und gibt das Signal zur Nacht der langen Messer. In einem großen Prozess verurteilt das Reichsgericht zu Leipzig einen Arbeitslosen zum Tod wegen Brandstiftung. Die Brandstifter gehen frei aus. Von nun an arbeitet die deutsche Justiz für Hitler.“

Roma, der treueste Vasall Uis, legt sich mit den Trust-Geschäftsleuten an; denen ist er wegen seiner rabiaten Art ein Dorn im Auge; Ui lässt ihn umbringen – ein Bild für den Röhm-Putsch 1934. Auch Dullfeet (Dollfuß, österreichischer Bundeskanzler 1932-34), der einflussreichste Mann im benachbarten Cicero (Österreich), wird von Ui ermordet, und Ui hat nun auch hier die Macht. Die Grünzeughändler von Chikago und Cicero suchen vergeblich nach einem, der sie vor Ui rettet. Dieser erwartet „freiwilligen Anschluss“ der Grünzeughändler Ciceros. Die Brownings von Uis Gangstern im Rücken stimmen sie mit beiden erhobenen Händen für den Anschluss. Ui kündigt die ‚Unterschutzstellung’ weiterer Städte an.

Im später geschriebenen Epilog zu dieser komisch-grausigen Analyse der Entstehung der Nazi-Herrschaft heißt es:

Ihr aber lernet, wie man sieht statt stiert
Und handelt, statt zu reden noch und noch.
So was hätt einmal fast die Welt regiert!
Die Völker wurden seiner Herr, jedoch
Dass keiner uns zu früh da triumphiert
Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!

Dienstag, den 15. Februar 2005 im ‚Bergischen Löwen’




'Die Ausnahme und die Regel' Klassenarbeit / Stücke

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